Unter etwaigen und wahnsinnigen Umständen – Neben der Zeit

Eine phantastische Reise mit mir, zu mir selbst“

1.Die Vorbereitung

Wenn einer eine Reise macht, dann hat er viel zu erzählen. Oder auch nicht. Wie war das denn nun mit meinen eigenen Erlebnissen zu mir selbst? Auch da hat man zu erzählen.

Nur nicht so intensiv, .

Oder?

Ich bin nun einmal ein Träumer und ein Geschichtenerzähler, aber ich würde mich doch niemals selbst belügen, höchstens nur ein ganz klein wenig. Einverstanden? Ihr glaubt mir doch?

Das müsst ihr mir einfach mal glauben, dazu benötige ich euren Vertrauensvorschuss.

Einer meiner Lieblingsdichter, der große Honore de Balzac, hat schon immer in mir den Traum erfasst, seine letzte Ruhestätte zu besuchen und vielleicht noch etwas mehr in seinem Paris zu erleben

Ich wollte in Erfahrung bringen, zeigen sich da etwaige Parallelen zu meinem eigenen Leben.

Die 70 habe ich erreicht – ich brauche dieses Erlebnis und dürste danach, obwohl ich nicht auf grelle und bunte Jogginganzüge stehe! Ich begebe mich also auf die Reise, um eine neue Erfahrung zu machen. Gibt es da vielleicht kleine Parallelen? Man wird sehen, obwohl ich nicht auf Jogginganzüge stehe. Ich bin da jetzt außen ganz vor.

Man kann zu und vor seiner Zeit, in seine Zeit und auch nach neben seiner Zeit, reisen. Kommt auf den Versuch an. Also begab ich mich auf eine Reise neben meiner Zeit!

Erlebnis in ersterer Form und einfach wunderschön!

Neben der Zeit

Manchmal stehe ich vor Dingen,

welche ich schon mal gesehen

Tagträume in Erinnerungen schwingen

Leben im Voraus geschehen.

Manchmal komme ich zu Orten,

nie dort gewesen, doch erlebt.

Erinnereungen in den schönsten Worten,

ein Herz welches zeitlos schwebt.

Manchmal stehe ich im Leben,

irgendwo in einer anderen Zeit,

Glücksmomente zu erstreben,

Leben ohne Trist und Einsamkeit.

Manchmal geht dann meine Reise

in ein nicht gekanntes Land der Träume.

Planlos führen meine Lebensgleise,

berühren von der Zeit vergessene Räume.

Manchmal möchte ich einfach bleiben

auf den Spuren neben meiner Zeit,

mich an deiner Seele reiben,

zeitlos in Unendlichkeit.

Geht es Euch eigentlich ähnlich? Habt Ihr solche Situationen auch schon durchlebt? Wer viel Phantasie hst, der hat doch mehr vom Leben, steht völlig über den Dingen.

Ich war zu Besuch bei meinen Kindern in Bremen, hatte nicht so viele Kleidung mit genommen und sage doch zu meiner Schwiegertochter: „Meine Kleidung ist irgendwie alles verschmutzt und ich besitze in Bremen nur noch einen Set saubere „Anziehsachen“ und ich habe da letztens in Paris einen Jogginganzug gesehen, der mich begeistert hatte. So richtig grell und bunt. Gesagt, getan. Ich, wegen eines solchen „Kleidungsstückes“ auf dem Weg nach Paris.Das war dann die Quelle allen Übels. Nur muss ich dazu sagen: Ich trage zur allergrößten Not einmal eine solche Hose, solcher Kleidung innerhalb meiner eigenen vier Wände. Keinen Meter außerhalb meiner Wohnung.

Geht gar nicht. Da halte ich es lieber mit den Worten des großen Carl Lagerfeld. Wer Joggingsachen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben völlig verloren. Recht hatte er, der große Carl.

Also, kann ich dies doch nur geträumt habe! Denn so etwas derartig hässliches kann es nicht real geben und schon gar nicht in „meinem modischen Paris“.

Jürg aufwachen! Hier wird etwas sehr, sehr peinlich, ich glaube auch , für meine Schwiegertochter, für mich und natürlich für uns Beide!

Also Paris, Wir kommen!, aber gerade haben sich die Fahrtgründe geändert.!

Dies sollte ein Fahrt werden, die ihres gleichen sucht. In der Kürze wie auch in der Intensität.

Ich wollte mit meinem besten und engsten Freund Ibot, wie wir es uns schon seit der Oberstufe vorgenommen hatten. Wir also auf zu unserm Wunschziel, nach Paris, unseren Faden einfach weiter gesponnen, hatten einen Schlachtplan aufgearbeitet. Lebensläufe gewälzt und Fremdenführer studiert. Vorbereitet wie die kleinen Götter, ich bin Jürg und mein Intimus Ibotist mit an Bord.

Wir waren wie aufgezogene Kinder auf den Weg die Welt zu erkunden, ausgelassen schmetterten wir eine Operettenmelodie, so wie ich es doch schon so oft mit der großen Mira getan habe, eine nach der anderen. Lauthals und ohne tieferen Sinn, wie„Ja , das Studium der Weiber ist schwer…“ Aber irgendwann war dann der Kopf leer und Experten waren wir gleich gar nicht. Und äußerst Dabei hatten wir die Grenze nach Belgien längst überschritten. Waren bei bester Laune und kamen immer mehr in die richtige Stimmung. Hervorragend . Die Zeit verging im Sauseschritt, also ich, so schnell wie ich kann Schnell die überall hell erleuchtete Autobahn durch fahren. Die französische Grenze in Sicht.

Die Fahrzeit ging auf die neun Stunden zu und unsere Stimmung war perfekt und wir mussten uns erst wieder an unseren Anlass erinnern. Verdun kam in Sichtweite.

Einfach schön und äußerst geschichtsträchtig. Der Geschichtsunterricht lief in Endlosschleife an mir vorbei und wir testeten uns gegenseitig mit historischen Daten!

Wir waren gut!

Aber noch lange nicht so gut wie das Original und dem kamen wir immer näher, sozusagen zum Anfassen nah.

