Mitternacht auf der Waldlichtung

Mitternacht auf der Waldlichtung

Die heiße Sonne dieses Augusttages war erst verblasst und letztendlich mit seiner großen Show, so einfach untergegangen. Die blaue Stunde war über uns herein gebrochen. Meine Augen gewöhnten sich ganz langsam an die Dämmerung.
Menschen, welche hier noch vor einigen Stunden unterwegs waren, verschwanden hinter den Mauern ihrer Häuser. Die Einsamkeit der bevorstehenden Nacht breitete sich, erst ganz langsam, dann mit seiner ganzen Macht, unausweichlich aus. Zwei Männer tauchten mit zwei dazugehörigen Freunden, sichtbar als Silhouetten am Waldrand auf. Wie zu einer Prozession schritten sie in einigen Hundert Metern Entfernung aufeinander, ruhigen Schrittes zu. Der Anblick dieser vier Gestalten, vor der Kulisse der Waldlichtung, war gespenstisch und sie kamen sich immer näher.
Diese Situation nahm wirklich gespenstische Ausmaße an. Ihre Gesichtszüge waren wie in Stein gemeißelt. Hier ging es in dieser Augustnacht um Alles. Ihre Augen ließen nicht Geringeres erkennen. Sie waren am Ende ihrer persönlichen Auseinandersetzung angekommen. Ihren Augen war jeder Glanz entwichenen. Dabei waren sie einmal sehr gute Freunde, kannten sich seit längst vergangenen Kindheitstagen. Sie hatten viel gemeinsam gelacht und auch gemeinsam viele verrückte Dinge unternommen. Sie waren in ihren Spielen Blutsbrüder und jeweils der Eine konnte sich ein Leben ohne dem Anderen nicht vorstellen.
Seine ganz eigenen Gedanken gingen in diesen tragisch erscheinenden Minuten noch einmal zu glücklicheren Tagen zurück, an Tage, wo sie einmal eine viel geschworene Einheit waren, an denen der Streit nicht über allem stand. Es war eine wunderschöne Zeit, ohne sich gegeneinander weh zu tun. Wie war es soweit gekommen, dass sie sich aus eiskalten Blicken unversöhnlich anschauten? Keiner dem Anderen auch nur ein Zugeständnis machen wollte, keiner auch nur einen Zentimeter nachgeben wollte. Nun gut, Beide hatten sich in die gleiche Frau verliebt. Magdalena war das gemeinsame Ziel ihrer Wünsche, ihres Begehrens. Sie würde jetzt bestimmt in ihrem Bett nichts ahnend friedlich schlummern. Magdalena war das Begehren der beiden Freunde zwar schon aufgefallen und sie hatte manchmal darüber gelächelt und sich nichts weiter dabei gedacht. Sie hat sich über so manche angenehmen Züge dieser galanten Werbungen gefreut und hätte nie gedacht das dies so ausufern würde. Es hat sich für alle, nicht beachtenswert, über gegenseitige Wortspiele per WhatApp unsichtbar für andere Beteiligte entwickelt. Aus kleinen unbedeutenden verbalen Anfeindungen hatten sich im Laufe der Zeit immer mehr durchaus feindliche Attacken in die freundschaftlichen Beziehungen der beiden Freunde eingeschlichen. Dabei hatten sie vor nicht allzu langer Zeit alles gemeinsam mit Magdalena unternommen. Es war eine unbeschwerte Zeit. Es wurde viel gelacht