Stammtisch Geschichten – Immer wieder nervt das Weib


Stammtisch – Immer wieder nervt das Weib (3)

Wieder einmal war der heiligste Tag, aller Tage.
Es war wieder einmal Freitag, dass Sahnehäubchen der aktuellen Woche. Wieder einmal trafen wir uns in unserer Lieblings Kneipe und wir hatten diese Woche ein ganz delikates Gesprächsthema, welches so richtig unter die Haut ging.
Ja, da waren wir wieder alle und saßen um den runden Tisch in unserer Kneipe, zu allem bereit. Vor allem literweise den goldfarbenen Gerstensaft in unsere Birne zu schütten. Vorneweg gesagt, wir lieben dieses Getränk, was man uns auch mit unseren gut gefüllten Bäuchen an sah. Aber wir mussten ja schließlich auch eine gutes Alleinstellungsmerkmal zur Schau tragen. Dieser konnte natürlich bei Karl-Heinz, Hans-Dieter, Klaus-Dieter und bei mir, Hans-Jürgen, nicht unterschiedlicher sein. Die einen hatten ein kleines Bäuchlein, andere wieder eine regelrechte Plautze. Ja, das waren sie unsere Flüssigkeitsmessorgane. Wir standen also gut im Saft, in unserem liebsten – den Gerstensaft.
So, nun hatten wir erst einmal einen halben Liter eingeatmet und wir waren in unserem Element. Gleich rankten sich unsere Gesprächsthemen auch gleich wieder um unser Lieblingsthema – Frauen.
Karl-Heinz brachte es auch gleich auf den Punkt, mit einer ebenso steilen These:
„Frauen nerven im Bett!“. Ich ließ das erstmal sacken und fragte ihm „Wie meinste das eigentlich?“ und Karl-Heinz steigerte sich gleich um so mehr in dieses Thema hinein. Ich war darin noch nicht so richtig angekommen und dachte nur so für mich an die letzte Nacht. Das kann ja heiter werden!
Und Karl-Heinz philosicherte weiter und war sogleich in seinem Element.
„Wenn ich von der Erotik Mal ansehe, haben mir Frauen im Bett nichts als Ärger eingebracht. Mit viel Wehmut denke ich manchmal an Zeiten zurück, an denen ich entweder allein und entspannt die Nachtruhe genoss, oder nur vorübergehend mit einer Frau das Bett aufsuchte. „Das war noch wirklich schön“, sinnierte Hans-Dieter. Unbeirrt dotierte Karl-Heinz weiter, „Die Probleme fingen erst so Mitte Dreißig an, als man das Nachtlager wie Mann und Frau teilte, sprich vom Einschlafen bis zum Aufstehen. Und da muss ich eine ganz bittere Bilanz ziehen. Nächte des Grauens ist noch stark untertrieben. Am Tage durchaus abgeklärte Frauen mutieren angesichts von Federkern und Daunen, ausnahmslos zu verwöhnten , lebensuntüchtigen und egoistischen Zicken.
„Da kann ich euch auch einiges berichten“ brachte sich Klaus-Dieter in das Gespräch ein. „Diedder, Bring uns Mal schnell noch vier Halbe, denn die Luft ist hier sehr dünne“ Klaus-Dieter redete unaufhörlich weiter, “ Beginnen wir mit dem leidigen Thema Mücken“. „Vorneweg muss ich sagen das ich im Sommer grundsätzlich gern neben einer Frau liege, weil ich dann von den Stechmücken verschont bleibe. Die stürzen sich dann immer auf eine meiner Bett Nachbarinnen.
Das ist bitter, tut mir persönlich auch wirklich leid, ist aber noch lange kein Grund mich grob wach zu jammern mit „Ich bin völlig zerstochen!“
Mit einer Stimme im Grenzbereich zwischen Hysterie und Nervenzusammenbruch moduliert. Der Auftrag an mich, den männlichen Sicherheitsbeamten ist klar: Steh auf und geh Mücken jagen“ .“ Ich weiss nicht, warum Frauen selbst keine Mücken jagen, warum sie im Bett liegend, den Späher machen, auf schwarze Punkte an der Decke deuten und DA! Rufen. Ich weiß vor allem nicht, warum ich gähnend mit zersaustem Haar und einer zusammen gerollten Zeitung auf der Matratze stehe und auf Zuruf Mücken tot schlage.
Ich rief “ Diedder lass Mal wieder die Luft aus den Gläsern, der Flüssigkeit Bedarf ist heute wieder richtig enorm.“
Karl-Heinz, der ganz kurz ein wenig eingenickt war, schreckte plötzlich auf: „Wie schlafe ich normalerweise?“ Alle riefen: „Ganz schlecht“ und ließen die Biergläser heftig klirren. „Prost, ihr Bauchuntenschläfer“. Ich rief noch „Prost, haut weg den Scheiß“, um danach auch gleich aufzustehen in schnellen, stümischen Schritten an Diedder vorbei um auf der Toilette wieder unsere Körper zu entleeren. Den einen oder anderen Ton einer Kleinen Nachtmusik hallte noch durch den Raum, aber richtete keine nennenswerten Schäden an.
„Also wie schlafe ich normalerweise? Am liebsten in der Löffelstellung 🥄.
Ich liebe diese Schlafposition, weil sie mich in dem Grundvertrauen in die Richtigkeit meines Daseins bestärkt. Nun gibt es aber zahlreiche Frauen, die sich anfangs sehr anschmiegsam geben und leidenschaftlich „Löffeln“, sich dann aber wenn es um die endliche Schlafposition geht, als sehr hartleibig erweisen. Sie stoßen sich mit der einen Hand von mir los, ergreifen mit der anderen Hand die vermeintlich eigene Bettdecke und verdeitigen dies Refugium mit erbitterter Gegenwehr. Ich muss derweilen geduldig warten, bis die „Meine Decke gehört mir“ Audistin endlich in den Schlaf gesunken ist und ich beginnen kann, vorsichtig robbend verlorenes Terrain zurück zu gewinnen.“
„Wenn ich dann, nunmehr halbherzig löffelnd, in tiefen Schlaf gesunken bin, kommt häufig schnell die nächste Gemeinheit. Ein brutaler Stoß, meist mit dem Ellbogen ausgeführt, trifft mich in die Seite.
Ich schrecke hoch und höre eine schneidenden Stimme „Du schnarchst“
So etwas würde ich nie tun. Ich finde es bezaubernd wenn sie im Schlaf redet oder ein bisschen vor sich hin blubbert. Nie würde ich sie mit dem Ellenbogen stoßen. Aber Frauen ist es ja egal, ob man dem nächsten Morgen eine wichtigen Termin hat. Nach dieser Tat versinken sie umgehend wieder in den Tiefschlaf und ich liege mit tellergroßen Augen in der Dunkelheit und finde nicht wieder in den Schlaf.
Auch Klaus-Dieter bringt sich wieder ins Gespräch, nachdem er sich mit seinem eigenen Bier so richtig voll gesäubert hatte, sabberte er weiter. „Grauenhaft ist eine andere Variante der körperlichen Attacke. Da liegt man wohlig unter seiner Decke und ist am Weg nicken und da kommen sie: KALT, EISKALT. GEFRORENE FRAUENFÜSSE, schieben sich langsam und unaufhaltsam zwischen die männlichen Schenkel. Dort sollen sie gewärmt werden. Der Mann zuckt zurück, windet sich, versucht die unausweichliche Flucht, aber die weichen Eisgletscher unter der Bettdecke sind stärker!
„ALLE FRAUEN HABEN KALTE FÜSSE! ALLE!!
Und sie kennen kein Erbarmen. Stumm aber fordernd kommen sie in der Nacht gebrochen und saugen Körperwärme im Gigawatt-Bereich ab.
Schrecklich!
Manchmal geben sie auch dann keine Ruhe, wenn man ihre < Permafrost Füsse>
enteist, das Schnarchen eingestellt hat und dem Löffeln entsagt hat, dann haben sie etwas gehört: Räumen sie,
oder <hörst du die komischen Geräuche>.
Die Botschaft ist erneut glasklar: Mann packe dir einen hölzernen Kleiderbügel oder eine sonstige behelfsmäßige Waffe, wage dich in die dunkle Wohnung und vertreibt den Einbrecher, wenn du einen findest. Klar das jeder Man dem tief verwurzelten Instinkt zum Schutz seiner Sippe folgt und in Socken und Unterhosen wie ein Depp im Dunkeln en um her stolpert und dann frierend und unverrichteter Dinge zur natürlich tief schlafenden Frau zurück zu kehren.
Wer meint, mit dem Morgengrauen sei der Ärger aus gestanden, das Grauen nimmt weiter seinen Lauf. Wie in einem Horrorfilm, der scheinbar seinen gruseligen Höhepunkt erreicht hat und dann noch einmal unbarmherzig zu schlägt. Ich meine jetzt die unterschiedlichen Schlaf- und Wachzeiten.“
Erst einmal, Diedder bring noch vier von deinen Hopfenkaltschalen und vier Kurze die richtig lang sind.
Hans-Dieter, meldete sich gleich ganz aufgeregt zu Wort. “ Das kenne ich richtig gut, das mit den unterschiedlichen Schlaf- -und Wach Zeiten. Wer meint am Morgen sei der ganze Ärger ausgestanden, täuscht sich gewaltig. Hört zu. Ich arbeite meisten bis in die frühen Morgenstunden.“
„Ha, ha“, grölte ich gleich. “ Du hängst wie heute die ganze Nacht in der Kneipe. Das hat doch mit Arbeit überhaupt nichts zu tun!
Aber Hans-Dieter ließ sich gar nicht weiter aus seiner Rede bringen. „Ich stehe dann folgerichtig nicht gerade mit den Hühnern auf. Kein Problem für den Alleinschläfer. Was soll ich aber mit einer Frau machen, welche morgens um Sieben Kerzengerade nach federnd im Bett sitzt, Langeweile hat, sich laut und vernehmlich reckt, gähnt und räuspert, aufdringlich Körperkontakt sucht und am Ende gar Sex fordert…“
Wie aus einem Guß kam sofort ein „oh nein, das fehlte uns gerade noch, die Weiber sind wirklich nicht ausgelastet. Sie hätten doch genügend mit ihrem Haushalt und ihrem Job zu tun. Aber das müssen wir ihnen noch richtig beibringen. So kann doch das echte Leben nicht weiter gehen. Wir brauchen unsere Kneipen Freiheit. Jawohl, das sind die richtigen Worte zur Tageszeit!
Prost, Männer.“
Auch ich musste nun dazu auch noch meinen Senf dazu geben.
„Nachdem wir blutsaugende Insekten zur Strecke gebracht haben, zum Dank dafür Ellenbogen Checks kassiert haben und unter die eigene Bettdecke verbannt wurden, gemeinsam Permafrost Füsse spüren mussten, reichte es mir.
Und zwar richtig! Eines Morgens früh würde ich durch die Frage geweckt Kurz danach fiel die Wohnungstür lautstark ins Schloss und ich mußte mir den Kaffee selbst machen.“
„Gibt es da keine Hoffnung?“
„Doch, die gibt es. Ich habe da jemanden kennen gelernt. Und die ist ganz anders.
Sie ist anschmiegsam und kuschelt exzessiv. Ich darf in ihrer Gegenwart ausgiebig schnarchen. Wenn sie Geräusche hört schaut sie selbst nach dem Rechten. Mücken bringt sie mit geschickten Schlägen selbst zur Strecke und sie hat niemals nie kalte Füße.
Nun gut sie ist manchmal ein bisschen verspielt.
Aber welche Katze ist das nicht?“

© Jürgen Rüstau 2025

Zwischentöne

 

Es war an der Zeit, der öde November, überließ uns einige Tage eine prächtige Winterlandschaft.
Die Dreckecken der Stadt waren zugedeckt und die weiße Pracht überflutete Gehwege, Straßen und Anlagen.
Der Straßenverkehr brach wie gewöhnlich an solchen Tagen zusammen und die Autos krachten, auf den glatten Straßen ineinander. Deren Besitzer überhäuften sich, neben ihren Fahrzeugen stehend, mit einigen in solchen Situationen üblichen Nettigkeiten.