Der Hunger plagte uns nun schon langsam und es fühlte sich an wie kräftige Schläge in die Magengrube.

An der Casa Roma vorbei und der Eiffelturm waren schon in Sichtweise. Es wurde langsam so richtig interessant.

Am Parkplatz „de la Rapete“ stellten wir unser Auto ab. Natürlich standesbewusst hatten wir einen Franzosen. Am besten einen total zerbeulten, denn er würde es in Paris nicht anders bleiben. Ein- und ausparken mit der gezückten Stoßstange. Jeder sieht so aus, man fällt nicht auf. Ein Auto ist nicht wie in Deutschland ein Statussymbol, es ist zum gebrauchen da, und dazu gehört die Stange zum Stoßen und die wird überall eingesetzt. Sonst hat man mit Parken in Paris keine Chance.

2. Frühstück und eine Menge mehr im „Café fein Ost“ – Ich und Paris, eine göttliche Komödie

Wo gibt es nun das beste Frühstück in Paris? Von Freunden habe ich gehört, ganz ausgezeichnet speist man und auch Frau im „Café fein Ost“. Ja, lecker, sehr lecker! So kann man alle Mahlzeiten genießen, denn geöffnet ist bis 1.30 Uhr. Leckere Sandwich aller Sorten bestimmen das große Angebot.

HUNGER!!

Alles was ich in den Auslagen gesehen habe sieht sehr verlockend und lecker aus und hat ein perfektes Abonnement für die eigene Figur und zwar bis nachts die kleinen Männlein im Schlaf erscheinen und die Näthe an unseren Sachen viel enger machten und man sozusagen aus allen Näthen platzt.

Davor, auf der Straße Platz zu nehmen, entspannen und ohne Ende schlemmen.Vergesswen sind die kleinen bösen und hinterlistigen Männlein aus dem Schlaf. Jetzt geht es hier so richtig zur Sache.

Nach der langen Fahrt tat das sehr gut. Indem ich meine Füße ganz lang ausstreckte, „spielte ich eine Runde, Pariser“ fallen lassen!

Ich habe mich aber bei den Gefallenen entschuldigt, weiß nur nicht ob er es auch wirklich verstanden hat.

Also zum Frühstück selbst. Ich zähle mal auf, aber die Reihenfolge kann ich nicht wirklich garantieren. Zuerst einen und noch einen wunderbaren Milchcafé und einem Sanwich. Weiter gings es mit einem „Langen Pierre“, das ist ein langes Brot mit Schinken und drei Spiegeleiern mit Salat, eine Suggestion French Onion Soup, Tadin Tart.

Und nun zum süßen Teil: Vanilla Creme Brülee und andere süße Leckereien und zum Abschluss ganz traditionell ein Quiche. Dabei festgestellt, Pais ist lecker und verführerrich.

So, dass sollte erst einmal reichen.

Ich glaube, ich hatte eine extreme Magenerweiterung und diese brauchte noch zwei Milchcafé und eine längere Ruhepause in den Anlagen vor dem Louvre.

Eigentlich ging nix mehr aber wir hatten noch drei bis vier Tagesziele denn Ibot wollte noch weiter über den Kanal nach Britannien. Für alle weiteren Dinge hatte ich noch Zeit und ich hatte das Gefühl , es wird sich noch etwas ergeben. Das Schicksal spielte Zufall, oder etwa ander Wir waren jetzt im Zentrum unseres Ziels. Nachdem wir uns körperlich übersättigt hatten, war es jetzt Zeit für die kulturelle Sättigung.

Es war schließlich das wichtigste Anliegen unseres Paris Trip, die Jagd nach meinen grellen, bunten Jogginganzug. Ich war gespannt auf das Äußerste und sah mich schon mit diesem edlen Teil durch die Straßen von Leipzig flanieren.Das glaubt mir keiner, nicht einmal Rainer, wer immer das ist.

Ihr auch?

Aber erst einmal rein in den Louvre, dort, wo auch das französische Kunstmuseum beheimatet ist, eine frühere Residenz französischer Könige, als Teil des Pariser Stadtschlosses. Hier ist es zwischen den Seine Ufern eingebettet. Durch die gläserne Eingangspyramide kommt man zu den Ausstellungen.

Das spannende für mich, und was macht Mona Lisa? Wird sie lächeln?

Sie lächelt ununterbrochen!

Von dem Frühstück noch immer geschafft, lächle ich einfach zurück. Wir drei sind glücklich. Danke Mona Lisa, das war es wert!

Ehe sich Ibot verabschiedet wollten wir noch die Grabstelle von Honore de Balzac besuchen und einen schönen, sonnigen Nachmittag verbringen. Vom Louvre ist es nicht allzu weit bis zum größten Friedhof von Paris.

3. Der größte Friedhof von Paris, ein Park ähnliches, kunsthistorisches Ensemble

Gott sei Dank gab es hier auch nicht den gesuchten Jogginganzug, ihr wisst, grell und bunt. Dafür eine über laufende Blumenpracht, welche auch die Augen beruhigte.

Alte Friedhöfe und Kirchen wecken in mir eine Magie und beruhigen auf jedem Fall auch mein Nervenkostüm.

Ich liebe es, mich dort aufzuhalten und zur ersehnten Ruhe zu kommen.

Wer an Berühmtheiten und deren Ableben historisches Interesse zeigt, ist auf diesem Friedhof, dieser Oase der Ruhe vollkommen richtig. Der größte Friedhof ist der Pére Lachaise in Paris. Er ist bis 18 Uhr geöffnet. Hatte leider keinen Souvenirshop für ausgefallene Jogginganzüge. Aber bunt ist es hier allemal, mit einer Pracht von Blumen in allen Farben. Er ist auch mit der Fläche von 45 ha der größte der Pariser Friedhöfe und zugleich der erste Parkfriedhof. Schon alleine ein Radrundweg hat die stolze Länge von 5,6 Kilometer. Das zeigt dem Besucher schon die Ausmaße dieser Anlage. Bestattet sind hier unter anderem Oscar Wilde, Chopin, Jim Morrison und schließlich auch die letzte Ruhestätte von Honore de Balzac.