und sie schienen immer unzertrennlicher. An Liebe war zunächst in keiner Weise zu denken. Aus zufälligen Berührungen ist wohl in den Köpfen der beiden Freunde mehr geworden. Auch Magdalena spielte in einer ihr unbewussten Art mit Beiden. Sie dachte sich dabei nichts und würde dieses Spiel, ohne einer Bedeutung beizumessen, gern fort setzen. Es war halt ein Spiel unter den jugendlichen Spielerin und unbedarft. Magdalena hatte sich über die Folgen keinerlei Gedanken gemacht. Sie war halt wie immer. Aber bei den beiden Freunden hat sich dieses Begehren nach Magdalena immer weiter hoch geschaukelt und von ihnen Besitz ergriffen.
Sie hatten sich, von Magdalena unbemerkt, in eine ausweglose Situation begeben.
Jetzt standen sie sich auf dieser nächtlichen Waldlichtung in ihrem Angesicht unversöhnlich gegenüber. Ein Plan war in ihren Köpfen gereift. Nach der nun einsetzenden vollkommenen Dunkelheit breitete sich nun auch noch die Stille der Nacht aus. Das Zwitschern der Vögel war schon lange verstummt. Es war kühler geworden und der Atem der Freunde war nun auch sichtbar geworden. Als ein Kautz in die Stille der Nacht seinen Schrei schmetterte, lief Beiden ein Schauer über den Rücken. Erst jetzt wussten sie um die Sinnlosigkeit ihrer Unternehmung.
Aber ein Zurück gab es in dieser Situation nicht mehr. Sie wollten dies hier und heute beenden, komme es was wolle. Sie waren fest entschlossen. Wenn nötig sollte auch Blut fließen.
Und es kam das was kommen musste. Sie wollten sich um Magdalena, welche nichts ahnend in ihrem Bett lag, oder war sie vielleicht in die Diskothek gegangen, um sich zu amüsieren. Denn sie war jung und hatte für solche pubertären Spielchen keinerlei Lust. Vielleicht hat sie aber auch wirklich geschlafen und träumte von dem einen oder anderen Spaß mit den beiden Freunden. Aber wer weiß dies schon.
Sie standen sich auf dieser nächtlichen Waldlichtung unversöhnlich gegenüber um sich zu duellieren. Die Sekundanten stellten den Freunden die Frage nach der Waffe. An den Gegner des Herausforderer ging die Frage nach der Wahl der Waffe.
„Du hast die Wahl der Waffe für dieses Duell, welche Waffe wählst Du?“
Von diesem kam ein Wort welches die gesamte Situation auf den Kopf stellte:
„KREUTZWORTRÄTSEL, wir machen ein Kreuzworträtsel, und wer dieses löst, darf von Magdalena eine Entscheidung erwarten, wer und ob überhaupt einer von ihnen der Auserwählte von Magdalena werden durfte“.
Sie rätselten zwei Tage und zwei Nächte und hatten den Rätselsieger erkoren.
Nur Magdalena bekam nicht so viel davon mit, den in ihrem Übereifer im Werben um sie, hatten sie den dritten Bewerber übersehen.
Wenn sich zwei streiten gewinnt auch manchmal der dritte.
So ist es nun manchmal im Leben, wenn man mit sich selbst beschäftigt ist, sieht man manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht und auch nicht was im Wald so alles vorgeht.