Ich umkurvte mit meinem Auto einen solchen Erfahrungsaustausch an Schimpfwörtern, ohne deren Inhalt richtig zu verstehen. Meine ganze Konzentration galt den winterlichen Straßenverhältnissen, um nicht in eine ähnliche Lage, wie die Herren von eben, zu kommen.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah ich eine sehr attraktive Frau.
Sie drehte sich gerade um und ich erkannte ihr Gesicht.
Es war Anka.
Sofort lenkte ich mein Auto hastig an den Straßenrand. Um ein Haar wäre ich einem parkenden Auto ins Heck gerutscht. Oh, geraden noch einmal gut gegangen, dachte ich und stieg aus um mit Winken und Rufen Anka auf mich aufmerksam zu machen. Ich hatte sie seit einigen Tagen nicht mehr gesehen, da ich beruflich sehr viel Stress hatte.
Auch Anka hatte mich sofort gesehen und kam über die Straße geeilt.
Ihre niedliche Stupsnase war von der Kälte, an die wir uns ja erst noch gewöhnen mussten, richtig schön rot. Wir begrüßten uns als kannten wir uns schon viele Jahre und hatten uns einige Monate nicht mehr gesehen.
Sie war einfach schön, auch wenn ich jetzt sehr wenig von ihr sehen konnte, wie ich sie von unserem letzten Zusammensein in Erinnerung hatte.
Die großen Augen lugten unter der dicken Mütze frech hervor und ihre Lippen, welche trotz der Kälte heiß waren drückten mir einen Kuss auf die Wange.
Und da war er wieder, dieser ungewöhnlich heftige Drang, mit ihr zusammen zu sein.
In diesem Moment kam mir die Frage von Anka ganz recht, ob wir nicht beide irgendwo einen Kaffee trinken könnten? Sie fügte hinzu, ich müsste ihr nur sagen wo, da sie sich in der Stadt noch nicht so gut auskennen würde.
Das wie war schnell geklärt, wir hatten uns ja mitten in der City getroffen, konnten also unsere Autos getrost dort stehen lassen, nachdem wir die Parkuhren gefüttert hatten und wo wir hin gehen wollten war auch kein Problem.
Diese Stadt hatte eine Unmenge kleiner Cafés, wo man sich richtig wohl fühlen konnte.
Frau auch!
In einer Passage kannte ich ein kleines Kaffee, in welchem ich nachts, wenn ich in der Stadt unterwegs war, einen Absacker zu mir nahm. Aber es war am Nachmittag und uns Beiden dürstete nach Kaffee.
Wir also rein in die „Kümmelapotheke“.
Anka gefiel sofort die gemütliche Atmosphäre, welche in diesem Kaffee herrschte.
In der Ecke am Klavier saß ein älterer Herr und spielte „Memories“.
Das waren Zwischentöne, musikalische Ohrwürmer, die uns doch sofort wieder in Erinnerungen an unser erstes Treffen schwelgen ließen.
Diese Erinnerung war bei dieser Musik sofort wieder in uns, obwohl die schönen Ereignisse nun schon einige Tage zurücklagen.
Ich sah Anka inmitten des Zuckers stehen, sah wie sie die Pizza servierte, wie sie die Musik von Rosenstolz auflegte und wir beide träumten bei dieser Melodie vor uns hin.
Mein schönster Traum ging noch ein Stück weiter…

Du bist das Traumbild in meinem Herzen
Manchmal noch etwas verschwommen
Kaum noch auszumerzen
Amurs Pfeil ist in mir angekommen
Ich sehe dich im femininen langen Kleid
Verneige mich vor deiner natürlichen Schönheit
Du als Girli im superkurzem Röckchen
Feuer sprüht aus deinen großen Augen
Will mich vernichten
Du hast wieder mal dein Böckchen
Ich liebe es wie du gehst,
wie du mit mir sprichst
Selbst wenn du mich ablehnst, mich verfluchst
Du hast eine besondere Wirkung auf mich
Deine kleinen Fehler sehe ich nicht
Auch wenn ich sie sehen würde
Sie sind bei Traumbildern
und auch im Leben keine Hürde
Ich sehe mein Traumbild in dir
Blicke sind der Welt schnellster
und sicherster Kurier.

Katharina, die Kellnerin riss uns aus unseren schönsten Träumen.
He, ist bei euch alles klar, sagte sie und lachte uns an.
Was möchtet ihr trinken?
Ich bestellte zwei Kaffee, welche auch umgehend duftend vor unserer Nase ihr Aroma ausstrahlten.
Auf jedem Unterteller lag ein eingepackter Keks.
Meinen legte ich ohne Worte auf Ankas Teller.
Sie errötete und fragte, woher weißt du, dass ich für mein Leben gern Kekse esse? Das sehe ich dir an der Nasenspitze an. Unwillkürlich fasste Anka sich an die Spitze ihrer niedlichen Nase und fragte, ja wie jetzt?
Ich musste unwillkürlich lachen und unser Gespräch war so richtig schön in Fahrt gekommen.
Die Zwischentöne, die Musik war in den Hintergrund getreten oder wir wollten sie gar nicht mehr wahr nehmen, denn Anka und Peter waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, von äußeren Einflüssen völlig abgeschottet.
Anka erzählte mir, dass sie nach ihrem Studium bei einer großen Versicherung beworben hatte und den Job hier in Leipzig bekam.
Sie hatte diesen gleich nach ihrer Ankunft angetreten und verwendete viel Zeit dafür sich in ihre neuen Aufgaben einzugewöhnen.
Deshalb sagte sie, ihren Kopf zu mir gedreht, haben wir uns in den letzten Wochen so wenig sehen können.
Dazu kommt noch dieses Wetter, dieser Wintereinbruch, der uns viel, viel Arbeit beschert.
Wir redeten und redeten über Gott und die Welt .
Als wir aus der Passage heraustraten war es inzwischen dunkel geworden, der Fußweg war sehr glatt.
Anka hakte sich bei mir unter und wir liefen in ausgelassener Fröhlichkeit zu unseren Autos zurück.
Dort erwartete uns eine Überraschung.
Anka hatte in ihrer Eile vergessen das Licht am Auto auszuschalten. Von weitem sahen wir schon das Glimmen der Scheinwerfer, welche nicht mal mehr dazu in der Lage waren, die Schatten der vorbei gehenden Leute auf die Straße zu projektieren.

Ich hatte in meinem Auto ein Starterkabel im Kofferraum liegen, fuhr mein Auto genau vor das Auto von Anka.
So standen sich nun beide Autos gegenüber, so nah wie wir uns noch nie gegenüber gestanden hatten.
Aber Autos machte das nicht sonderlich heiß.
Ankas Motor heulte nur unlustig auf, kam nicht auf Touren.
Der braucht einen Stromstoß, sagte ich und verband die beiden Autos mit einem Kabel.
Meine Energie, dass heißt eigentlich die von meinem Auto brachte schließlich den Corsa zum laufen.
Danke rief noch Anka aus dem Fenster, danke bis bald.
Schon war das Auto in den Brühl abgebogen und außerhalb meiner Sichtweite.
Jetzt musste ich mich auch beeilen, denn ich hatte noch einen wichtigen Termin.

© Jürgen Rüstau

Anka und die ausdauernde Weinbergschnecke


Es war Sommer. Was sollte man und auch Frau an solchen wunderschönen Tagen zu Hause rum sitzen und langweilig die Zeit vertreiben. Am besten ist es, den wochenendlichen Nichtstun entfliehen und einfach eine Ausfahrt machen. Wir Beide haben dies schon sehr oft gemacht und sehr viel Spaß dabei gehabt. Den wollten wir auch dieses Mal wieder haben. Also frühstückten wir bei Anka in der Wohnung und machten uns dann auch gleich auf den Weg. Ich hatte zu Hause bei mir schon einen Picknickkorb mit allerlei Köstlichkeiten, Kaffee und zwei kleinen Sekt Piccolo gepackt, was für Anka eine Überraschung werden sollte.
Gesagt, getan und los ging es. Anka nervte, wo es denn wohl hin ging. Mir blieb nichts weiter übrig als ganz spontan zu sagen, dass wir in ein Himmelreich fahren und dorthin wo die langsamsten Tiere leben. Es wurde dadurch allerdings nicht besser, denn sie spekulierte nun gerade voll darauf los. Es war von Kirche bis Zoo alles dabei.
Ich sagte, „lass dich mal überraschen“. Nach und nach wurde die Ebene von einer hügeligen Landschaft abgelöst. Anka war von dieser Landschaft sehr begeistert und fragte mir ein Loch in den Bauch. Wohin fahren wir denn nun, wurde sie immer ungeduldiger. Erst einmal fahren wir nach Bad Kösen. Das ist ein schöner kleiner Ort an der Saale. Kennst du das Lied „An der Saale hellen Strande?“ Also fahren wir ans Meer, mutmaßte Anka. Nein, nicht ans Meer. Die Saale ist ein Fluss und weiter geht es in dem Lied „stehen Burgen stolz und schön“. Zwei davon stehen in der Nähe von Bad Kösen. Oh, da werde ich ein Burgfräulein, schnatterte Anka darauf los und kam immer mehr in Fahrt. Die Stimmung wurde , durch unser herumalbern immer ausgelassener. Was ist denn in Bad Kösen noch so los, außer alte und kaputte Burgen. Die beiden Burgen, Rudelsburg und Saaleck schauen wir uns dann noch an. Aber Bad Kösen war bis 1945 ein bedeutender Herstellungsort von Puppen, der berühmten Käte Kruse Puppen. Von hier aus traten sie die Reise zu Kindern in der ganzen Welt an. Nach dem Weltkrieg wurde dann die Produktion in den Westen verlegt und in Bad Kösen, der alten Kurstadt, wurde unter DDR Bedingungen noch anderes Spielzeug hergestellt. Aber auch viele Menschen haben sich hier erholt. Hier ist noch immer ein altes Gradierwerk in Betrieb, indem sich Menschen mit Atemwegserkrankungen erholten.
Das Gradierwerk in Bad Kösen ist ein Bauwerk aus dem 18. Jahrhunderts und diente der Salzgewinnung durch Gradierung der Sole. Zu den Kuren konnten Kranke im Gradierwerk,zur Verbesserung der Atemwegserkrankungen durch diese Gradierwerke laufen. Können wir da auch durchlaufen, fragte Anka sogleich? Da ich eigentlich keine Lust hatte dort durchzulaufen sagte ich zu ihr, sind wir denn krank? Eigentlich nicht kam es von Anka, also ging es weiter durch diesen beschaulichen Ort. Wir passierten einen Bahnübergang und kurz danach bog ich nach links ab. Jetzt ging die Straße steil nach oben. Wo fahren wir denn jetzt hin?, fragte Anka interessiert.
Die Straße führt direkt ins Himmelreich, sagte ich und das war nicht einmal gelogen. Am Ende dieser Straße erreichten wir das idyllisch gelegene Gasthaus „Himmelreich“, welches hoch über der Saale, an der Bergkante drohnt. Mit seinen wunderschönen Terrassen hat man Ausblick auf die Saale, welche sich hier durch das Tal windet. Auf der anderen Seite erheben sich stolz die Burgen Saaleck und Rudelsburg. Unter uns in der Saale planschten Kinder im Fluss und genossen den Sommer. Hier kann man es gut aushalten.
Ein kleines Stück hinter dem Gasthaus wollten wir unser Picknick machen und packten im Grünen unseren Tisch, zwei Campingstühle und den Picknickkorb aus. Anka’s große Augen wurden noch größer und leuchteten. Die Überraschung war mir gelungen. Es gab aber leider noch eine größere Überraschung. Es stank plötzlich. Ich schaute Anka an. Warst du das? Nein, nein, sagte sie und wurde puterrot. Der Gestank war nicht mehr auszuhalten. Plötzlich kam hinter der Hecke ein Traktor mit einem Jauchenhänger gefahren. Dieser sprühte lustig seine Jauche über die neben uns liegenden Äcker aus. Dies war nun wahrlich nicht heimelig und für uns überhaupt nicht lustig.
Sehr übereilt packten wir Tisch, Stühle und Korb wieder ins Auto und verschwanden von dem stinkenden, einst so wunderschönen Ort.
Nachdem wir die Rudelsburg besichtigt hatten entdeckte Anka auf der jetzt anderen Seite das Himmelsreich und rief, schau einmal, da drüben sind die Stinkerwiesen. Jetzt konnten wir Beide nur noch laut lachen. Es ist nun einmal so wie es ist.
Das Unstruttal und die Weinberge rufen. Ich rief Anka und es ging los Richtung Freiburg mit seinen Weingütern und Sektkellereien. Wie ich es erwartet hatte, Anka war noch nie in dieser Gegend.
Auf dem Marktplatz von Freiburg löffelten wir erst einmal einen leckeren Eisbecher. Was ist nun mit den Tieren, welche du mir zeigen wolltest?, fragte Anka und war sogleich auch sprichwörtlich aus dem Häuschen. Apropos Häuschen, diese Tiere leben in den Weinbergen und haben ihr eigenes Häuschen immer bei sich. Mit etwas Glück kann man die Weinbergschnecken beim stundenlangen Liebesspiel beobachten. Mit ihrer Ausdauer haben sie uns Menschen einiges voraus.
Ich bin eine Weinbergschnecke, ich bin eine Weinbergschnecke, jubelte Anka laut und hüpfte von einem Bein aufs andere und war nicht mehr zu bremsen. Ja Anka, das wärst Du wohl gern, dachte ich grinsend.
Ich fuhr an einen Weinberg ran und rief Anka zu, los wir laufen da jetzt hoch. Dort haben wir bestimmt eine gute Sicht auf das Unstruttal. So hoch, jammerte Anka. Du wirst in deinem Leben bestimmt noch höhere Berge erklimmen, dachte ich und trieb sie förmlich an.