Benannt wurde dieser beeindruckende Friedhof nach Peter Francois d´Aix, auf dessen Garten der Friedhof errichtet wurde. Die Grabstätte von Balzcac ist so gestaltet, als ist der Meister unter der Grabplatte verschwunden und hat seine Arbeitsmaterialien alle liegen lassen. Man fühlt sich sofort wie in einer Schreib -und Denkstube und lässt sich irgendwo nieder und harrt der Dinge welche kommen werden. Ich habe sehr nachdenkliche Zeit verbracht. In so viel Grün gehen einem einfach die Gedanken auf, für eine grüne Lebensweise. Wenn man beachtet, wie viele Nährstoffe ein einziger Leichnam an einem Baum abgibt, kann sich jeder ausrechnen in welchen Mengen eine Nährstoffabgabe neues und erhaltenes Grün erzeugt, denn sirbt ein Mensch, setzt er Stickstoff frei. Ein durchschnittlicher Amerikaner setzt sozum Beispiel 2,6 Kilogramm Stickstoff frei.

Das wären ungefähr fünfzig mal so viel , wie in einer Saison, für Bäume und Sträucher empfohlen wird. Für den Paiser Friedhof sind das unglaubliche 69000 Grabstätten in höchster „geistiger“ Konzentration, denn unter den etwa einer Million Verstorbenen, die auf dem Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, befinden sich zahlreiche Berühmtheiten.

Ich atme diese geistige Macht in mich ein, welche Honore de Balczac von seinem Sockel zu mir herunter schickt. Eine wirkliche „Menschliche Komödie“.

Für die Wissenden ist das Leben einfach eine Unendliche Komödie, für die Nicht wissenden bleibt es eine Unendliche Tragödie. Die Zeit auf Pére Lachsise hat mir unwahrscheinlich viel Kraft für das weitere Paris gegeben. Kraft, die ich auch nötig gebraucht habe, obwohl ich keine grellen und bunten Sachen gefunden habe. In dieser Richtung macht sich schon ein wenig Ratlosigkeit in mir breit aber ich werde sehen und ihr sollt es von mir erfahren.

Muss man alles beschreiben was man gesehen hat, oder muss man alles gesehen haben, um darüber zu schreiben? Die Antwort fällt mir so schwer, denn mein Kopf ist ein Bienenkorb und ich bin meine eigene Königin.

Der Abend neigt sich dem Ende entgegen. Ich jedoch bin geneigt noch einige wenige Gläschen von dem leckeren Wein zu trinken, vielleicht bis ich nur noch grelle, bunte und hässliche Jogginganzüge sehe.

Ich in Paris, fast einhundert Jahre nach dem Todestag von Honore del Balczac. Ein überaus erhebendes Gefühl. Vor allem, ich war sn der Grabstätte meines Lieblingsdichters. Honore, du warst ein ganz Großer, nur die Zeit hatte dies noch nicht erkannt. Am wenigsten aber die eigene Familie.

Hier in Pére de Lachsaise hst er seine letzte Ruhe gefunden. Ich ließ den Tag, die letzten Stunden Revue passieren. Ich saß auf einer schattigen Bank, nicht auf einer schottischen Bank, denn dabei dachte ich an Ibot und musste laut lachen, denn der saß bestimmt wirklich auf einer schottischen Bank in Glasgow und hat bestimmt gerade genauso laut gelacht. Oh,man schaute zu mir, zumindest einer.

Ich lasse die absolute Stille auf mich wirken und mich von ihr beherrschen. Sie tut mir sehr gut und bringt mich den großen Dichter ein ganzes Stück näher und mir wird bewusst warum er so verehrt wird. Balczakc aus der unteren Schicht kommend, hat sich mit Energie hoch gearbeitet, extrem zielstrebig gelernt. Er war weiter, als andere, verfasste schon als Schüler bedeutende Werke, welche die Mitschüler teilweise verschwinden ließen, aus Neid auf seine Klugheit. Jetzt hat die Welt diesen Dichter voll und ganz für sich.

„Er setzte sein großes Wissen, für die damalige Zeit, sehr schnell um und stellte Zusammenhänge sofort her, der Poete Luis Lambert, welchen er erdacht hatte, in Form eines Doppelporträts. Beide Grundformen seines Genies , die schöpferische, die Gestalten des Daseins, die nachbildende und die ordnende , welche geheime Gesetze in großen Zusammenhängen des Daseins aufzeigen wollte (ähnlich wie bei Goethes Faust) “ Zitat von Stefan Zweig

Nachdem ich „Luis“ so völlig aufgesogen hatte, in diese wunderbare Welt eingetaucht bin, sie geatmet hatte, war ich der glücklichste Mensch. Ich schwebte, ich glaube, in meinem grellen und bunten, geschmacklosen Anzug. Schade. Was würde denn bei diesen Gedanken die Mona Lisa machen?

Sie lacht lauthals!

Ich relativiere, sie lächelt! Wahrscheinlich hat sie in ihrem verborgenen Blick, mich in diesem verwunschenen Anzug gesehen. Seitdem haben sich ihre Gesichtszüge nicht mehr entspannt, was vielleicht auch eine Erklärung der lächelnden Mona Lisa wäre? Das Lächeln wares mir wert deshalb verbrachte ich unlängst vor diesem Bild auch die meiste Zeit im Louvre. Wertvolle Zeit.

4. Paris, Paris über Allem – Tod und Leben

Mein Kaffeedurst führte mich in der Nähe vom Louvre zu einem kleinen bezaubernden Straßencafé.

Ich ließ mich an einem Tisch vor dem Straßencafé nieder und genoss wiederum dieses wunderschöne Frühlingwetter.