© Jürgen Rüstau

„Mörderisches Taucha“ Lese Tipp

Jürgen Rüstau und Jürgen Ullrich

„Mörderisches Taucha”

Engelsdorfer Verlag ISBN 978-395744-587-2 Preis 9,90 Euro

Eine kleine Gesellschaft trifft sich an der Tauchaer Sparkasse regelmäßig zu den verschiedensten Stadtrundgängen. Geführt werden sie von Johann Gottfried Meißner, dem historischen Nachtwächter von Taucha. An diesem Tag ist eine Krimi-Tour angesagt, eine Reise in die kriminelle Vergangenheit Tauchas beginnt. Dazu hat sich eine Gruppe von unterschiedlichen Menschen zusammen gefunden, um die kriminellen Abgründe dieser Stadt zu erfahren. Dabei erleben sie so manches kleine Abenteuer und kommen sich zwischenmenschlich auch etwas näher. Für alle Freunde der Stadt Taucha und welche die es werden wollen ist dieses Büchlein eine nette Zeitreise durch diese verträumte Stadt.

Leseprobe:
Agatha schlug ihre Augen ganz langsam auf. Der Abschieds Abend mit ihren Kolleginnen hatte sie körperlich völlig geschafft. Die Herbstsonne drang durch ein kleines Löchlein im Vorhang und blinzelte ihr zu. Agatha blinzelte zurück, um kurz darauf ihre Augen noch einmal zu schließen und den letzten Abend Revue passieren zu lassen. Es war ihr letzter Arbeitstag gewesen, in einem zweiundvierzigjährigen Arbeitsleben als Krankenschwester in einem Krankenhaus an der Stadtgrenze von Leipzig. Sie hatte es geschafft, hatte den verhassten Dreischichtdienst die ganzen Jahre, zuletzt auf der Krebsstation ihres Krankenhauses, überstanden. Agatha konnte es noch gar nicht fassen, gestern war sie sechzig Jahre alt geworden und lag jetzt zum ersten Mal ganz entspannt in ihrem Bett. Sie wurde das erste Mal seit vielen Jahren nicht von ihrem Wecker aufgeschreckt, welcher ihr ständig die Melodie der Arbeit spielte – nein sie wurde von einem kleinen frechen Sonnenstrahl aus den Schlaf genommen, ein Sonnenstrahl der ihr sagen wollte, Agatha steh auf, ab heute bist du Seniorin und hast unendlich viel Zeit für dich ganz allein. Einen angetrauten Mann hatte sie schon längst nicht mehr. Der aufopferungsvolle Dreischichtdienst im Krankenhaus hatte ihren letzten Weggefährten schon vor sehr langer Zeit aus dem Haus getrieben und sie hatte es nicht einmal so richtig gemerkt.

Jeden Tag in das Krankenhaus, und in ihrer ohnehin schon knapp bemessenen Freizeit war sie auch noch ehrenamtlich als Telefonseelsorgerin in ihrem Verein tätig. Es war für Agatha ein Bedürfnis, für andere Menschen da zu sein, ihnen zu helfen, sich im Alltagsdickicht zu Recht zu finden. Nur ihrer eigenen Liebe konnte sie zu keinem Erfolg verhelfen. Nein, sie hatte es nicht einmal richtig wahrgenommen, dass Klaus eines schönen Tages für sie gar keine Zeit mehr und irgendwann eine andere Partnerin gefunden hatte. Sie nahm es erst wahr, als Klaus aus ihrem gemeinsamen Zuhause ausgezogen war. Da war es auch schon zu spät für Gespräche und Rechtfertigungen.

So blieb nur noch Peter, der kleine schwarze Kater.

Peter schmiegte sich dann immer, wenn sie irgendwann einmal nach Hause kam, fest an sie und genau in solchen Situationen vermisste Agatha ihren immer nörgelnden Klaus überhaupt nicht. Sie genoss dann überschwänglich die Zeit mit ihrem Kater Peter.

„Peterle, ach Peterle, du bist doch der beste Mann in meinem Haus“, pflegte sie dann immer zu sagen und Peterle schnurrte vor Vergnügen.

Agatha streckte sich jetzt in ihrem Bett, ließ ihre Gelenke knacken und streckte dann ganz vorsichtig ihren linken Fuß aus dem Bett, kreiste mit ihren Zehen durch den üppigen Bettvorleger, ehe sie dann, genauso vorsichtig mit ihrem rechten Bein den Boden berührte. Ihre knorrigen, weißen Füße stellten eindrucksvoll einen Kontrast auf dem roten Bettvorleger dar. Sie schüttelte kurz den Kopf, stellte fest, dass in ihm nichts klapperte und klopfte. Der Wein am gestrigen Abend hatte also keine Folgeschäden hinterlassen. Diese Erkenntnis zauberte ein Lächeln in Agathas Gesicht und mit einem Ruck beförderte sie sich in die Senkrechte. Auch das gelang ihr ganz gut. Sie stand auf ihren beiden Beinen und momentan so richtig im Leben. In diesen Moment stand sie aber noch mitten in ihrem Schlafzimmer in altersgerechter Unterwäsche und einem ihr viel zu großen T-Shirt. Ja, ja, die Zeit der Strings ist nun endgültig vorbei. Wenigstens, stellte Agatha fest, ausgezogen hatte sie sich und das auch noch selbst. Bei den Gedanken kicherte sie laut vor sich hin und ebenso laut sagte sie: „Ist ja auch gar keiner da, welcher das für mich hätte übernehmen können. Eigentlich schade.“ Aber das sollte sich in ihrem neuen Leben auch, wie noch viele andere Dinge, ändern. Vor dem Spiegel ihren Körper betrachtend, dachte sie sich: „Warum eigentlich keine Strings mehr? , die kann ich mir schließlich noch leisten.“ Diesen Vergleich brauchte sie nicht zu scheuen, und sie dachte an ihre etwas füllige, gleichaltrige Nachbarin Petra und kicherte in sich rein.