Ganz oben war erst einmal Pinkelpause angesagt, denn nur der Weingott Bacchus könnte uns hier beobachten.
Aber das war uns schließlich egal. Götter dürfen das.
Anka, die Weinbergschnecke war gänzlich aus ihrem Häuschen und strahlte über alle Buchstaben. Ein Sonntag, eigentlich nur für uns gemacht. Dieser Sonntag werden wir nicht so schnell vergessen. Einen wunderschönen Sonntag mit Anka.

© Jürgen Rüstau

Anka und im Osten unmöglich – eine überaus unfreundliche Geschichte

 

Es sind seitdem mehr als dreißig Jahre vergangen und jeder hat mit dem Westen so seine Erfahrungen gemacht. Ich saß mit Anka im warmen Wohnzimmer auf der Couch und wir kamen auf die längst vergessene Zeit zu sprechen.
Was war denn damals alles so anders, außer natürlich die politische Lage. Über diese sprachen wir nicht, denn dies weiß doch jeder. Also, sagte ich, es gibt drei Situationen, welche im Osten überhaupt nicht gingen und die mir jetzt einfielen.
Anka, fragte, und welche wären das? Sie hatte sich auf der Couch aufgerappelt und tat jetzt interessiert. Ich stellte mich jetzt auf eine lange Diskussion ein, aber Anka wartete auf meine Erklärungen, was mich natürlich wunderte.
Hatte ich mich nun zu weit auf dem Fenster gelehnt?
In meinem Kopf ratterte es gewaltig und ich versuchte eine Verbindung zwischen Gehirn und aberwitzigen Mundwerk herzustellen. Wie war das nun damals im Osten? Wo waren denn unsere Grenzen? Als ich darüber nachdachte viel es mir wie Schuppen von den Augen. Bei Grenzen hatte ich auch sofort Bilder. Ich fing umständlich an zu erzählen. Kannst Du Dich noch erinnern, als wir einen Ausflug machten. Wir führen ins Vogtland und wanderten von Klingenthal auf den Aschberg. Ach, sagte Anka, dort wo die große Schanze ist. Nein, sagte ich, diese ist auf dem Scheibenberg.
Wir wanderten auf dem Aschberg hoch, entlang der Grenze zu Tschechien. Du hättest an der Grenze gewaltige Angst und warst ganz verstört.
Es war dir richtig unbehaglich. Dort wäre aber nichts passiert. In anderen Himmelsrichtungen hatte uns der Staat Grenzen gesetzt und die zu überwinden hätte tödlich sein können. Also, sagte Anka, hätten wir schon eine Sache, welche im Osten nicht ging. Spätestens jetzt hatte ich ihr Interesse geweckt. Was ging denn noch nicht?
Es war etwas, dass wir verbotener Weise immer im Westfernsehen gesehen haben und was wir bei uns damals gar nicht kannten. Um vom Alltag runter zu kommen, was haben wir damals gemacht? Anka überlegte. Wir haben uns gewaltig zu gelötet. Und wenn es uns da noch nicht gereicht hat?
Anka schaute mich an und verdrehte die schönen großen Augen. Was dann? Im Westen bist du dann zum Dealer deiner Wahl gegangen und hast ein paar Gramm weißes Pulver gekauft, hast es durch die Nase gezogen und warst dann vermeintlich glücklich. Das ist doch eklig, so was durch die Nase, hätten wir nie gemacht. Wie kommst du auf so etwas. Wir waren doch glücklich hin und wieder mit unserem Alk. So etwas bräuchten wir nicht.
Siehst du und deshalb gab es das im Osten nicht. Heute, wenn dir danach ist, gehst du nur auf den Hauptbahnhof, guckst ein wenig dumm und schon sprechen dich mindestens zehn Leute in verschiedenen Sprachen an und fragen dich „brauchst du was? Braucht fast keiner, auch brauchst du diese Leute nicht.
Was gab es im Osten noch nicht, fragte nun Anka.
Etwas ganz Belangloses. Erinnerst du dich noch als ich dich das erste Mal auf der Straße gesehen hatte und ich dir dann hinterher lief. Ich bin dir die ganze Zeit hinterher gelaufen. Ich war amüsiert, sagte Anka und lächelte das süsseste Lächeln der Welt.
Ja, und da lag plötzlich diese Bananenschale mitten auf dem Fußweg und ich rutschte darauf aus und tat mir gewaltig weh.
Siehst du, und deshalb gab es das damals im Osten nicht. Keine Südfruchtschalen und deshalb konnte man auch im Osten nicht darauf ausrutschen und sich verletzen.
So schlecht war der Osten dann eben doch nicht.

Jürgen Rüstau 2023

Stammtischzeit und Frauen wollen immer das Eine…

Stammtischzeit

Ja, die Zeit war wie im Fluge vergangen. Wir hatten die gesamte Woche gedürstet,die Erfahrungen, welche wir in den vergangenen Tagen mit den lieben Frauen gesammelt hatten,so richtig schön am Stammtisch breit zu tratschen.
Aber, dass ist ja am Ende ein wenig falsch ausgedrückt. Frauen tratschen, Männer würden das niemals tun. Sie würden höchstens ein ganz klein wenig über die in diesem Zusammenhang
bestehende Probleme diskutieren und nach gemeinsamen Lösungsmöglichkeiten suchen.

Es ist Freitag Abend
Stammtischzeit.
Der Karl-Heinz,
der Hans-Dieter,
der Klaus-Dieter
und ich
sind für tiefgründige Diskussionen bereit.
Wir reden über Frauen,
Männer, die sich nach Liebe sehnen,
sich doch so gern an eine breite Frauenschulter lehnen.
Testen das eine oder andere Bier.
Wo können wir Mensch sein?
Unter uns Männern allein?
In unserer Lieblingskneipe hier!
Stammtischzeit.
Stunden später ausgelaugt und breit.

Wir waren doch wirklich vier gut aussehende Wonneproppen, stellte ich wiederum in einem durch die Runde kreisenden Blick fest.
Karl-Heinz hatte einen langen ausgeleierten Rollkragenpullover mit
Karomustern an. Den trug er meiner Ansicht nach schon bei unseren frühen Diskussionsrunden im Studentenclub vor mehr als dreißig Jahren.Qualität hat halt Bestand.
So ist das mit Pullovern, wie auch mit Frauen.
Sie brauchen nach einigen Jahren mal wieder eine Auffrischung, obwohl sie längst ausgewechselt werden müssten.
Dieder brachte uns die erste Runde Bier und erzählte auch gleich warum er den ungewöhnlichen Namen inne hatte.
Seine Mutter wusste kurz vor der Geburt noch nicht, ob es ein Die
oder ein Der werden würde und so nannte sie ihn kurz entschlossen Dieder und so blieb es dann auch bei diesen Namen.
Ich muss ehrlich sagen, ich weiß es heute auch noch nicht und schaute ihn kritisch über den Brillenrand an.
Er lachte verlegen und sagte, das diese Runde aufs Haus geht.
Na dann runter mit dem Scheiß, brüllten wir übermütig und jagten den kurzen gelben Strom in uns hinein.
Karl-Heinz ließ von allen hörbar einen kräftigen Rülpser los und nörgelte auch gleich wieder. „Seit den Tagen, wo ich sagte ich bleibe zu Hause, da Brigitte nun einmal einen gut bezahlten Job hatte, seit dem hat sich in meinem Leben so viel verändert. Frauen sind ja so unordentlich, lassen überall und alles irgendwo herum liegen und der Blöde muss es dann wieder wegräumen. Erst gestern habe ich fünf Strumpfhosen in der Wohnung verteilt gefunden und in die Wäsche gelegt“.
„Da haste bestimmt ooch meene gefunden“, warf Hans-Dieter ein und alle schauten ihn erstaunt an.
Keiner wollte aber eine nähere Erklärung von ihm haben, denn wir wussten ja, Hans-Dieter war manchmal ein wenig seltsam.
So beließen wir es bei dem Einwurf und wanden uns lieber wieder der Schlampigkeit der Frauen zu. Ich hatte auch festgestellt, wenn ein derartiges Geschöpf mal meine Wohnung aufsuchte oder gar darin nächtigte, hatte ich meine Probleme sofort auf dem Tisch.
Wenn sie mal die Pipibox benutzten, klappten sie den Klodeckel nicht runter, sie machten keine Zahnpastatube wieder zu und überall standen dann auf einmal leere Bierflaschen rum.
Bei mir standen nicht einmal irgendwo volle Rum.
Sie hatten gar keine Chance dazu.
Alle pflichteten mir bei, denn so etwas ähnliches hatten sie auch schon erlebt. Frauen, sagten wir dann Kopf nickend, Frauen, kennst du eine, kennst du alle.
Klaus-Dieter, der perfekte Hausmann, sagte, wenn er zu seiner Heidemarie kommt, dann muss er erst einmal Fenster putzen, Staub saugen und Staub wischen. Hör doch auf, sagte ich. Wenn du nur einmal nicht nur zur Heidemarie kommen würdest, sondern einmal mit ihr, dann würde sie bestimmt diese Aufgaben gern auch allein übernehmen.
„Das stimmt gar nicht“, rief Klaus-Dieter völlig aufgelöst, „ich mache
das doch gerne für Heidemarie, da bleibt dann immer keine Zeit mehr für das andere!“
Wie er das schon sagte, für das Andere. Als wenn Sex das Andere wäre.
„Sex ist halt Sex und Putzen ist Putzen und Punkt, sagte ich darauf hin und fügte hinzu, „poppe mal mit ihr und ihr ist völlig egal wie die Wohnung aussieht“ .
So sind sie nun mal, die lieben Frauen, sie müssen nur in Bewegung gehalten werden.
Da kommen sie nicht auf dumme Gedanken.
Klaus – Dieter gab sich aber noch nicht geschlagen. Außerdem, unternehmen wir ja sehr viel gemeinsam.
Wir fahren oft zusammen einkaufen oder ich laufe mit Heidemarie zur Tankstelle, um unsere Bier Vorräte wieder aufzufüllen. Sie lächelt dann immer sehr glücklich, ihr Blutkreislauf kommt so richtig in Wallung und sie ist zufrieden.
Also, mein Blutkreislauf kommt, wenn ich mit meiner Herzensdame einkaufen gehe auch so richtig in Wallung, vor allem, wenn ich bezahlen muß.
Und außerdem, Heidemarie sollte nicht nur zufrieden sein, vielleicht auch einmal befriedigt werden.
Das hatte aber jetzt so was von gesessen.
Klaus – Dieter war platt und sagte keinen Ton mehr.
Jedenfalls die nächste Viertelstunde.
Ich nahm den Gesprächsfaden wieder als erster auf.
Einkaufen und das mit Frauen.
Eine Tourtour ohne Gleichen, ein Erlebnis der besonderen Art.
Vorgemerkt, wir Männer gehen ja einkaufen, wenn wir etwas dringend benötigen, aber für Frauen ist ja der Einkauf eine Art Ersatzorgasmus. Sie zwängen sich mit brachialer Gewalt in die Konfektionsgröße Achtunddreißig, obwohl sie wissen, daß die Vierzig noch geschmeichelt wäre. Alle Belehrungsversuche durch das Verkaufspersonal sind zwecklos, denn ihrer Meinung nach hat gestern in einem anderen Geschäft noch die Sechsunddreißig gepaßt. Es muß also an diesem Geschäft liegen.
Ich sehe mich bei dem Wort Einkaufen schon schwitzend durch die Gänge von Konfektionsläden rennen und ein Kleidungsstück nach dem anderen zur in der Kabine stehenden Frau schleppen. Von ihr sieht man eh nur den Kopf aus dem Vorhang herausragen und das Mienenspiel zeigt mir, ob ich richtig oder falsch mit meiner Auswahl liege und ich weiß, daß ich oder die arme Verkäuferin das alles wieder zurück bringen muß. Eine Horrorvorstellung undmbei mir, wie auch bei den anderen drei Herren kullerten die Schweißtropfen
die verlängerte Stirn herunter.
Sie litten mit mir.
In ihren Köpfen spielten sich wahrscheinlich ähnliche Horrorszenarien ab wie bei mir.
Aber ich bin ja schon wesentlich cooler geworden. Erst letztens war ich mit so einer Zauberfrau zum Schuheinkauf.
Das ist natürlich dann die absolute Steigerung in den Einkaufsformen der Neuzeit. Stunden in schlecht gelüfteten, nach Fußschweiß riechenden Geschäften zubringen. Eine Strafe, noch vor Freiheitsentzug, denn den hat der gebundene Mann ja schon.
Ich habe da eine ganz neue Methode gefunden, wie sich dies ertragen läßt.
Erst einmal stießen wir zum zigsten male an und dabei fühlten wir uns ganz wohl und nicht einmal von den Frauen allein gelassen.
Zurück zum Schuhkauf. Sofort nach Eintreffen in diesem Konsumtempel setzte ich mich auf einem Stuhl inmitten des Verkaufsraumes, lehnte mich zurück und entspannte mich sichtbar. Frau nahm Besitz von den Lederschätzen im Geschäft. Sie kam dann hin und wieder aus einem der zahlreichen Gänge
angerannt.
Das spannende daran war, die Möglichkeit, wie sie sich mir näherte und wie sie meine Aufmerksamkeit zu erregen versuchte.
Einmal auf Socken, dann wieder mit einem alten Schuh an den einem Bein, einen neuen an dem anderen. Zwei neue Schuhe an und noche einen in der Hand.
Meine Aufgabe bestand nur darin, kritisch zu gucken und zu nicken oder den Kopf zu schütteln und das ging bei aller Entspannung noch sehr gut.
Am Ende hat sie dann sowieso Schuhe gekauft, die sie gar nicht benötigt und schon Dutzende Paar zu Hause rumstanden.
Aufregen werde ich mich dabei aber nicht mehr, denn das würde Mann ja ohnehin nicht ändern, denn Schuhkauf liegt in dieser Form in den weiblichen Genen.
Alle nickten nach meinen dieses mal etwas längeren Ausführungen und fingen an darüber nachzudenken.
Hans – Dieter hatte dabei seine Stirn, um richtig tiefgründig nachzudenken, auf das Bierglas gelegt und die Augen geschlossen.
Karl – Heinz hatte seinen Rollkragenpullover um eine Nuance Senf verbessert, was ihm noch unwiderstehlicher machte, natürlich nur für Bockwürste.
Klaus-Dieter wollte seiner Heidemarie am Morgen gleich einen Kuchen backen. Ich dachte mir nur, hoffentlich bekommt er auch mal was anderes gebacken und sagte laut, „schiebe deinen Kuchen ruhig mal in die heiße Röhre, Heidemarie wird sich bestimmt freuen!“.
Ich glaube aber, der Depp hat das noch immer nicht begriffen, denn er sagte: „Ich werde eine Obsttorte machen, den Boden habe ich noch fertig da und da ist alles erfrischend kalt.“
Da fällt einen nichts mehr ein!
Hans-Dieter war von seinem Bierglas erwacht, hatte noch den Ring und Schaum auf der Stirn und sagte: „een vertel Kuchen tätsch abber ooch nehm!“
Bloß gut, daß kein Wessi in der Kneipe war, denn der hätte am Ende gar nicht gewußt wieviel von dem Kuchen er bekam.
So ist nun aber das Leben, am Ende waren wir wirklich auch am Ende und lösten für diesen Freitag endgültig unseren Stammtisch auf und vier Gestalten von männlicher Schönheit, so werden es später einmal die Analen berichten, wankten nach Hause und bekamen an diesem Tage garantiert nichts mehr in die Reihe.
Das mußten sie aber auch nicht, denn alle wußten ja, es war Stammtischzeit.