Ein Deutscher setzte sich auf den freien Platz an meinem Tisch, nicht wie in Deutschland, wo man liebsten allein sitzt. Er musterte und taxierte mich von Oben bis unten. Sehr, sehr aufdringlich. Eigentlich hatte ich mich darauf vorbereitet, bei den Hotelpreisen in Paris, das Hotel zu sparen und für eine Nacht das Hotel „Daccia“, ohne fließenden Wasser und Fernsehen zu nehmen So richtig standesgemäß eben! Erst dachte ich, er wolle etwas von mir, was also nicht die von mir bevorzugte Konversation darstellte. Er musterte mich wiederum und sprach mich dann auch gleich mit Du an. Wie denn anders, ein Deutscher. Der Bann war gebrochen. Und alles, aber auch alles fügte sich in diesen Tag. Er suche Darsteller für einen kleinen Dokumentarfilm über den Tod von Honore de Balzac vor einhundert Jahren. Der Kreis hatte sich wieder geschlossen. Und es wäre keine Sprechrolle, da ja Tote bekannterweise nicht oder selten reden.

Ich sollte den toten Honore auf seinem Totenbett darstellen. Ich musste also nichts weiter tun, als mich einfach tod zu stellen. Und genau dies hatte ich schon des Öfteren getan und es war nicht aufgefallen. Passt!

Das kann ich, sagte ich mir. Ich glaubte, gehört zu haben, der Film solle den Titel tragen „Wie die Frau sagt:::“. Diese Dame sollte also die Aufgabe haben, die mobilen Besitzverhältnisse des Prominenten nach seinem Tod zu bestätigen um der Polizei zu übermitteln ob eventuell eine Straftat vorliegt. An dem war nicht so. Viele wohlhabende Männer sind zu dieser Zeit nach ihrem Schäferstündchen nicht nur sexuell erleichtert wurden, während er sanft entschlief, klärte mich Alex bei einigen Bechern Wein auf, An zurück fahren war aber nun nicht mehr zu denken und der Produzent Alex Auch die Übernachtung hatte sich zwischenzeitlich geklärt. Adieu, Hotel“ Daccia“. Auf sein Geheiß checkte ich, nach seinem Worten, auf Kosten der Firma in einem naheliegenden Hotel ein und ließ es mir gut gehen. Zufällig buchte ich ein Hotel wo ich in der preiswerten Variante eine ganze Woche übernachten konnte inklusive eines Designer Jogging Anzuges. Allerdings blieb ich einen Tag länger in Paris und besichtigte noch das eine und andere in der Stadt an der Seine. Ich entdeckte in einem Hotel meiner Preisklasse eine Gemeinsamkeit von uns beiden. Wir waren ein Leben lang notorisch pleite.leider keine Gemeinsamkeit in anderen Dingen. Pleite aber guter Dinge übernachtete ich im feinen Hotel „de Ville“, zu mindestens eine Nacht.

Über dem Bett ausgebreitet lag in aller Pracht, ein greller, buner Jogginganzug.

Ich schrie verzweifelt ! Neiiiiiin!!!!

Das will ich nicht!

Da sagte plötzlich die Stimme aus dem Kleiderschrank.

„“Das musst Du tragen. Das ist Mode, das tragen hier alle!

Ich habe den Urlaub nicht gewollt.,du sagtest, ich heiße Bubu, ich sagte nein

Keine Mode in Paris….

Lulajule nein, ich heiße BUBU, und wie heißt eigentlich DU?

Ich hatte mich im Hotel de Ville, nur kurz auf das Bett gelegt und war sofort tief und fest eingeschlafen. schweißgebadet wachte ich nach einigen Sekunden auf. Jetzt brauchte ich wirklich eine Dusche.

Im Hotel de Ville also, übernachtete ich nun und fühlte mich so richtig wohl in dieser Historie. Mit Alex traf ich mich am nächsten Morgen dort zum Frühstück.Dieses Hotel ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Stil der Neo Renaissance errichtete Rathaus von Paris.

Ich im Rathaus von Paris genächtigt, wow! Die Nacht für schlappe 00000 Euro, hatte man für mich hin geblättert. Da hätte ich nun als Otto Normalverbraucher ganze zwei Wochen mir eine Auszeit leisten können.

5.Tod und Ende des „Jogginganzug“

Der Deutsche war wie man es von Deutschen gewohnt war, auf die Minute pünktlich und hieß genau, wie der größte Platz, mitten in Berlin , ALEX .

Das gemischt mit Pariser Gemütlichkeit, also erst einmal Kaffee trinken, baden im Milchcafé. Geil!

Irgendwann ging es dann richtig zur Sache!

Alex wies mich in meine „Rolle“ ein. Es war nicht schwer, der Drehstab und alles was dazu gehörte traf ein und brachte mich auf Vordermann.

Auch einen Toten zu spielen ist keine leichte Rolle, so leicht sie auch anmutet. Erst einmal habe ich zu viel geatmet, ein andres mal geblinzelt. Ganze vierzehn mal lief diese Szene auf dem Totenbett, ehe sie in der Filmsprache gesagt, im Kasten war. Viel Schweiß ist geflossen um ein kleines bisschen tot zu sein.

Was war der absolut schwerste Part dieser Rolle? Zum einen, meine Verbundenheit, die Ehrfurcht zu diesem großen Dichter, Zur Story, der große Dichter war verstorben, war tot. Seine Sachen lagen in dem Hotelzimmer, welches als Drehort auserwählt war. Also die Sachen, welche ich überziehen sollte für diese kleine Rolle

Meinen ganzen Körper durchzog ein unbeschreibliches Kribbeln.

Noch ein Schälchen Heeßen, wie der Sachse sagen würde und es ging los. Wir hatten uns ein wenig angefreundet und die Chemie zwischen uns stimmte.

Wieder zur Story.

Der Dichter war tot, es lebe der Dichter.

Jetzt kam die besagte Frau ins Spiel. Die Polizei hatte den Leichnam frei gegeben, also frei zur Bestattung. Jetzt hatte sie die Aufgabe, die persönlichen Dinge Balzacs an sich zu nehmen, aufzulisten und zu vergleichen und dem rechtmäßigen Besitzer zu übergeben.

„Was die Frau sagt“ ein juristischer Monstrum. Jetzt kann die Bestattung durchgeführt werden.

Ich hatte nach Paris ein wenig Geld mehr angespart und konnte mir noch einiges ansehen und mehrere Kaffee trinken!