Barfuß kraxelte Agatha zum Fenster, zog entschlossen die Vorhänge auf und die Oktobersonne wallte in voller Kraft in ihr Schlafzimmer und überzog ihr genügsames Heim mit einem strahlenden, güldenen Schein. Dies alles kam für sie mit so einer Wucht, dass sie erst einmal einen Schritt zurück wich. Als sie zum Kirchturm der Tauchaer St. Moritz Kirche hinaufblickte, blinzelte sie noch ein wenig mehr als zuvor im Bett. Sie ließ den Blick aus ihrem Fenster schweifen, sah ein wunderschönes altes Eckhaus in einem nicht so tollen baulichen Zustand, welches bestimmt viel zu erzählen hatte. Ihre Nachbarin Petra hatte ihr vor ein paar Tagen etwas darüber erzählt:

„Dieses Haus war Anfang 1900 im Auftrag des Ziegeleibesitzers Albin Seidemann in sehr kurzer Zeit errichtet. Im Volksmund wurde es Seidemann-Haus genannt. Von 1900 bis 1913 hatte er es an die Stadtverwaltung Taucha als Rathaus vermietet. Später wurde es dann zum Wohnhaus umgebaut“.

„Also, im Prinzip wohne ich gegenüber vom Rathaus und das hatte früher doch am Markt gestanden“, dachte sich Agatha. Sie blickte nach rechts und bemerkte sofort den Stilbruch. In einer Art rotem Container bot ein Händler Döner und andere ihr nicht so vertraute Speisen an und zerstörte mit dieser „Immobilie“ den Blick auf die sehr alte Tauchaer Kirche. Dieses Teil passte einfach nicht dorthin, aber außer ihr störte sich wahrscheinlich kein anderer an diesem Blick. „Furchtbar und doch so real“, dachte sie.

Das kleine Parthestädtchen strahlte an diesen Morgen eine Ruhe aus, die sie selten so genossen hatte. Sie musste nie wieder in ihr Krankenhaus. Vor allem konnte sie sich auch nicht vorstellen, noch weitere fünf Jahre dort zu arbeiten. Sie hatte jetzt unendlich viel Zeit. Agatha war fest entschlossen ihr Leben zu ändern. Was wusste sie schon von Taucha? Hier hatte sie eh nur geschlafen, hin und wieder ein wenig fern gesehen, um sich dann auch schon wieder auf den Weg zur Arbeit zu machen. Arbeiten, arbeiten, immer wieder arbeiten war zu ihrem Lebenselixier geworden, hatte sie ständig und immer wieder angetrieben, unfähig sich zu erinnern, dass es noch andere Dinge in ihrem Leben geben könnte. Ab jetzt war sie nun „Seniorin“ und genau das wollte sie auch mit ganzen Herzen sein.

Es war Samstag früh, es war Oktober, sie war Sechzig und das Abenteuer Leben sollte für Agatha genau an diesem Tag beginnen. Sie hatte in der Zeitung gelesen, am Abend würde in Taucha ein Nachtwächterrundgang stattfinden, eine Kriminaltour durch ihre Heimatstadt.