© Jürgen Rüstau

Frauen wollen immer nur das Eine…

Wie jedem Freitag hatten wir uns wieder in unserer Stammkneipe zusammengefunden, um über das Leben, die Frauen und überhaupt, über alles was unsere Gemüter die Woche über erhitzte zu philosophieren. Dieser Freitag war zu einer Tradition geworden.
Er war sozusagen ein Muss in jeder Woche des männlichen Jahres.
Ganz besonders dieser Freitag, der letzte im durchaus ereignisreichen Jahr.
Wir, das heißt, Karl-Heinz, Hans-Dieter, Klaus-Dieter und ich, hatten uns zu absoluten Frauenkennern und Frauenverstehern, erklärt.
Genüsslich schlürften wir unser Bier und unseren Wein und kamen schnell auf unser Lieblingsthema – Frauen – zu sprechen.
Vergleichsmöglichkeiten hatten wir in unserer Kneipe äußerst selten, da sich Frauen hierhin auch selten verirrten. Wir konnten uns das allerdings nur damit erklären, dass das Niveau für Frauen hier viel zu hoch war und kulturell gesehen, das Verständnis der Frauen in dieser Hinsicht oft fehlte. Ich persönlich muss aber sagen, Kneipen ohne Frauen sind mir manchmal sehr unheimlich.
Karl-Heinz stimmte uns gerade auf seine Einleitung ein. Es war der übliche Satz, welchen er über den gesamten Abend mehrfach wiederholte, ohne uns auch nur den geringsten Lösungsweg seiner These aufzeigte: „Frauen wollen immer nur das eine…“.
Als das Bier nun seinen kurzen Weg, vom Mund bis zur Blase antrat, betrachtete ich mich und die mir gegenüber sitzenden Herren der Schöpfung.
Wir waren doch äußerst graziös anmutende Geschöpfe dieser Menschheit, stellte ich fest. Nun gut, mal abgesehen von unseren Glatzen, dem leicht wippenden Doppelkinn und unseren Brillen, traf die Graziösität auf uns natürlich im vollen Umfang zu.
Aber, stellte ich zufrieden fest, ich hatte schließlich noch meine eigenen Zähne und diese zeigte ich dann auch gleich mit dem strahlendesten Blendamed – Lächeln auf dieser Welt.
Wir konnten uns noch sehen lassen, zu mindestens in unserer Kneipe.
Ja, fing ich in Gedanken an zu schwärmen, ja hier hatte ich nach der Trennung von meiner Frau vor einigen Jahren neue Freunde gefunden, hier durfte ich wieder Mensch sein.
Hier, in meiner Lieblingskneipe.

Erst war es eine Flucht vor dem Alltag,
den täglichen Lügen.
Immer wieder sich selbst betrügen,
im Selbstmitleid verfallen,
sich an die vergangene Beziehung krallen.
Nicht loslassen den Partner,
den man so liebte,
obwohl der Alltag die Liebe längst besiegte.
Eine Liebe die viele Jahre hielt,
eine Achterbahnfahrt des Lebens,
nie mit den Gefühlen des anderen gespielt.
Jetzt sitze ich bei einem Glas Wein,
denke über alles noch einmal nach,
die dunkelste Kneipe
wird mein schönstes Gemach.
Finde dort neue Freunde,
rede über Gott und die Welt,
hab gerade das zweite Glas Wein mir bestellt.
Die Zunge gelockert,
man redet und redet, die Zeit vergeht.
Vergessen die Sorgen,
die hier ohnehin keiner versteht.
Das Leben geht weiter,
eine neue Liebe beginnt sich zu entfalten.
Die Oase des Sorglosen,
meine Lieblingskneipe,
bleibt mir erhalten.
Die Liebe sie kommt, die Liebe sie geht,
nie vergesse ich Raum und Zeit,
in welcher meine Lieblingskneipe steht.

Als ich mich an dieses Gedicht erinnerte, das ich damals geschrieben hatte, lächelte ich in mich hinein und dachte wieder einmal über Anka nach und träumte in den Abend hinein.
Ich erinnerte mich an die weisen Worte des großen Manitu:
„Trinke nur was klar ist, rede was wahr ist, iss nur was gar ist, sammle was rar ist und liebe was gerade da ist.“
So was von wahr.
Ich wurde nur von Karl-Heinz’s „Frauen wollen immer nur das eine…“ aus meinen Gedanken gerissen.
Aber ihm hörte sowieso keiner mehr zu und Hans-Dieter übernahm das Redezepter.
In seinem typisch sächsischen Dialekt berichtete er über seine Erfahrung der vergangenen Woche mit der Frauenwelt der Stadt.
„Da saß ich nuu am Sonntag mit meinen Schwacher Bernd-Günther am Markt offn Freisitz und wir guggten nur so in de Welt rum.
Neben uns, da hockten zwee Weiber und guggten in Kerlen hinterher.
Das störte uns abber überhaupt nich, denn das machen wir ja och.
Abber als die eene dann zur andern sachte, gugge mal, dass is abber ne geile Schnalle , da warn wir abber schockiert.
So wass würden wir abber nie übber een Weib sachen“.
Wir nickten Hans-Dieter zustimmend zu und ertranken unseren Schock in den neben uns stehenden Getränken.
Dabei schüttelten wir uns sichtbar vor Ekel, über diese verruchten Frauen in der doch so verruchten Welt.
Darauf hin vertilgte jeder von uns eine Bockwurst mit Kartoffelsalat und vernichteten die eventuell darin enthaltenen Salmonellen gleich mit einem Jägermeister.
Hans-Dieter brüllte vorm Trinken noch: „ Achtung, Alarm voorn Darm“, und rannte dann auch gleich ganz schnell in Richtung Toiletten.
Karl-Heinz jammerte dann auch gleich wieder: „Frauen wollen immer nur das eine, aber ich mache das nicht mit“.
Was immer das auch war, wir nickten zustimmend mit einer derartigen Entschlossenheit, die der gesamten Frauenwelt Angst einjagen müsste. Ich versuchte noch einmal darüber nachzudenken was Karl-Heinz nicht mehr mit machen wollte. Dachte mir, er wolle wohl nicht mehr mit seiner Brigitte schlafen oder ihr nicht mehr so viel Geld geben, verwarf aber diese Idee sofort wieder.
Hier ging es garantiert um etwas Größeres und nicht um solche Kleinigkeiten und Belanglosigkeiten, wie Sex oder gar Geld.
Ja, unser Lieblingsthema hatte seinen Höhepunkt erreicht, den Sex mit Frauen.
Und da konnten wir so richtig mit reden.
Klaus-Dieter nahm dann auch sofort den Faden auf. „Wir Männer sind doch arg beschissen dran. Nachdem wir den Frauen beim stundenlangen Vorspiel unsere Zärtlichkeit bewiesen haben…“
Scheißvorspiel, unterbrach Karl-Heinz die Worte von Klaus-Dieter, du hupst ja auch nich ne Viertelstunde vor der Garage, ehe du hinein fährst.
Wir brachen natürlich sofort in schallendes Gelächter aus, nur Klaus-Dieter philosophierte weiter: „… dann nach dem Vorspiel so richtig unseren Mann gestanden haben und man noch ein paar Streicheleinheiten durch die Frau benötigen würde, was machen dann diese Superweiber?, sie drehen sich zur anderen Seite um, schlafen sofort und schnarchen laut.“
Mit ernster Miene nickten wir zustimmend und seufzten, ja welcher Mann hat nicht schon diese schlimme Erfahrung gemacht.
Wir liegen nach diesem weiblichen Akt schlaflos mit tellergroßen Augen im Bett und fügen uns dann die erwarteten Streicheleinheiten selbst zu, bis das Wesen neben uns im Bett er staunt aufschaut und energisch spricht: „Hample neben mir nicht so rum, da kann man ja nicht einmal in Ruhe schlafen!“.
Da haben wir wieder den Nagel auf den Kopf getroffen, Mann kann nicht schlafen – Frau schon.
Ja, ja schnarrte Karl-Heinz wieder im gleichen Tonfall: „Frauen wollen immer nur das Eine…“ Aber nach seinen zwölf Bier wusste er auch nicht mehr schlüssig was sie wollten.
Karl-Heinz winkte nur ab und versuchte das Bierglas in drei Zügen in Richtung Mund zu führen, was ihm aber mindestens drei mal misslang.
So schaute er es bloß noch missmutig an, seine Gesichtszüge hatten sich auf ein Dauergrinsen eingestellt, welches er bis zur Auflösung unserer Stammtischrunde
bei behielt.
Klaus-Dieter, der am kürzesten, von den anderen Dreien in einer Beziehung stand, sagte in einem Tonfall, wie wenn im Radio die Pegelstände der Bode durchgeben würden, „Sex ist das wichtigste, das aller wichtigste in einer Beziehung“.
Wir schauten uns fragend an und fingen sofort an zu grinsen, auch Karl-Heinz, aber der grinste schon die letzte halbe Stunde.
Wir wussten ja alle, dass Klaus-Dieter, der nun schon ein halbes Jahr mit seiner Heidemarie zusammen war, noch nie mit ihr geschlafen hatte, außer eben des Nachts so richtig geschlafen hatte.
Aber große Töne konnte der spucken, nur wenn Heidemarie in ihrer Kampfausrüstung das gemeinsame Schlafzimmer betrat, bekam er Migräne oder er musste dringend weg, weil seine Großmutter einen Zahn bekam, oder so ähnlich.
Arme Heidemarie dachte ich, ob du wohl jemals Sex mit Klaus-Dieter haben würdest?
Egal!
Es war weit nach Mitternacht. Auf mich wartete zu Hause nur mein Bett und ein Fussel in meinem Bauchnabel und dem war ich keineswegs rechenschaftspflichtig.
Zu Hause lag ich dann noch eine ganze Weile wach im Bett und überlegte was wohl die Frauen nun so von den Männern wollten und was Karl-Heinz nun auf keinen Fall mit machen wollte. Es wollte mir aber partout nicht einfallen. So beschloss ich, Karl-Heinz gleich am Samstag morgen anzurufen und ihm danach zu fragen.
Dann schlief ich fest und störungsfrei in meinem Bett allein ein und keine fragte mich nach meinen nächtlichen Aktivitäten aus oder störte mich dabei gar.
Samstagmorgen
Der Samstagmorgen begann für mich so gegen halb zwölf.
Ich hatte sehr gut geschlafen, duschte mich, trank den ersehnten Kaffee um dann gut gelaunt Karl-Heinz anzurufen.
Eine muffelige Stimme schallte mir vom anderen Ende der Leitung entgegen und bohrte sich schnarrend in meine Gehörgänge:
„Was issn?“
Nein, hatte der eine Nacht hinter sich.
Und sofort jammerte er wieder: „Frauen wollen immer nur das eine, aber das mache ich nicht!“
„Was machst du denn nicht“, fragte ich ungeduldig und wissbegierig zu gleich.
„Immer , wenn ich nach unserem Stammtisch völlig besoffen nach Hause kam wollte sie…“
„Sex?“ stoppte ich seinen Redefluss.„Nein, das würde ich ja zur Not noch ertragen“, sagte Karl-Heinz, „aber diese verrückte Nudel hat sich in den Kopf gesetzt, sie will nur das eine, sie will das nächste mal mit zu unserem Stammtisch kommen, und da mache ich nicht mit!“, sagte Karl-Heinz mit aller Entschlossenheit dieser Welt.
„Nein“, rief auch ich völlig entsetzt, „unsere letzte Männerdomäne werden wir auf gar keinen Fall der Frauenwelt opfern! Und wenn wir dafür sterben müssen“ fügte ich in einen an Dramatik brillierenden Ton hinzu.
Wir waren uns einig, das eine, was diese Frauen wollten, werden wir nicht tolerieren!
Koste es was es wolle und wenn wir mit dem Bierglas in der Hand sterben müssten, wir würden dafür kämpfen, dass niemals eine Frau mit an unserem Stammtisch sitzt!
Wir haben nichts gegen die Frauenbewegung, Hauptsache sie bewegt sich vom Stammtisch weg!