Dann ging es zurück nach Deutschland.

Paris war für mich also ein größerer Erfolg. Außer dem grellen und bunten Jogginganzug hatte ich alles erreicht. Also musste ich noch einmal zurück ins Land der Träume und Illusionen.

Hattet Ihr dies ohnehin alles geglaubt und hatte ich das alles in Paris erlebt?

Ich fuhr aus Paris raus und parkte auf dem erstbesten Parkplatz und machte ein Traum Schläfchen ins Land der unbegrenzten Träume…

Und eine neue Erkenntnis breitete sich innerlich in mir aus. Ja, innerlich sind wir doch alle ein wenig mehr oder auch weniger ein bisschen verrückt?

Sind wir nicht alle ein wenig mehr oder weniger bunt, schrill, grell und ganz anders? Aber das haben wir uns so etwas von verinnerlicht. Wir lassen dies selten nach außen dringen. Das müssen wir aber nicht unbedingt nach Außen zeigen. Deshalb brauche ich auch keinen grellen und bunten Jogginganzug anzuziehen, denn diese Farbigkeit, Reste einer gewissen Wildheit, muss ich nicht auch noch äußerlich tragen. Dies sollte sich jeder innerlich bewahren. Die Freiheit des Denkens und der Farben.

Am Ende frage ich mich. Habe ich das Alles nicht nur geträumt? Was meinst Du…?

Jürgen Rüstau

Anka und die Strumpfsohlen Connection

Es war Samstag Morgen. Ich holte Anka zu Hause ab. Was machen wir heute, fragte Anka auch gleich ungeduldig und neugierig?
Einen Moment noch. Ihr kennt ja Anka noch gar nicht? Was müsst ihr über Anka wissen, noch ehe ich mit ihr auf eine Fahrt in die blühende wunderschöne Dübener Heide gehe.
Ja, Anka, sie ist meine Muse, meine Liebe und mein Hafen zu dem ich immer wieder zurück kehre. Sie ist mein Leben…

Mein Blick hat sich an dir festgesogen
Kann nicht mehr wegschauen
Stehe wie unter Drogen.
Schaue wie verzaubert in dein Gesicht
Gedanken Blitze verwirren.
Du bist die Muse für mein neues Gedicht.
Dieses Gedicht, das handelt von dir.
Träume der Liebe wandeln vom ich zum wir.
Augen haben sich ineinander fest gekrallt.
Liebes,
mit dir würde ich gern gemeinsam alt.

So viel zu Anka. Was ihr noch wissen solltet, sie liebt Kekse und Kuchen über alles und das bei einer kompakten Körpermasse von knapp über vierzig Kilogramm. Also, Kekse und Kuchen tun dem Krümelmonster überhaupt nichts an.
Ich schaute ihr in ihre großen Augen und sagte, wir fahren in die Heide. Sie schaute mich ungläubig an. Du meinst wir fahren zu Heidi, kenne ich die? Nein Anka, kennst du noch nicht aber wir fahren in die Heide. Das ist ein Natur Gebiet rund um Bad Düben und das heißt so weil dort die Heide von August bis September blüht und diese Pflanzen werden vielfach auch Erika genannt. Jetzt schaute sie mich noch dümmlicher an. Sie hielt nur einen Moment inne, dann schoss es aus ihr heraus. Lachend sagte sie, du kennst ja doch eine Menge Frauen. Heidi und Erika und ihr Lachen schien unendlich das ganze Auto zu beschallen.
Die Fahrt ging los.
Wir verließen gut gelaunt die Stadt in Richtung Bad Düben. Als wir die Wälder erreichten, sagte ich zu Anka, hier beginnt schon die Heide.
So schnell ist die Zeit vergangen und wir sind schon in dieser Heide, stellte Anka fest.
Als wir diesen malerischen Heide Ort erreichten, hielt ich bei einer Bäckerei an. Ich hole uns etwas Proviant, sagte ich zu Anka und verschwand im Laden. Sie wartete ungeduldig im Auto auf meine Rückkehr. Mit einem großen Packet kam ich zu ihr zurück. Was hast du da für uns eingekauft, fragte Anka auch gleich. Ich sagte, alles für mich und grinste. Sie fand das nicht zum Lachen.
Ich habe mir eine Erinnerung an meine Kindheit gekauft und legte ein süßes Teil auf das Armaturenbrett vom Auto. Sie staunte und fragte was das sei. Das sind Strumpfsohlen, sagte ich ihr. Anka staunte wortlos, dann fragte sie, warum heißen die Strumpfsohlen? Erinnerst du dich, als du bei mir im Wohnzimmer gelaufen bist und Löcher in den Strümpfen hattest?
Oh, das war mir aber so etwas von peinlich, sagte Anka schnell und wurde puderrot im Gesicht.
Siehst du, die gleichen Gedanken hatte der Heide Bäcker vor sehr vielen Jahren.
Woher wusste er von den Löchern in meinem Strümpfen? Anka schaute mich unsicher an.
Er wusste es natürlich nicht aber er hatte die gleichen Erfahrungen gemacht und wie die Strümpfe aussahen stellte er seine Gebäckstücke her, ein Backwerk aus Hefeteig mit viel Streuseln und viel Puderzucker. Auf den Boden legte er Pflaumen aus und so sah es dann aus wie eine Sohle mit Löchern. Die Strumpfsohle war geboren und wurde auch unter diesen Namen verkauft.
Und diese lag nun bei uns auf dem Armaturenbrett. Andere sagten, sie seien vor langer Zeit zu Ehren der heiligen Hedwig, deren Grab im Rahmen einer Wallfahrt besucht wurde. Daher sind sie auch als „Hedwigsohlen“ bekannt.
Die heilige Hedwig war Herzogin von Schlesien, half den Armen und lief das ganze Jahr barfuß. Noch eine Frau, stöhnte Anka und verdrehte die Augen. Ich musste lachen und Anka stimmte mit ein.
Bevor wir die Heide erreichten legten wir an der Burg Düben einen Zwischenstopp ein. Sie erhebt sich auf einen kleinen Hügel rechts der Mulde direkt an deren Ufer. Jetzt beherbergt sie ein Landschaftsmuseum und dokumentiert das Leben von Hans Kohlhase, einem rebellischen Kaufmann.
Anka war plötzlich ganz aufgeregt. Die Mulde, die kenne ich, auf der sind wir einmal mit dem Schlauchboot geschiffert.
Ja, ich weiß. Wir sind damals von Leisnig nach Grimma, mit dem Schlauchboot gefahren. Es war ganz schön lustig und es war sehr wenig Wasser in der Mulde. Wir mussten einige Male das Boot anschieben. Vierzehn Tage später war es soviel Wasser das der Fluss über die Ufer trat, wahnsinnig viele Schäden anrichten und viel Leid über die Anwohner brachte.
Ja, ich erinnere mich, sagte Anka. Wir machten auch ein Picknick am Ufer und übernachteten in einer Jugendherberge am Rande der Mulde. Da ging sogar noch ein Bild von Erich Honecker und das viele Jahre nach der Wende.
Fein gemerkt, sagte ich und war stolz auf die Kleene. Das war aber auch wirklich eine schöne Tour. Genau wie heute, dachte ich.
Anka schielte aber ungeniert auf die leckeren Strumpfsohlen. Wann essen wir die endlich, fragte sie und als Antwort knurrte laut mein Magen.
Kurze Zeit später hielt jeder ein solches Backwerk in der Hand und wir bissen in das uns anlachende süße Teil. Anka hatte den ganzen Puderzucker über das Gesicht verteilt und sah so noch süßer aus als sonst.
Nun gestärkt ging es auf in die Heide.
Anka und die Heide, gepaart mit Strumpfsohlen, eine nicht zu toppende Alternative, eine wahrlich Strumpfsohlen Connection.