Nachtwächtertour

15.Oktober

Treff: 18 Uhr

Sparkasse Taucha

Dauer: ca. 3,5 Stunden

“Tauchas absonderliche Kriminalfälle”

“Sie meinten bisher, in Taucha passiert nichts? Irrtum! Der Nachtwächter führt Sie auf dieser spannenden Tour zu ehemaligen Tatorten, an denen in den letzten sechs Jahrhunderten Kriminalfälle passierten, die den Ermittlern so manches Rätsel aufgaben. Nehmen Sie mit Johann Christoph Meißner die Spuren der Vergangenheit wieder auf und staunen Sie über so manche abrupte Lösung…”

Hier wollte sie nun alles nachholen, was durch Arbeit in den Hintergrund gerückt war. Agatha war wissbegierig und sie wollte auch staunen, genauso wie es in der Zeitung stand. Sie wollte die helle und die dunkle Vergangenheit ihrer doch so unbekannten Wohnstätte ergründen. Heute stand die Dunkle auf der Tagesordnung, und Agatha wusste in diesem Moment noch nicht, dass diese Tour ihr ganzes Leben verändern würde.

Noch gestern dachte sie: „Mörder, Diebe, Ehebrecher und das in Taucha, das gibt es doch gar nicht.“ Die Menschen waren nett, und wenn sie doch einmal Mittwoch auf den Markt ging, um frische Blumen für ihre kleine zauberhafte Wohnung zu kaufen, grüßten sie alle sehr freundlich, standen in kleinen Gruppen und tuschelten. „Nein, hier gibt es doch keine Mörder und Diebe, und Spießertum ist ja nun auch kein Verbrechen.“ Noch gehörte Agatha nicht so richtig zu ihnen. Obwohl sie schon viele Jahre in Taucha wohnte, angekommen war sie hier noch nicht. Sie sah sich allerdings schon mitten unter diesen Menschen. Sie wollte dazugehören, sich an den Gesprächen beteiligen und viel über diesen Ort erfahren, einen Ort, welcher sie immer mehr in seinen Bann zog. Im Buchladen, welcher hinter den Arkaden unterhalb ihrer Wohnung zu finden war, konnte Agatha einige Büchlein über Taucha erwerben und wurde in ihnen fündig. Sie konnte ihr Wissen über dieses bezaubernde Städtchen an der Parthe erweitern.

So zum Beispiel, dass Taucha erstmals im Jahre 974 urkundlich erwähnt wurde, dass in den Jahren 1349 und 1680 viele Menschen durch die Pest starben und auch dass mehrere Großbrände die Stadt zerstörten. Das Städtchen Taucha lag auf einer Höhe von 128 Meter über dem Meeresspiegel, hatte mit seinen neun Ortsteilen etwas über 14500 Einwohner zum jetzigen Zeitpunkt. Am 22. Januar 1851 wurde in der Schloßstraße 2 in der Wohnung des Herrn Breitenborn das erste „Expeditionslocal der Sparcasse der Stadt Taucha“ eröffnet.

Da war es wieder, das was sie schon seit Tagen beschäftigte – Sparkasse Taucha, hier war heute Abend der Startpunkt für den Nachtwächterrundgang, auf welchen sie sich schon wie ein kleines Kind freute. Heute ist die Sparkasse in der Leipziger Straße untergebracht und genau dorthin machte Agatha sich nun auf den Weg.