© Jürgen Rüstau

Anka und die schönen Herbstabende


Illustration: Anke Rüstau

Anka und unsere schönen Herbstabende

Der November verging wie im Fluge. Zu der Tristigkeit der Abende gesellte sich der undurchdringbare Nebel des Morgens und der alltägliche Sprüh-und Nieselregen des Tages. Es war halt der Monat der langen Leseabende, der netten Gesprächsrunden bei Kerzenschein oder einfach nur ineinander kuscheln und dabei sich an den Klängen der Musik ergötzen.
Dabei hatten wir ein Spektrum an Musik gefunden, welches uns gleichauf begeisterte. Zum einem die wunderbaren Balladen von Rosenstolz, die uns regelmäßig zum mitsingen veranlassten. Lass sie nur reden, ein Song der sich mit dem Spießertum im allgemeinen und den Menschen, welche etwas
anders sind, auseinandersetzt. Bei diesen Liedern lagen wir abwechselnd auf dem Boden und überließen uns der Musik, die in uns hineindrang und zum Träumen veranlasste.
Oder wir saßen einfach auf der Couch, legten die Füße auf dem Tisch und spürten den wärmenden Einfluss, welchen der Rotwein auf uns hatte. Das vor genannte Spektrum der uns begeisterungsfähigen Musik spannt sich weiter über Lacrimosa bis Gospel, Nina Hagen. Jedenfalls in dieser Richtung.
So konnten wir stundenlang Musik hören und vor uns hin träumen, ohne das auch nur ein einziges Wort fiel. Die Musik
hatte eine Glocke über uns gestülpt, die jeden äußeren Einfluss verhinderte.
Dabei war Anka so dicht bei mir, dass ich ihre Herztöne hörte, welche sich wiederum in die Musik perfekt einfügten.
Der Trommelwirbel deines Herzens, flüsterte ich leise, ganz behutsam, um diesen Rhythmus nicht zu stören. Sie sagte ja, dass ist der Rhythmus, wo du mit musst und erhöhte gleichzeitig die Frequenz der Schläge. Ihr Atem streichelte dabei sanft meine Wange und ich versank in der Wolke gänzlich, auf der ich gerade schwebte. Entweder lauschten wir der Musik, diskutierten über die Texte oder tauschten unsere Lebenserinnerungen aus.
An diesem Abend hatte ich eine Geschichte zu erzählen. Vor einem Jahr war ich mit einem Mädchen zusammen, eine kurze, schöne aber auch schmerzhafte Beziehung. Sie hieß Katja. Ich hatte sie vor Jahren auf einer Lesung kennen gelernt. Wir hatten damals die ganze Nacht in der Moritz Bastei über Literatur und Kunst diskutiert. Katja studierte Kunst, surrealistische Malerei, nahm es aber meiner Ansicht nach mit alledem nicht so genau, den vom Alter her, müsste sie das Studium eigentlich schon hinter sich haben. Nach dieser langen, heißen Diskussionsnacht hatten wir uns aus den Augen verloren.
Ich war zu diesem Zeitpunkt noch in einer festen Beziehung, war damals nicht bereit diese Nacht mit mehr als Diskussionen fort zusetzen.
Nach der Trennung von meiner Frau sahen wir uns durch Zufall wieder.
Katja sah immer noch so schön aus. Groß, schlank, blond.
In einem kleinen Bistro in der City setzten wir, die vor Jahren begonnen Gespräche fort. Was jetzt begann war eigentlich eine sehr schöne Zeit, welche aber von derartigen Gefühlsschwankungen, depressiven Momenten untersetzt war.
Von himmelhoch jauchzend, bis zum Tode betrübt.
Interessiert dich das überhaupt oder langweile ich dich mit ollen Kamellen? , fragte ich Anka.
Doch, doch, erzähle nur weiter, es interessiert mich, kam prompt ihre Antwort.
Also, ich traf mich das erste mal, nach sehr langer Zeit wieder mit Katja. Ich hatte den Kopf voll mit Alltagsproblemen und war über diese Abwechslung sehr erfreut, war bereit dafür etwas zu tun. Sie freute sich ebenfalls über unsere Verabredung und stand zur vereinbarten Zeit schon vor ihrer Haustür.
Wo geht es denn hin, was machen wir heute? , fragte sie und war ganz aufgeregt. Wir fahren nach Berlin, machen einen Kuhdammbummel, trinken und essen etwas und gehen danach noch tanzen, antwortete ich im selbstverständlichsten Tonfall der Welt, geradeso, als würden wir in das Bistro um die Ecke
gehen. Katja wurde abwechselnd blass und wieder rot und brachte noch unter Schock stehend zum Ausdruck, dass sie sich riesig freue.
Es war gegen 19 Uhr, wir hatten also Zeit und brauchten uns nicht all so sehr zu beeilen. Vor neun brauchten wir nicht in Berlin zu sein, wenn wir was erleben wollten. Auf der Autobahn fing Katja an zu erzählen:
„Ich bin erst vor zwei Wochen aus dem Krankenhaus gekommen, war sehr depressiv und hatte einen Selbstmordversuch mit Tabletten unternommen, aber du siehst ja ich lebe noch“.
Was fragte ich ganz erschrocken, was hast du gemacht?
Ich konnte nicht mehr und wollte einfach nur Ruhe vor allen haben. Aber es klappte nicht, ein Freund fand mich in meiner Wohnung und so kam ich dann auf den schnellsten Weg ins Krankenhaus, wo ich einige Zeit verbrachte und auch Zeit zum
Nachdenken hatte. Lassen wir jetzt das Thema, würgte Katja jede weitere Diskussion ab, reden wir über etwas anderes.
Die Zeit war beim Reden schnell vergangen und wir waren schon in Nimegk angelangt. Dort kannte ich eine gute Raststätte und wir wollten uns erst einmal ordentlich stärken. Die Mövenpick-Marche‘ bot uns einen guten Kaffee und das Essen, welches wir uns vegetarisch zusammen stellten war auch nicht von schlechten Köchen. Eine tolle Atmosphäre, die uns wunderbar auf das Kommende einstellte.
Berlin – es war in der Dämmerung, an einem herrlichen Spätsommerabend.
Die Lichter begannen nach und nach auf zuleuchten und der Kurfürstedamm füllte sich mit Menschen.
Hand in Hand bummelte ich mit Katja von einem zum anderen der üppig ausgestatteten Schaufenster. Wir kamen der
Gedächtniskirche immer näher und es war dunkel geworden. Vor der Kirche gaben wir uns einen langen innigen Kuss und eine besondere Wärme durchströmte meinen Körper. Da war es wieder dieses ganz besondere Glücksgefühl infolge
dessen ich mit Katja weiter durch das nächtliche Berlin schwebte. Bis zum Euro-Center, den Brunnen davor. Katja fing mich an mit Wasser zu bespritzen, was ich gern umgehend erwiderte, wobei sie kreischend in das Innere des Centers verschwand.
Dort wollten wir auch hin.
Im Irisch Pub lief um diese Zeit Live Musik vom aller feinsten und wir konnten hier dieses wohlschmeckende Bier trinken, dessen Namen mir jetzt entfallen ist. Wir tanzten den ganzen Abend, die halbe Nacht, eng umschlungen.
Ganz außer Atem, ließen wir uns auf die Barhocker fallen. Ich schaute Katja in die Augen, strich durch ihr langes blondes Haar und stellte die dümmste Frage des Tages.
Welche Haarfarbe hast du eigentlich? , gleichzeitig ärgerte ich
mich über diese Frage. Aber Katja lächelte mich nur an, zog ihr kurzes Röckchen etwas höher und sagte, schau doch mal. Und ich schaute ins Paradies, da Katja kein Höschen anhatte. So einen roten Kopf habe ich in meinem ganzen Leben noch
nicht bekommen und Katja lachte schrill über ihre gelungene Antwort und ich kannte jetzt auf diese etwas ungewöhnliche Art und Weise ihre originale Haarfarbe.
Es war gegen Zwei Uhr, wir hatten noch keine Lust nach Hause zu fahren. Da nach einem Dienstag ein Mittwoch kam musste ich also heute früh unwiderruflich arbeiten. Aber egal, es war zu schön mit Katja. Was will man da schlafen?
Wir waren in Partylaune und fanden gleich in nächster Nähe eine kleine private Blackmusicdisco. Hier tanzten wir nach allen möglichen und manchmal auch für mich unmöglichen Rhythmen.
Durchgeschwitzt, ausgelaugt, glücklich wäre die gelungene Situations Beschreibung. Ausgelassen und ausgezogen, Katja hatte die Schuhe ausgezogen, machten wir einen Wettlauf zum Auto.
Natürlich ließ ich Katja gewinnen, ich bin ja ein Gentlemen.
Hunger, wir hatten plötzlich unsäglichen Hunger und das morgens halb vier.
Also rein zu Mc Donalds. Jeder vier Mc Ribbs. Gegenseitig stopften wir abwechselnd uns diese dicken Dinger in den Mund. So sahen wir auch aus, der Ketschup war im ganzem Gesicht und teilweise auch auf unserer Kleidung verschmiert.
Ein Bild für die Götter. Ich weiß bloß noch, die Bedienung brachte uns kiloweise Feuchttücher zur Reinigung angeschleppt. Es war richtig lustig.
Als wir wieder im Auto saßen, sagte Katja plötzlich, es war heute so schön mit dir und ganz leise, ich liebe dich.
Diese schönen Worte beflügelten mich und im Tiefflug rasten wir heimwärts.
Katja schlief neben mir auf dem Beifahrersitz und lächelte im Schlaf immerfort.
Bis kurz vor Leipzig hatten wir eine gute Fahrt, die tausend Meter vor der Aus fahrt Leipzig gebremst wurde.
Stau!!
Ich sah die Ausfahrt schon und stand im Stau. Kurz davor war ein LKW in die Leitplanken gerast und es ging keinen Meter mehr weiter. Ende der Fahnenstange, pflegte ich zu sagen. Katja schlief immer noch und merkte von alledem nichts. Als sie nach zwei Stunden erwachte, fragte sie nur schlaftrunken,
„warum hältst du auf der Autobahn?“ Ich erklärte ihr den Sachverhalt, sie schaute auf die Uhr und sagte erschrocken: Es ist halb Acht und du musst doch bis Neun im Geschäft sein. Schaffen wir doch und gleich danach ging es weiter.
Ich setzte Katja zu Hause ab, natürlich nicht ohne eine Verabredung für das kommende Wochenende zu treffen.
Och schön, sprudelte es aus Anka’s Mund. Wie ging es weiter?
Können wir nicht auch einmal was in Berlin unternehmen?
Das können wir sagte ich und irgendwann erzähle ich dir die Geschichte weiter.
„Versprochen?“ , fragte Anka. Versprochen, sagte ich. Gleichzeitig schauten wir erschrocken auf die Uhr. Die Zeit war wieder wie im Fluge vergangen.