© Jürgen Rüstau

Bittersüßer Abschied – Die Café Maus

In dem kleinen Café am Rande der großen Stadt, war es still geworden.
Wie lange ich hier schon sitze? Ich weiß es gar nicht mehr genau – ich bin einfach glücklich hier – doch es sind sicher schon 2 Jahre. Naja, in der Zeit saß ich natürlich nicht immer an derselben Stelle, aber doch so ziemlich genau immer hier oben, auf dem Vorsprung am Fenster. Glaubt mir, als Maus kann man sich kein schöneres Zuhause wünschen. Mein ur-ur-irgendwas-Großvater lebte vor über 10 Jahren schon hier. Aber psst, ihr dürft mich nicht verraten, sonst springt die Chefin wieder schreiend auf den Stuhl und der Boss jagt mich mit dem Besen aus der Tür. Alles schon da gewesen, aber wie ihr seht, bin ich immer noch da. Ich bin doch nicht verrückt und gebe das hier freiwillig auf. Wieso, fragt ihr? Warum ich nicht beim Bäcker die Straße runter eingezogen bin? Kommt näher, ich verrate euch ein Geheimnis über das Café, dann werdet ihr mich verstehen.
Es gibt viele Geschichten die von diesem Geheimnis zeugen und in unserer Familie schon über Generationen weitererzählt werden, doch ich möchte euch eine Geschichte aus meiner Zeit hier erzählen:
Vor zwei Jahren betrat ein älterer Herr den Laden. Er trug einen braunen, etwas aus der Mode gekommenen Anzug und musterte mit finsterem Blick den Raum, die kleinen Tische, die Gemälde an der Wand und die handbeschriebene lange Tafel. Das herzliche Willkommen von Paula, unserer hübschen Kellnerin, prallte an ihm ab wie Wasser an Wachs. Er setzte sich an den Tisch in der Ecke am Fenster, aß und trank ohne ein Lächeln oder ein Wort, und ging ohne einen Cent Trinkgeld zu geben, hinaus. Ab da kam er jeden Mittwoch, immer zur selben Zeit, immer mit demselben grummeligen Gesicht. Und Paula warf ihm jedes Mal aufs Neue, ein herzliches Willkommen an die Brust. Umso düsterer seine Miene wurde, desto heller leuchtete ihre.
Ihr müsst wissen, dies ist ein besonderes Café, ein Kulturcafé, hier gibt’s nicht nur Kaffee und Kuchen und Schnitzel und Bier, hier wird gesungen, getanzt und interviewt. Und Mittwochs gibt es hier Literatur. Ein paar Leute setzen sich zusammen und lesen einander vor. Geschichten aus Büchern oder gar aus ihrer eigenen Feder. Immer sehr unterhaltsam kann ich euch sagen. Langeweile kommt nie auf. Manchmal war mir hier oben schon ganz gruselig zumute und einmal musste ich so sehr lachen, dass ich beinah heruntergefallen bin. Und da das Café ja nicht sehr groß ist, kann jeder im Raum die Geschichten der Leserunde hören, wenn er nur will und still genug ist.
Und so war es auch damals, an jenem Mittwoch. Alle lauschten den Erzählungen, angefangen bei den jungen Damen mit ihren Gläsern Wein zwei Tische weiter, dann das ältere Pärchen direkt an der Tür, das sich ohnehin bei jedem Besuch in Schweigen hüllte, und auch der stattliche Karl hinterm Tresen, der dabei immer entspannt ein Glas polierte, oder zwei. Nur der ältere Herr in seinem braunen Anzug, störte sich an diesem Stammtisch und plauzte in die Runde: „Kann man hier nicht mal in Ruhe essen?“
Paula eilte sofort zu ihm und fragte freundlich: „Soll ich die Musik in ihrer Ecke etwas lauter drehen? Dann hören Sie die Herrschaften nicht so.“
„Ich will weder Geschwatze noch Geklimper hören, ich will meine Ruhe beim Essen! Ist das zu viel verlangt?“, stieß der Mann hervor und zerstach wütend seine Kartoffeln.
„Wissen Sie, was das Schöne an einem Café ist?“, vibrierte mit einem Mal die tiefe Stimme des sonst so stillen Karl über den Tresen. Alle schwiegen. Und während Karl redete, polierte er in aller Seelenruhe sein Glas. „Hier kommen die verschiedensten Menschen her – um zu reden, zu speisen, abzuschalten und vielleicht sogar einfach nur, um nicht allein zu sein.“ Karl schaute durch das Glas gegens Licht. „Ne bunte Mischung. Und jeder ist bei uns willkommen.“ Dann nahm er das Glas ganz ruhig runter und sah dem fassungslosen – offenbar keinerlei Widerworte gewohntem – älteren Herrn direkt in die Augen: „Leben und leben lassen, verstehen Sie?“
Mit bebender Unterlippe sah der Mann erst Karl, dann Paula und dann die anderen Gäste an. Leute, ich dachte jetzt rappelts im Karton. Keiner im Raum traute sich zu bewegen. Nicht mal ich, dabei sah mich ja niemand. Der ältere Herr schnaubte verächtlich, warf wahllos ein paar Geldscheine auf den Tisch und verschwand hinaus in die Nacht.