Wanderung durchs Parthe Land


Unsere Gartenkantine meiner Tante Else


Wanderung mit meinen Eltern entlang der Parthe von Leipzig nach Taucha


Der Schrebergarten meines Vaters in Schönefeld


Gasthof Abnauendorf


Gasthof Alt Mockau


Hier stand früher der Gasthof Thekla

Versteckt der Freisitz in Thekla

Gasthof in Plausig

Fußweg von Plausig nach Seegeritz


Gasthof Seegeritz

Gasthof zur Linde in Taucha

Das Schützenhaus in Taucha, heute steht dort die Grundschule

Wenn man so klein ist, sieben, acht Jahre alt, erscheint einen die Welt so riesig groß.
Der kleine Rodelberg im Mariannenpark in Schönefeld war für mich ein richtig großer Berg mit einer „Todesabfahrt“ für meinen Schlitten. Kurz vor dem Park stand ein Holzbüdchen mit allerlei Leckereien und da gab es auch die viel gerühmte rote Fassbrause, „Leninschweiß“ genannt.. Ein Kindheitstraum, den ich richtig anfassen und genießen konnte. In diesem Park habe ich einen großen Teil meiner Kindheit verbracht und sah an manchen Tagen danach richtig abstoßend aus, sagte jedenfalls meine Mutter, vor einer gründlichen Reinigung. Wasser und Seife brachte dann mein normales Antlitz wieder an den Tag. Wir waren Kinder und sehr unbeschwert. Ich war auch mal beim Spielen im hinteren Teil des Marianne Parks in die Parthe gefallen und das war damals nicht lustig, denn das Flüsslein stank und es schwammen undefinierbare Schaum Kronen darauf. Mein unfreiwilliges Bad war einfach ekelig. Die Kindheit ist eben kein Ponyhof. Also wie gesagt, der Mariannenpark war für mich das größte Abenteuer dieser Kinderzeit.
Außer an bestimmten Sonntagen, an denen ich mich mit meinem Vater auf „große Weltreise“ begab. Die Parthe Dörfer waren für mich die große Welt, die ich unbedingt erkunden wollte
In einem Gedicht von mir heißt es, „…als Kind zog es mich mit meinem Vater magisch hin in diese Stadt…“. Gemeint ist meine jetzige Heimatstadt Taucha.

Als Kind zog es mich mit meinem Vater,
magisch hin in diese Stadt.
Eine Stadt, die einen gewissen Charme zu bieten hat.
Ich ging durch die Straßen,
ging durch die Gassen.
Träumend konnte ich hier meine Gedanken spielen lassen.
Die Kindheit vergangen,
die Träume wie Seifenblasen zerplatzt.
Das Leben, ist so schnell wie die Parthe geflossen.
Niemand hat am Flair von Taucha gekratzt.
Vieles hat sich verändert in der vergangenen Zeit.
Die Parthe ist wieder sauber,
für Fische bereit.
Die Häuser sind viel heller.
Das Leben wurde hektischer und schneller.
Den Tauchschen gibt es wieder,
für alle ein Glück.
Tradition und Geschichte kehrt in die alten Mauern zurück.
Durch die Straßen und Gassen,
der Festumzug sich windet.
Eine lebendige Tradition, welche Menschen verbindet.
Ich bin wieder hier in dieser Stadt,
blieb ihr verbunden.
Hab ein Stück Heimat wieder gefunden.