© Jürgen Rüstau

Anka und die Zwischentöne

(4)
Inzwischen waren ein paar Wochen mit wahnsinnig vielen Eindrücken vergangen. Der Herbst hatte sich wortlos verabschiedet. Ein schönes Jahr neigte sich dem Ende entgegen.
Es war an der Zeit, der öde November, überließ uns einige Tage eine prächtige Winterlandschaft.
Die Dreckecken der Stadt waren zugedeckt und die weiße Pracht überflutete Gehwege, Straßen und Anlagen.
Der Straßenverkehr brach wie gewöhnlich an solchen Tagen zusammen und die Autos krachten, auf den glatten Straßen ineinander. Deren Besitzer überhäuften sich, neben ihren Fahrzeugen stehend, mit einigen in solchen Situationen üblichen Nettigkeiten.

Ich um kurvte mit meinem Auto einen solchen Erfahrungsaustausch an Schimpfwörtern, ohne deren Inhalt richtig zu verstehen. Meine ganze Konzentration galt den winterlichen Straßenverhältnissen, um nicht in eine ähnliche Lage, wie die Herren von eben, zu kommen.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah ich eine sehr attraktive Frau.
Sie drehte sich gerade um und ich erkannte ihr Gesicht.
Es war Anka.
Sofort lenkte ich mein Auto hastig an den Straßenrand. Um ein Haar wäre ich einem parkenden Auto ins Heck gerutscht. Oh, geraden noch einmal gut gegangen, dachte ich und stieg aus um mit Winken und Rufen Anka auf mich aufmerksam zu machen. Ich hatte sie seit einigen Tagen nicht mehr gesehen, da ich beruflich sehr viel Stress hatte.
Auch Anka hatte mich sofort gesehen und kam über die Straße geeilt.
Ihre niedliche Stupsnase war von der Kälte, an die wir uns ja erst noch gewöhnen mussten, richtig schön rot. Wir begrüßten uns als kannten wir uns schon viele Jahre und hatten uns einige Monate nicht mehr gesehen.
Sie war einfach schön, auch wenn ich jetzt sehr wenig von ihr sehen konnte, wie ich sie von unserem letzten Zusammensein in Erinnerung hatte.
Die großen Augen lugten unter der dicken Mütze frech hervor und ihre Lippen, welche trotz der Kälte heiß waren drückten mir einen Kuss auf die Wange.
Und da war er wieder, dieser ungewöhnlich heftige Drang, mit ihr zusammen zu sein.
In diesem Moment kam mir die Frage von Anka ganz recht, ob wir nicht beide irgendwo einen Kaffee trinken könnten? Sie fügte hinzu, ich müsste ihr nur sagen wo, da sie sich in der Stadt noch nicht so gut auskennen würde.
Das wie war schnell geklärt, wir hatten uns ja mitten in der City getroffen, konnten also unsere Autos getrost dort stehen lassen, nachdem wir die Parkuhren gefüttert hatten und wo wir hin gehen wollten war auch kein Problem.
Diese Stadt hatte eine Unmenge kleiner Cafés, wo man sich richtig wohl fühlen konnte.
Frau auch!
In einer Passage kannte ich ein kleines Kaffee, in welchem ich nachts, wenn ich in der Stadt unterwegs war, einen Absacker zu mir nahm. Aber es war am Nachmittag und uns Beiden dürstete nach Kaffee.
Wir also rein in die „Kümmelapotheke“.
Anka gefiel sofort die gemütliche Atmosphäre, welche in diesem Kaffee herrschte.
In der Ecke am Klavier saß ein älterer Herr und spielte „Memories“.
Das waren Zwischentöne, musikalische Ohrwürmer, die uns doch sofort wieder in Erinnerungen an unser erstes Treffen schwelgen ließen.
Diese Erinnerung war bei dieser Musik sofort wieder in uns, obwohl die schönen Ereignisse nun schon einige Tage zurücklagen.
Ich sah Anka inmitten des Zuckers stehen, sah wie sie die Pizza servierte, wie sie die Musik von Rosenstolz auflegte und wir beide träumten bei dieser Melodie vor uns hin.
Mein schönster Traum ging noch ein Stück weiter…

Du bist das Traumbild in meinem Herzen
Manchmal noch etwas verschwommen
Kaum noch auszumerzen
Amurs Pfeil ist in mir angekommen
Ich sehe dich im femininen langen Kleid
Verneige mich vor deiner natürlichen Schönheit
Du als Girli im superkurzem Röckchen
Feuer sprüht aus deinen großen Augen
Will mich vernichten
Du hast wieder mal dein Böckchen
Ich liebe es wie du gehst,
wie du mit mir sprichst
Selbst wenn du mich ablehnst, mich verfluchst
Du hast eine besondere Wirkung auf mich
Deine kleinen Fehler sehe ich nicht
Auch wenn ich sie sehen würde
Sie sind bei Traumbildern
und auch im Leben keine Hürde
Ich sehe mein Traumbild in dir
Blicke sind der Welt schnellster
und sicherster Kurier.

Katharina, die Kellnerin riss uns aus unseren schönsten Träumen.
He, ist bei euch alles klar, sagte sie und lachte uns an.
Was möchtet ihr trinken?
Ich bestellte zwei Kaffee, welche auch umgehend duftend vor unserer Nase ihr Aroma ausstrahlten.
Auf jedem Unterteller lag ein eingepackter Keks.
Meinen legte ich ohne Worte auf Ankas Teller.
Sie errötete und fragte, woher weißt du, dass ich für mein Leben gern Kekse esse? Das sehe ich dir an der Nasenspitze an. Unwillkürlich fasste Anka sich an die Spitze ihrer niedlichen Nase und fragte, ja wie jetzt?
Ich musste unwillkürlich lachen und unser Gespräch war so richtig schön in Fahrt gekommen.
Die Zwischentöne, die Musik war in den Hintergrund getreten oder wir wollten sie gar nicht mehr wahr nehmen, denn Anka und Peter waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, von äußeren Einflüssen völlig abgeschottet.
Anka erzählte mir, dass sie nach ihrem Studium bei einer großen Versicherung beworben hatte und den Job hier in Leipzig bekam.
Sie hatte diesen gleich nach ihrer Ankunft angetreten und verwendete viel Zeit dafür sich in ihre neuen Aufgaben einzugewöhnen.
Deshalb sagte sie, ihren Kopf zu mir gedreht, haben wir uns in den letzten Wochen so wenig sehen können.
Dazu kommt noch dieses Wetter, dieser Wintereinbruch, der uns viel, viel Arbeit beschert.
Wir redeten und redeten über Gott und die Welt .
Als wir aus der Passage heraustraten war es inzwischen dunkel geworden, der Fußweg war sehr glatt.
Anka hakte sich bei mir unter und wir liefen in ausgelassener Fröhlichkeit zu unseren Autos zurück.
Dort erwartete uns eine Überraschung.
Anka hatte in ihrer Eile vergessen das Licht am Auto auszuschalten. Von weitem sahen wir schon das Glimmen der Scheinwerfer, welche nicht mal mehr dazu in der Lage waren, die Schatten der vorbei gehenden Leute auf die Straße zu projektieren.

Ich hatte in meinem Auto ein Starterkabel im Kofferraum liegen, fuhr mein Auto genau vor das Auto von Anka.
So standen sich nun beide Autos gegenüber, so nah wie wir uns noch nie gegenüber gestanden hatten.
Aber Autos machte das nicht sonderlich heiß.
Anka’s Motor heulte nur unlustig auf, kam nicht auf Touren.
Der braucht einen Stromstoß, sagte ich und verband die beiden Autos mit einem Kabel.
Meine Energie, dass heißt eigentlich die von meinem Auto brachte schließlich den Corsa zum laufen.
Danke rief noch Anka aus dem Fenster, danke bis bald.
Schon war das Auto in den Brühl abgebogen und außerhalb meiner Sichtweite.
Jetzt musste ich mich auch beeilen, denn ich hatte noch einen wichtigen Termin.

© Jürgen Rüstau

Anka’s Resümee

(3)
Die Tür war hinter Peter ins Schloss gefallen, leise besinnlich.
Auch sie wollte diesen Abend nicht mit einem dumpfen Knall beenden, sondern es klang eher nach einem sanften aufatmen.
Ich ließ mich in den Sessel fallen, legte meine Füße hoch und lächelte nur so für mich.
Was ich den gesamten Abend, warum auch immer, nicht getan hatte, ich tat es jetzt.
Ich zündete mir eine Zigarette an und zog genüsslich an ihr, blies den Rauch aus mir heraus und beobachtete ihn, wie er sich im Zimmer verteilte. Dabei gingen zum Zigarettenqualm meine Blicke quer durch den ganzen Raum.
Ja, sagte ich zu mir, ich kann mit dem, was ich in den letzten zwei Tagen erreicht habe zu Frieden sein. Mein Wohnzimmer war richtig gemütlich geworden und es hatte mit dem Besuch meines neuen Nachbars, seine Feuertaufe bestanden. Er war ja wirklich ein Netter.
Eigentlich hatte ich den nur den ganzen Abend geredet, ihn kaum zu Wort kommen lassen.
Er hat zugehört, verständnisvoll genickt und hier und da eine kurze Bemerkung gemacht.
Also, ich hatte ihn zu geredet, habe von ihm noch nichts in Erfahrung bringen können, außer, dass er Peter heißt und einen kleinen Tabak-Shop in der Randcitylage hatte.
Mehr wusste ich wirklich nicht über ihn.
Das nächste mal, sagte ich auf einmal laut und war selber darüber erschrocken, das nächste mal, werde ich ihn ein paar Dinge fragen.
Obwohl die Pizza doch lecker war, bekam ich Hunger, einen unersättlichen Hunger nach süßen Sachen.
Ich bin halt ein Schleckermäulchen, wie meine Mutter immer zu sagen pflegte.
Also ging ich auf die Suche nach den süßen Dingen des Lebens, eins hatte ich ja nun heute schon kennen gelernt. Ups, hatte ich mich doch gerade dabei erwischt, eine Feststellung zu treffen.
Egal, die Suche nach den weiteren süßen Sachen des Lebens war mir im Moment wesentlich wichtiger.
Da fand ich sie auch schon, K e k s e, die fast zweitwichtigsten Dinge in meinem Leben. Diese ließen das wichtigste in meinem Leben, Sex, momentan in den Hintergrund treten.
Also, Kekse, ich hatte diese bunte Schachtel mit dem leckeren Inhalt endlich gefunden. Ich riss sie auf, feines, zartes Gebäck, mit einer hauchdünnen Schicht Vollmilchschokolade überzogen.
Den ersten legte ich auf meine herausgestreckte Zunge und ließ die köstliche Schokolade auf ihr zerlaufen.
Als ich die Glasur in mir aufgesaugt hatte, zerbiss ich den Keks schnell, um dieses schöne Spiel wieder von vorn beginnen zu können.
Das ganze glich einer Zeremonie.
Ein krümelnder Orgasmus! Ich war mit mir und der Welt sehr zu Frieden. Ich hatte die Einrichtung meiner Wohnung, bis auf kleinere Dinge, geschafft, hatte einen tollen Abend und hatte in diesen ersten Tagen in dieser vernichtend großen Stadt einen neuen Freund gefunden, Peter.
Das Leben kann so schön sein, rief ich laut und begann mir ein Bad einzulassen.
Ich wollte nun, nach meiner Keksorgie meinen Körper nicht zu kurz kommen lassen und freute mich auf ein entspannendes Bad, weit nach Mitternacht.
Es war mein erster Sonntag in dieser großen Stadt angebrochen.
Für diesen Sonntag hatte ich mir sehr viel vorgenommen. Gestern hatte ich schon beim Einkaufen die Kirche entdeckt, die ich zum Sonntaggottesdienst aufsuchen wollte, nur ein paar Schritte von meiner Wohnung entfernt.
Dann musste ich noch unbedingt meine Mutter anrufen, die bestimmt schon sehnsüchtig auf meinen Anruf wartete.