Warum der Mann so griesgrämig war, fragt ihr euch? Das haben wir uns hier damals auch gefragt. Aber wozu die Spekulationen, man weiß es eh nie genau. Manchmal braucht es im Leben einfach Geduld. Wir sollten es noch erfahren. Denn, er kam wieder, bereits am Mittwoch drauf, zu seiner gewohnten Uhrzeit und setzte sich an seinen üblichen Platz. Und diesmal fing er Paulas tapferes Willkommen mit einem kurzen Nicken auf. Waaas?, dachte ich und beobachtete die Szene mit offenem Mund: Von seinem Tisch aus, sah er hinüber zur Leserunde, die in dem Moment verstummt war, als er das Café betreten hatte. Er musterte sie alle, jeden Einzelnen von ihnen. Dann atmete er tief durch, zwang seine Mundwinkel zu einem kurzen Sprung nach oben und wandte umgehend seinen Blick aus dem Fenster, wo er ihn desinteressiert über die Straße wandern ließ. Karl warf sich sein Poliertuch über die linke Schulter und nickte der Leserunde motivierend zu – woraufhin sie zögerlich, wie ein anrollender Schwertransporter, ihre Lesefahrt wieder aufnahmen. Die schwere literarische Kost rollte auf der zarten Stimme einer ehemaligen Ärztin durch den Raum und verfrachtete die Gäste Stück für Stück zurück in ferne Welten und Abenteuer.
Von den anderen unbemerkt, ging Karl zu dem älteren Herrn hinüber und stellte ihm ein frisch gezapftes Bier auf den Tisch. Vom Geräusch erschrocken, holte der seinen Blick von der Straße und schaute auf. Da legte ihm Karl kaum merklich die Hand auf die Schulter und deutete mit dem Kinn aufs Bier: „Geht aufs Haus.“ Und der Mann lächelte kurz und dünn. – Und ich saß da und wusste vor Rührung kaum wohin mit mir. Männer, he? Verstehen sich auch ohne viele Worte.
Tja, wie sich herausstellte, hieß der ältere Herr, Herr Schubert und seine Kinder hatten den Kontakt zu ihm abgebrochen, weil er dauerhaft ihren Lebensstil kritisierte. Woher ich das weiß? Ich weiß alles, ich bin die Cafémaus. Naja, und außerdem hat er es Karl in diesem einen nächtlichen Gespräch verraten, als bereits alle Gäste fort waren:
„Ich mein es doch nur gut, damit sie es einmal besser haben als ich, und nicht mit 60 noch Versicherungen verkaufen müssen. Doch sie hören nicht auf mich.“
Er sprach immer leiser und ich musste meinen Stammplatz verlassen, um ihn weiter hören zu können. Vorsichtig schlich ich mich übers Regal von hinten an ihn heran. „Ich habe Leute versichert, die gar nicht versicherbar waren“, fuhr er fort. „Ich habe ihre, ich sag mal … ähm … Makel, bei der Versicherung eben nicht erwähnt und gut. So konnte ich über die Jahre sehr erfolgreich viele Menschen mit Berufsunfähigkeitsversicherungen, Lebensversicherungen und was weiß ich für Zeug versorgen.“ Er nahm einen großen Schluck von seinem Bier und starrte dann mit leerem Blick auf die platzenden Schaumbläschen in seinem Glas, während Karl ein Weinglas polierte und schwieg. Es blieb offen, ob es Herrn Schubert nur um die Provision ging, oder ob er es naiver Weise gut mit den Menschen meinte. Doch es war Herr Schuberts Geburtstag, und er hatte mehr getrunken als gewöhnlich, und so erzählte er Karl auch noch von jenem Tag, der kommen musste. Der Tag, an dem ihm eine dieser Policen um die Ohren geschossen war: „Der Versicherungsfall trat ein, der Schwindel flog auf, die Versicherung zahlte nicht und ich wurde verklagt. Und anstatt die Wahrheit zu sagen, hab ich alle Schuld von mir geschoben und meine Klientin als Lügnerin bezeichnet. Was hätte ich denn tun sollen? Mein Ruf und alles stand doch auf dem Spiel.“ Er seufzte schwer und rieb sich die Stirn. „Was soll ich sagen, ich bekam Recht und die alleinerziehende, nun berufsunfähige Mutter, kein Geld. Ich hatte gewonnen.“ Dann fügte er noch leiser hinzu (ich bin fast aus dem Regal gefallen, bei dem Versuch ihn zu verstehen): „Doch in den Jahren danach, habe ich alles verloren. Meinen Ruf, viele meiner Klienten und meine Söhne.“ Die tonnenschwere Last auf den Schultern dieses Mannes vergiftete sein Herz, sichtbar. Und Karl hörte zu, nickend, polierend und völlig wertfrei.
Wisst ihr, wenn ich eins in meiner Zeit hier im Café gelernt habe, dann, dass das Universum jedem die Rechnung für sein Handeln präsentiert. Dem einen früher, dem anderen später. So wie es auch Karl macht – viele Leute dürfen bei ihm anschreiben, doch irgendwann müssen alle ihre Schuld begleichen.