Der Weg dahin wäre einfach mit der Straßenbahn Linie 3 zu erreichen. Aber so einfach ging unser Sonntagsausflug in den 50er Jahren nicht über die Bühne. Es wurde gewandert. Halt, bis Endstelle Schönefeld wurde gefahren. Von dort ging es von der Parthe weg, zu Fuß in Richtung Friedrichshafener Straße zur ersten Station auf der Wanderung durch die Parthe Dörfer in die Gaststätte „Nordstern“. Mein Vater hatte dort einen Garten und meine Tante bewirtschaftete die Gartenkantine „Nordstern“. Ab hier wiederholte sich an jeder Station das gleiche Ritual. Mein Vater bekam ein Bier und ich eine Fassbrause. Ich glaube sie war auch rot und schmeckte höllisch gut. Leider gibt es diese Gaststätte und meine Tante auch schon lange nicht mehr. Die Gaststätte ist kurz nach der Wende abgebrannt und meine Tante hatte schon lange davor das Zeitliche gesegnet. Ich hatte sie gemocht und nicht nur wegen der leckeren Fassbrause. Als ich älter war, rückte ich des Öfteren mit meinen Kumpeln dort ein und ich schwöre, wir hatten keine Fassbrause getrunken. Aber zurück in die fünfziger Jahre.
Lange hatten wir uns nicht aufgehalten, auch wenn uns meine Tante gern zum Mittagstisch hier behalten wollte. Aber einerseits war es noch zu zeitig und anderseits hatten wir noch eine schöne Strecke vor uns. Also machten wir uns mit unseren eigenen Füßen wieder auf den Weg. Es ging quer durch den Kleingartenverein in Richtung Siedlung Mockau. Die schmucken kleinen Siedlungshäuser wurden in den 30er Jahren erbaut. In der Mitte der Siedlung ging rechts ein Weg ab und plötzlich fühlte man sich nicht mehr wie in einer Großstadt. Ein Feldweg tat sich auf und führte uns schnurstracks in den Abnaundorfer Park, mit einem kleinen Teich in dessen Mitte war eine Insel angelegt wurden und darauf stand ein weißer Pavillon, in ihm ein Gedenkstein.
Der Abtnaundorfer Park mit seiner Fläche von 15,8 Hektar wurde zwischen 1752 und 1755 durch Dr. Traugott Thomasius als Ritterguts Park angelegt. Ab 1789 gelangte das Rittergut in den Besitz der Familie Frege, die 1800 eine Erweiterung des etwa fünfzig Jahre alten Parks im Stil eines sentimentalen Landschaftsgartens ausführen ließ. Es sind noch einige Elemente der ursprünglichen Parkgestaltung erhalten, wie beispielsweise der Teich mit Insel und Tempel, ein Säulenstumpf am Teich, ein Gedenkstein im Wald, eine Bogenbrücke über die Parthe und die Kastanienallee, deren Endpunkt, das Mausoleum der Familie Frege, nach 1945 zerstört wurde. Das dunkle Laub der Kastanienallee sollte den Weg des Todes symbolisieren.
Es fällt mir ein, dass ich vor 15 Jahren auch einmal diese Tour, vom Hauptbahnhof, der Parthe entlang bis in den Abtnaundorfer Park, weiter nach Taucha, gemacht habe. Ich war Mitglied in der Arbeitsgruppe Partheland. Wir waren unterwegs mit Vertretern der Stadt Leipzig, den Bürgermeistern der Städte Taucha und Borsdorf, Künstlern, Landschaftsarchitekten und Vertretern gesellschaftlicher Organisationen. Am Teich im Park wurden für uns ein Picknick und eine Pause und gute Gespräche organisiert. Von dort ging es dann weiter bis Borsdorf.
Mein Vater und ich, wir machten hier kein Picknick, sondern unser Weg führte durch den schönen Park in das Dörfchen Abtnauendorf. Dort befand sich einer meiner Liebling Gasthöfe. Ich war wirklich sehr gern dort. Kühl war es im Gastraum hinter seinen dicken Mauern. Es roch wahnsinnig gut nach einer Kneipe mit dem Duft von Himbeerlimonade, Bier und Gemütlichkeit.
Auch der Freisitz, mit Schatten spendenden Linden machte den Weg dorthin schon so etwas von wertig. Wir waren eben auf dem Dorf und die Zeit schien still zu stehen. Ich fühlte mich entschleunigt, würde ich heute sagen.
Leider ist der Gasthof nicht mehr in Betrieb, aber er steht noch zerfallen an gleicher Stelle, sozusagen als Erinnerungsort. Meine Tagträume brachten alles wieder an den Tag. Schön!
Heute erscheint der Bau in seinem Bestand gefährdet. Er steht seit geraumer Zeit leer, und ein neues Nutzungskonzept ist bislang nicht gefunden. Nichts erinnert mehr daran, dass der Gasthof um 1880 „ein sehr besuchter Belustigungsort der Bier und Kuchen liebenden Leipziger, die namentlich an Sonntagen scharenweise durch die grünen Parthenwiesen nach dem freundlichen Abtnaundorf pilgern, um dort im großen wohl gepflegten Garten des Wirtshauses sich von den Mühen und Sorgen des geschäftlichen Lebens zu erholen“, gewesen war, und dass hier zeitweise an Sonntagen bis zu vierzig Kellner beschäftigt waren. Ungeachtet seines Zustandes handelt es sich bei dem Gasthof aufgrund seiner Größe, seiner Bauweise und der charakteristischen, hier einzig noch überlieferten Kultur um das wichtigste Gebäude, das die alte Dorfstruktur noch dokumentiert. Die Potentiale für eine erneute gastronomische Nutzung sind zweifelsohne vorhanden, wenn infolge der derzeit laufenden Sanierung mehrerer Villen und der zunehmenden Frequentierung des Parthe Land als Naherholungsgebiet die Attraktivität Abtnaundorf wieder neu entdeckt wird. Das markanteste und heute älteste Gebäude der alten Ortslage ist der Gasthof, ein zweigeschossiger Fachwerkbau mit Ziegel gemauerten Erdgeschoß. In dem steilen Zuschnitt des straßenseitigen Krüppelwalmgiebels entspricht das Gebäude in seiner Kubatur dem späteren Mayerschen Landhaus, auf dessen Nachbar Parzelle es steht. In Analogie zu diesem 1801 bereits bestehenden Bau wie aufgrund der Fledermausgauben im Dachbereich kann das Gasthofgebäude ebenfalls noch dem 18. Jahrhundert zugewiesen werden. Die vor nicht allzu langer Zeit entdeckte Jahreszahl 1772 in einem Holzbalken könnte durchaus auf die Entstehungszeit des Gebäudes bezogen werden.