Aber jetzt wartete erst einmal das Bett auf mich. Ich steckte meine Nase wollüstig in die frisch bezogenen Bezüge, kuschelte mich darin ein und schlief sofort, ohne noch einmal über alles nachdenken zu können.

Der Sonntag.

Als ich gegen Acht aufwachte war es noch gar nicht richtig hell. Ich saß traumversunken auf der Bettkante vor meinem Kleiderschrank.
Diesen hatte ich gerade mit meinem Fuß vom Bett aus geöffnet, starrte in ihn hinein, ohne zu wissen, was ich eigentlich anziehen sollte. Das wiederum muss eine ganze Weile gedauert haben, denn meinen nackten Körper überzog ein Frösteln welches mich zum Zittern brachte.
Mit der einen Hand suchte ich nach einen Pullover, mit der anderen nach meinen Zigaretten.
Beides hatte ich gleichzeitig in der Hand, musste also die Zigarette noch einmal weglegen, weil zu frieren unangenehmer war als der Tabakentzug.
So zog ich mir den Pullover über den Kopf und griff in dem Moment, als die Hände den Ärmel verließen sofort wieder nach der Zigarette, brannte sie an und machte einen langen Zug.
Von nun an pendelte ich hektisch zwischen Küche und Schlafzimmer um einmal die Kaffeemaschine in Betrieb zu setzen. Zum anderen meine Kleidungsstücke zusammen zu stellen und wiederum abwechselnd an meiner Zigarette zu ziehen und Kekse in mich hinein zu schieben.
Wenn mich jemand dabei beobachten würde, er käme aus dem Lachen nicht mehr heraus.
Das tat er auch, der alte Mann am Fenster gegenüber.
Er lachte.
Mein Gott, ging es mir durch den Kopf, ich hatte ja keine Gardinen und jeder konnte mich so sehen wie ich nun einmal bin.
Das war mir im Moment auch egal, ich lächelte zurück, verschwand flugs im Schlafzimmer, um nun endlich in die Sachen zu kommen.
Schnell noch Zähne putzen und ab in die Kirche.
Beim Zähne putzen fielen mir noch die schönen Worte über Hoffnung, Glaube und Liebe ein und rezitierte sie laut vorm Spiegel, beobachtete
dabei die Wirkung, die sie in meinen Gesichtsausdruck hinterließen:

Hoffnung, Glauben, Liebe.
Einfach nur Worte?
Hoffnung?
Ich hoffe auf die Beständigkeit
im Leben.
Ich hoffe auf Gesundheit,
auf Frieden, auf Glück.
Glaube?
Ich glaube an Gott.
Ich glaube an Freundschaft,
an Ehrlichkeit im Menschen.
Liebe?
Du bist für mich
Glaube und Hoffnung gleichzeitig.
Du bist mein Leben,
meine Liebe.

Die Kirche, sie war eine sehr große Backsteinkirche, in der Art, wie ich sie im Norden gewöhnt war. Eben nur nicht so groß. Die Stufen zur Empore knarrten, wie in jeder Kirche. Ich nahm mir ein Gesangbuch und setzte mich in die erste Reihe. Von hier aus hatte ich einen guten Blick auf den Altar und die Kanzel.
Der Organist setzte mit den ersten Takten der Musik ein, mich durchströmte eine Wärme und innere Zufriedenheit, wie ich sie schon lange nicht mehr in dieser Form erlebt hatte.
Ich fühlte mich zu Beginn des Gottesdienstes in dieser großen Stadt das erste mal richtig geborgen.

Jetzt wusste ich, dass ich in dieser Stadt angekommen bin.

© Jürgen Rüstau

Vergangenes – Im Osten nichts Neues

Im Osten unmöglich – eine überaus (un)freundliche Geschichte

Es sind seitdem mehr als dreißig Jahre vergangen und jeder hat mit dem Westen so seine Erfahrungen gemacht. Ich saß mit Anka im warmen Wohnzimmer auf der Couch und wir kamen auf die längst vergessene Zeit zu sprechen. Kannst du dich noch an die lustigen und bunten Eierbecher aus Plastik erinnern? Ich hatte einen kompletten Hühnerstall, erinnerte sich Anka und holte gleich einen Becher aus dem Küchenschrank. Ja, an diese erinnere ich mich auch noch, aber die werden auch nicht mehr hergestellt. Schade eigentlich, sagte Anka. Aber was gibt es noch nicht mehr?

Eierbecher aus DDR Produktion so wie sie jeder kennt

Was war denn damals alles so anders, außer natürlich die politische Lage. Über diese sprachen wir nicht, denn dies weiß doch jeder. Also, sagte ich, es gibt drei Situationen, welche im Osten überhaupt nicht gingen und die mir jetzt einfielen.
Anka, fragte, und welche wären das? Sie hatte sich auf der Couch aufgerappelt und tat jetzt interessiert. Ich stellte mich jetzt auf eine lange Diskussion ein, aber Anka wartete auf meine Erklärungen, was mich natürlich wunderte.
Hatte ich mich nun zu weit auf dem Fenster gelehnt?
In meinem Kopf ratterte es gewaltig und ich versuchte eine Verbindung zwischen Gehirn und aberwitzigen Mundwerk herzustellen. Wie war das nun damals im Osten? Wo waren denn unsere Grenzen? Als ich darüber nachdachte viel es mir wie Schuppen von den Augen. Bei Grenzen hatte ich auch sofort Bilder. Ich fing umständlich an zu erzählen. Kannst Du Dich noch erinnern, als wir einen Ausflug machten. Wir fuhren ins Vogtland und wanderten von Klingenthal auf den Aschberg. Ach, sagte Anka, dort wo die große Schanze ist. Nein, sagte ich, diese ist auf dem Scheibenberg.
Wir wanderten auf dem Aschberg hoch, entlang der Grenze zu Tschechien. Du hättest an der Grenze gewaltige Angst und warst ganz verstört.
Es war dir richtig unbehaglich. Dort wäre aber nichts passiert. In anderen Himmelsrichtungen hatte uns der Staat Grenzen gesetzt und die zu überwinden hätte tödlich sein können. Also, sagte Anka, hätten wir schon eine Sache, welche im Osten nicht ging. Spätestens jetzt hatte ich ihr Interesse geweckt. Was ging denn noch nicht?
Es war etwas, dass wir verbotener Weise immer im Westfernsehen gesehen haben und was wir bei uns damals gar nicht kannten. Um vom Alltag runter zu kommen, was haben wir damals gemacht? Anka überlegte. Wir haben uns gewaltig zu gelötet. Und wenn es uns da noch nicht gereicht hat?
Anka schaute mich an und verdrehte die schönen großen Augen. Was dann? Im Westen bist du dann zum Dealer deiner Wahl gegangen und hast ein paar Gramm weißes Pulver gekauft, hast es durch die Nase gezogen und warst dann vermeintlich glücklich. Das ist doch eklig, so was durch die Nase, hätten wir nie gemacht. Wie kommst du auf so etwas. Wir waren doch glücklich hin und wieder mit unserem Alk. So etwas bräuchten wir nicht.
Siehst du und deshalb gab es das im Osten nicht. Heute, wenn dir danach ist, gehst du nur auf den Hauptbahnhof, guckst ein wenig dumm und schon sprechen dich mindestens zehn Leute in verschiedenen Sprachen an und fragen dich „brauchst du was? Braucht fast keiner, auch brauchst du diese Leute nicht.
Was gab es im Osten noch nicht, fragte nun Anka.
Etwas ganz Belangloses. Erinnerst du dich noch als ich dich das erste Mal auf der Straße gesehen hatte und ich dir dann hinterher lief. Ich bin dir die ganze Zeit hinterher gelaufen. Ich war amüsiert, sagte Anka und lächelte das süsseste Lächeln der Welt.
Ja, und da lag plötzlich diese Bananenschale mitten auf dem Fußweg und ich rutschte darauf aus und tat mir gewaltig weh.
Siehst du, und deshalb gab es das damals im Osten nicht.

Keine Südfrüchteschalen und deshalb konnte man auch im Osten nicht darauf ausrutschen und sich verletzen.
So schlecht war der Osten dann eben doch nicht.

© Jürgen Rüstau

Anka – Die schönsten Augen der Welt

Augen

Es war ein Tag, wie jeder andere.
Es war ein Herbsttag Anfang November. Glitschig, kalt und trübe.
Und doch war an diesem Tag alles ganz anders.
Sie stand mir gegenüber und ließ diesen doch so öden Tag in den Hintergrund treten.
Sie war eher klein, schlank und von einer interessanten Schönheit geprägt,welche meinen Puls wiederum zu Höchstleistungen inspirierte.
Plötzlich sah ich nur noch Augen, wunderschöne, wahnsinnig große Augen.

Große, runde Augen
schauen fragend in den Tag.
Fallen mir sofort auf,
Augenblicke wie ich sie mag.
Es macht im Herzen Klick.
Dieser Wahnsinnsblick.
Große Augen schauen mich an
von sinnlicher Schönheit umgeben.
Hier läuft das wahre Leben.
Augen lassen mich nicht mehr los,
so groß, schön wie die Sünde.
Gibt es zu Leben andere Gründe?
Augen bezaubern dieses Gesicht.
Lippen aus denen
die Sprache der Liebe spricht.
Ein Körper
der sich im Takt ihrer Worte bewegt,
dabei mich und meine Gedanken erregt.
Bin in dir versunken,
höre dir zu.
Augen haben mich hypnotisiert,
egal was passiert.
Kann mich nicht lösen, hab keine Ruh
Im Traum balanciere ich auf einer riesigen Welle.
Sie spült mich zu dir an das Land.
Ich habe den waren Sinn des Lebens erkannt.