Tja, wisst ihr, ich hatte damals echt geglaubt, dass sich nach dieser Offenbarung bei Herr Schubert etwas ändern würde. Aber meeep – das hat es nicht. Herr Schubert hatte weiterhin nichts unternommen, um sein Unrecht gutzumachen, und lief weiter griesgrämig und verbittert durchs Leben. Doch etwas hatte sich verändert, es gab einen winzigen Unterschied zu vorher: Er lauschte jetzt Mittwochs den Lesungen. Kein stummes Dulden der Worte die durch den Raum spülten, wie sonst, nein, er hatte die Ohren gespitzt und seine Gesichtszüge verrieten, wie tief er in die Geschichten abgetaucht war. Mal runzelte er die Stirn, schüttelte den Kopf oder lächelte, und seine Finger umspielten dabei wie in Trance seinem runden Papp-Untersetzer. Bis eines Abends, ein Professor in der Leserunde aus einem dicken Buch vorlas, dass vom Tod eines Bergsteigers in eisigen Höhen handelte. Von einem Mann, der verbittert wurde, als er seinen Job verlor, woraufhin er seine Familie verließ, um sich neu zu erfinden. Doch alles was er gefunden hatte, war die Stille der Berge und den Tod. Und so, hatte er nie seinen Enkel kennenlernen können, der ihm so unendlich ähnlich war.
An diesem Abend stürzte Herr Schubert aus dem Café ohne zu bezahlen, auf seinem Tisch stand noch ein halbvolles Bier.
Wir sahen ihn viele Wochen lang nicht wieder. Dennoch hielt Karl ihm jeden Mittwoch seinen Tisch frei. Die Leere in der Ecke war so gespenstig, dass ich mir Mittwochs ein anderes Plätzchen suchen musste. So ein leerer Tisch zieht mich echt runter. Also war ich öfter hinten, in der Küche. Auch schön, wisst ihr. Der Chef persönlich zaubert hier. Und wisst ihr was? Ich glaube, er weiß, dass es mich gibt … warum sollte er mir sonst immer so viele Krümel auf den Boden werfen. Der Gute.
Es war ein Sonntag im Mai, ich saß an meinem üblichen Platz auf dem Vorsprung/Balken am Fenster, als die Türglocke schellte und Herr Schubert den Laden betrat, in Jeans und Poloshirt. Im Schlepptau ein kleines Mädchen mit blonden Zöpfen und ein grinsender Junge in kurzen blauen Hosen. Sie waren kaum älter als sechs.
„Opa, können wir ein Eis haben?“, fragte der Junge, und seine Schwester setzte nach: „Ich möchte lieber Käsekuchen, darf ich?“ Sie wirbelten lachend um seine Beine und er tätschelte ihnen beiden den Kopf: „Aber natürlich ihr zwei, und wisst ihr was? Ich nehm beides.“
Oh Mann, ich hätte ein Taschentuch brauchen können an diesem Nachmittag. Mir ist immer noch ganz rührig ums Herz zumute, wenn ich es euch erzähle.
Herr Schubert kommt bis zum heutigen Tag hier her, letztens hat er sogar seinen Geburtstag bei uns gefeiert, mit Käsekuchen für alle – sehr netter Mann, hihi. Ob er sich je bei der alleinerziehenden Frau, die er um ihr Geld gebracht hatte, entschuldigt hat, weiß ich nicht, aber ich verlass mich da voll aufs Universum.
Und solche Herr Schuberts haben wir hier viele gesehen. Menschen die anfingen über sich und ihr Leben nachzudenken. Ob Frau Müller, Herr Tröber, Paula, Matthias, Susanne, Herr Boll, ach die Liste könnt ich noch ne Stunde so weiterführen. Aber ich denke ihr versteht worauf ich hinaus will. Das Geheimnis das Cafes…
Es verändert die Menschen, es berührt sie ein wenig unter der Schale. Keine Ahnung warum, hier schwebte immer ein Hauch Magie durch die Luft. Die wenigsten gingen wie sie kamen, ein wenig Zauber nahm ein jeder mit. Ob das an den national und international bekannten Künstlern lag, die sich hier die Klinke in die Hand gaben oder an der bezaubernden Kunst an den Wänden? An der intimen Wohnzimmer-Atmosphäre, an den Leserunden oder der bunten Mischung der Gäste? Oder war es die Warmherzigkeit des Personals, das leckere hausgemachte Essen oder die bodenständige Lage? Ich kann es euch nicht sagen – vermutlich eine Mischung aus allem, gepaart mit der Hingabe, mit der dieses Café geführt wurde. Auch wenn ich vooooll auf den Käsekuchen setze. Yami!
Doch letzten Endes, tja, da hat das Café nicht den Reichtum erwirtschaftet den es gebraucht hätte, um ein weiteres Jahrzehnt Kultur in die Stadt zu locken, aber wisst ihr, darauf kommt es gar nicht wirklich an. Denn es hat etwas anderes, viel wertvolleres „erwirtschaftet“ … etwas das mit Geld überhaupt nicht aufzuwiegen ist … und zwar Jahre voller Momente die das Herz berührten, viele Jahre, viele Herzen. Hier durfte Mensch, Mensch sein und Maus, Maus – jeder war gut so wie er eben war. Authentizität – ein rares Gut. Ich kenn mich aus. (zwinker)
Und nun ist es soweit, das Café schließt seine Tore. Chef und Chefin wollen mehr kuscheln und mehr Zeit mit ihren Lieben verbringen. Ja, auch sie hat das Café verändert. Wie sehr, das wissen nur die Zwei.
Es stimmt mich traurig zu gehen und doch seht ihr mich lächeln. Ich hatte die schönste Zeit meines kleinen Lebens hier! Aber wie heißt es bei euch Menschen so schön? Man sollte gehen, wenn es am Schönsten ist – … außerdem ist die Straße runter in der Buchhandlung, ne süße Maus mit Leselaune eingezogen … also. Es wird Zeit, dass ich meinen Hut nehme und ein letztes Stück vom Kuchen. Eine Ära geht zu Ende, doch die Legenden leben fort – unvergessen.
Ich verbeuge mich, macht’s gut, bis bald und habt euch lieb. Es lebe die Kunst.