Sie waren einfach da, beherrschten den Raum, füllten ihn mit Wärme und Fröhlichkeit aus.
Unter dieser Augenpartie sah ich vollendet geformte Lippen, einen Mund, welcher sich auf einmal zu bewegen begann.
Sinnlich, einfach schön.
Der Mund sprach irgendeinen norddeutschen Dialekt in einer Art und Weise,in Gleichnis einer Musik,einer wunderschönen Melodie.
Diese Melodie wiederum war gezeichnet von einem auf und ab der Töne, die im Raum nur so herum sprangen.
Nachdem meine Ohren sich an diese Töne gewohnt hatten, nachdem mein Gehirn das Gesagte ihres Mundes aufnahm, war eine Menge Zeit vergangen.
Ich muss doch ziemlich wie ein Depp ausgeschaut haben, denn ihre Augen und ihre Lippen wurden von einem Lächeln überzogen, welches mich nur noch mehr aus der Fassung brachte.
Ich war sozusagen ziemlich fassungslos, regelrecht sprachlos.
Die Frau hatte begriffen, dass ich vom Gesagten wenig aufgenommen hatte und wiederum bewegte sie ihre Lippen und erst jetzt drangen auch die Worte an meine Ohren.
Das Wesen, zu der die Lippen gehörten sagte, sie sei meine neue Nachbarin und heißt Anka.
Dabei schauten mich ihre großen Augen fragend an.
Ich stand immer noch wie angewurzelt mitten im Raum und stammelte nur Peter, ich heiße Peter.
Anka sagte lässig okay, wir sehen uns doch bestimmt noch öfters und entschwebte wieder aus dem Raum und es herrschte Gedanken versunkene Leere. Es verblieb ein Duft im Raum, wie Weihnachten und Ostern gleichzeitig.
So kam es mir jedenfalls vor.
Ich glaube, dass ich mich minutenlang nicht bewegt habe, um vor allem das Gesehene und Gehörte gründlich zu verdauen.
Was war das jetzt eben? Eine Sprachlosigkeit, die ich von mir selbst im entferntesten nicht gewohnt war.
Es waren ihre Augen, sagte ich im Dialog mit mir selbst, ihre Augen haben mich verzaubert, ihre wahnsinnig großen, schönen Augen.
Ich versuchte in Gedanken, ihr Bild wieder in mein Gedächtnis zurückzurufen.
Es funktionierte überraschend gut.
Sie stand vor mir. Klein, kess, herausfordernd, ihre Augen den ganzen Körper beherrschend.
Ich begann im Traum mit ihr zu reden.
Das heißt, ich sprach, sie hörte mir dieses mal zu.
Sagte ihr, wie schön ich sie finde und erzählte von meinen, ihr unbekannten vergangenen Zeiten.
Sie hörte zu.
Erzählte ihr von Liebe und Schmerz, redete über Musik, welche ich mag.
Sie hörte zu.

Plötzlich klingelte es an meiner Tür, ich erwachte aus meinem Tagtraum und stand noch an der gleichen Stelle im Raum, als die Frau diesen verließ.
Wie gesagt, es klingelte.
Ich öffnete.
Da stand sie wieder.

Anka.

Sie lächelte mich an, vergessen war alles, was ich ihr in meinem Traum erzählte.
Ich schaute sie an.
Hallo Peter, ich muss dich noch einmal stören. Ich habe noch nicht alles einkaufen können. Kannst du mir etwas Zucker borgen?
Na klar, sagte ich, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt.
Komm bitte herein.
Sofort begann ich nach Zucker zu suchen.
Da ich den Kaffee immer ungesüßt trinke, musste ich tiefgründig in meiner Küche danach suchen.
In irgendeinem Schrank sollte doch welcher sein.
Fand welchen.
Hatte die Zuckertüte in der Hand, stand ihr gegenüber und dachte an das Gesagte im Traum, was mich nur noch unsicherer machte.
Die Tüte glitt mir aus der Hand und der ganze süße Traum rieselte auf dem Boden.
Gleichzeitig bückten wir uns um zu retten was zu retten war.
Dabei begegneten sich zu unsere Blicke.
Sozusagen Auge in Auge.
Es war eine Situationskomik, welche, keiner Erklärung bedurfte.
Anka fing sofort laut an zu lachen, ein Lachen, dass sofort ansteckend wirkte.
Ich stimmte mit ein. Wir standen inmitten einer Lache von Zucker.
Ihr Lächeln wirkte da einfach noch süßer.
Da muss ich ja nun doch noch einkaufen gehen, sagte Anka und fügte hinzu, dass sie ja ohnehin keinen Wein im Hause hätte und sie ihn gleich mitbringen könnte.
Denn den würde sie ja benötigen, um heute Abend mit mir auf unsere erste Begegnung anstoßen zu können.
Ich käme doch, fragte sie beiläufig?
Natürlich, antwortete ich ohne zu überlegen.
Das war meine erste Begegnung mit Anka, welcher noch viele schönere folgen sollten, denn ihre wunderschönen großen Augen konnte ich nie vergessen.


Die Begegnung

Dieser Herbsttag, welcher eine so überraschende Wendung für mich nahm,fand in den Abendstunden seine Fortsetzung.
Ich muss, dazu sagen es war ein sehr angenehmer Tagausklang.
Den ganzen Tag über, nachdem Anka eine Leere in meiner Wohnung
zurückließ, an die ich mich sehr schwer gewöhnen konnte, machte ich mir Gedanken, wie ich ihr bei unserem heutigen Abend Date gegenüber trete, baute regelrecht in meiner Phantasie diese Begegnung auf.
Was erwartet mich in ihren eigenen vier Wänden, wie lebt diese
außergewöhnliche Frau?
Welche Musik hört sie, welche Bücher liest sie?
Ich muss sagen, im gesamten Tagesverlauf schwirrten die Gedanken mir, wie Bienen im Kopf herum und Anka war die größte und schönste aller Bienen, die mich beschäftigte, die Königin.
Dieser Tag war für die normale Arbeitsproduktivität, welche ich täglich bewältige, gelaufen.
Ich mutierte zum Träumer, der seinen Träumen willenlos erlag, nur noch auf einer Wolke durch den Tag schwebte, den Abend erwartend.
Das klingeln des Telefons riss mich jäh aus dieser Traumwelt und brachte mich zu einem Absturz von meiner Wolke, in der Form, dass ich mich in der Telefonschnur verhedderte und mit dem Telefon tosend zu Boden ging.
Der Anrufer muss dieses ganze Drama live miterlebt haben und hat
wahrscheinlich erschrocken, von meinem Fluchen, schnell das Telefon wieder aufgelegt.
Er hat sich auch in der Folgezeit nicht wieder bei mir gemeldet.
Zu diesem Zeitpunkt hoffte ich nur, dass der Anrufer nicht Anka gewesen sei.
Meine außergewöhnliche Fluch Parade, nach meinem Absturz aus Wolke Sieben wäre mir recht peinlich gewesen, wenn sie es gehört hätte.
Die Tageszeit war wie im Flug vergangen, abgesehen von meiner
unsanften Landung im Zimmer.
Ich begann also, nun schon unter gewaltigen Zeitdruck, da ich den gesamten Tag verträumt hatte, mein Zusammentreffen mit Anka vorzubereiten.
Zähne putzen, duschen, rasieren, immer wieder auf die Uhr schauend, um ja nicht die Zeit zu verpassen.
Denn wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, oder die Getränke sind alle oder so ähnlich.
Ein wenig Düftelü hier, ein wenig Düftelü da.
Ich war fertig.
Bei Anka vor der Wohnungstür strömte ein Duft durch die Ritzen, welchen ich nicht einer mir bekannten Speise zuordnen konnte.
Es roch jedenfalls gut und mein Magen, der bestimmt mit meiner Nase auf irgendeine unerklärliche Weise verbunden war, machte sofort gewaltige Trampolin Sprünge, was wiederum sich in lauten Geräuschen äußerte.
Nicht durch diese Geräusche, sondern durch mein klingeln gerufen, öffnete Anka die Tür.
Sie sah noch bezaubernder aus, als mein Erinnerungsvermögen die
Erscheinung des Morgens nachvollziehen konnte.
Anka hatte ein cremefarbenes, kurzes Kostüm an und zum ersten mal sah ich, dass die großen Augen, der sinnliche Mund auch wunderschöne geradlinige Beine hatte, die von einer Naht den Strümpfen entlang nur noch mehr betont wurden.
Der kurze Rock ließ eine eingehende, wenn auch eine nicht abschließende Betrachtung zu.
Sie sah meine Blicke, genoss sie und ihr Gesicht wurde von einer Röte überzogen, was wiederum ihre Augen wieder in den Mittelpunkt stellten.
Dieses mal auch etwas unsicher, sagte sie zu mir, komm doch rein oder wollen wir uns im Treppenhaus häuslich niederlassen?
Nö, sagte ich, denn ich wollte ja den Ursachen dieses mir noch unbekannten Geruches auf den Grund gehen.
Ging also kurz entschlossen in ihre Wohnung. Was jetzt kam, war für mich überwältigend.
Sie hatte es geschafft in einer derartig kurzen Zeitspanne die
ehemals leere Wohnung in eine gemütliche Oase zu verwandeln.
Ich fühlte mich in dieser Atmosphäre sofort heimisch.
Um den Leser nicht mit einer Aufzählung der gesamten Einrichtung zu langweilen, verzichte ich weitgehend darauf.
Die Einrichtung ist eine gelungene Synthese von einem Studierzimmer und einen sehr gemütlichen Wohnzimmer.
Überall Bücher, viele CDs und Plakate an den Wänden, welche ihren christlichen Glauben zum Ausdruck bringen.
Ich stand also inmitten ihres Wohnzimmers und sah mich ungeniert um.
Setz dich doch bitte, sagte sie und eilte hektisch in die Küche.
Während ich mich auf das Sofa setzte, brachte sie Teller ins Wohnzimmer, entschwand wieder flink.
Dabei redete sie unaufhörlich.
Ich verstand nur, sie hätte uns Pizza gemacht.
Ah, daher dieser wirklich appetitanregende Geruch; und schon hatte ich ein riesiges Stück Pizza auf dem Teller.
Anka brachte eine Flasche Wein und den Korkenzieher.
Machst du bitte einmal auf, fragte sie und ohne eine Antwort ab zuwarten raste sie wieder los um die Gläser zu holen.
Ich wollte noch sagen, selbstverständlich mache ich die Flasche auf, aber sie war schon wieder außer Hörweite.
Es war ein guter Tropfen Wein, ein Chardonnay aus Kalifornien, trocken, fruchtig, behaglich wie die gesamte Atmosphäre bei Anka.
So, stoßen wir nun auf unsere erste Begegnung an, fragte Anka?
Gleichzeitig fingen wir an zu lachen, an die äußerst komische erste Begegnung denkend.
Die Spannung die erst über dem Raum lag, war wie weggefegt und eine lange Unterhaltung begann, die wann auch immer wir Zeit hatten fortgesetzt haben.
Wieder zu diesem Abend.
Anka erzählte mir von ihrem kleinen Dorf in Mecklenburg, wo sie geboren wurde.
Sie erzählte wie schwer sie es hatte, inmitten von sechs Kindern, wo sie mit ihrem Zwillingsbruder die jüngsten waren, aufwuchs.
Es war eine Erzählung über ein Leben, welches viele Ecken und Kanten hatte.
Eine Erzählung, die einer Lebensgliederung gleichkam, denn Anka erzählte mir immer nur Splitter ihres Lebens, oberflächlich aber beeindruckend.
Mehr davon würde sie mir später erzählen, an Abenden wie diesen.
Ich sagte ihr, dass ich mich ganz besonders darauf freue, was ich wirklich ja auch tat, denn Anka konnte erzählen und ich saugte jedes Wort von ihr, wie ein Staubsauger begierig auf.
Wollte kein Wort versäumen, denn jedes Detail ihres Lebens erschien mir von da ab sehr wichtig.
Die Zeit war verronnen, die Uhr zeigte dreiviertel Eins, Zeit um ins Bett zu gehen.

Ein toller Abend,
was will ich mehr.
Essen, Wein, Freunde,
ich brauch‘ es so sehr.
Stunden geredet, Musik pur und d u,
auf dem Boden gelegen,
ich hörte dir zu.
Reden am Abend, reden in der Nacht,
es hat mich dir viel näher gebracht.
Eine wahnsinnige Nähe und doch Distance,
darf ich dich bitten um noch einen Tanz?
Dem Tanz der Tänze,
allein nur mit dir.
Ein Leben auf der Überholspur,
nicht im irgendwo, sondern heute und hier.
Du bist gegangen, ich blieb allein zurück.
Spürte ein Druck zwischen Magen und Herz,
nenne es einfach nur Glück.

Von diesen wunderbaren Wein hatten wir beide zwei Flaschen getrunken.
Beachtlich, denn beim Reden vergeht die Zeit und der Wein lockert die Zunge, macht ein wenig hemmungsloser.
Ich jedenfalls war so hemmungslos, ihr beim Verabschieden an ihrer Wohnungstür einen Kuss auf ihre Wange zu drücken, den sie umgehend erwiderte.
Ich war glücklich einen derartig interessanten Menschen begegnet zu sein, vor allem einer Frau, die mein Herz höher schlagen ließ und ich mir ein Wiedersehen mit ihr unbedingt wünschte .

© Jürgen Rüstau