Unser Weg führte uns weiter durch das Dörfchen, am Schloss vorbei, in Richtung des Leipziger Stadtteil Mockau. Große Erinnerung habe ich an den Gasthof Mockau nicht mehr. Ich weiß nur, wir waren dort. Wieder die üblichen Getränke, kurze Rast und weiter ging es in Richtung Thekla. Der Gasthof Thekla lag an der Straße, welche direkt nach Taucha führte. Der Gasthof selbst lag direkt am Straßenrand, hatte einen wunderschönen Biergarten. Hoch darüber thronte die Theklaer Kirche. Leider wurde sie Opfer eines Brandanschlags. Der Täter wollte sich seiner Verantwortung entziehen und flüchtete in den Westen. Aber die Tat holte ihn ein und er wurde dort zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt.
Er hatte halt die sprichwörtliche Rechnung mit dem Wirt nicht gemacht.
„1959 brannte die Kirche infolge von Brandstiftung bis auf die Umfassungsmauern nieder. Dabei wurde die gesamte Einrichtung, der Flügelaltar von 1510, die Kanzel von 1680, der alte Taufstein, die Orgel und die Glocken zerstört.
Am 7. Oktober 1962 wurde die von dem Architekten und Baurat Fritz Ziel und der Innenarchitektin Lilo Häring neu aufgebaute Kirche geweiht. Leider hielt der Wirt vom Gasthof Thekla auch nicht durch“.
Der Gasthof war lange geschlossen und wurde schließlich gänzlich abgerissen.
Schade. In den meisten Dörfern unserer Region fehlen eben die gesellschaftlich wichtigen drei großen K, also Kneipe, Kirche und Konsum. Mit ihnen verließ meisten das Leben diese Dörfer.
Die Parthe Dörfer verlieren damit auch ein Stück ihrer Identität. Es ist einfach wunderbar durch diese Landschaft, an der Parthe entlang zu wandern, früher wie auch heute. Heute allerdings ohne die kindlichen Emotionen. Mit Fassbrause kann mich da keiner mehr locken. Ich habe gemerkt, es gibt auch andere Getränke auf die ich mich freuen könnte. Ein kleiner Tipp für die heutige Zeit ist, wenn man die Straße nach Taucha in Höhe dem ehemaligen Gasthof nach links in die Cleudener Straße verlässt, führt im Straßen Knick eine kleine Brücke über die Parthe und es erschließt sich für uns ein herrlicher Sommergarten. Er wird von zwei älteren Damen betrieben. Es gibt gut gekühlte Getränke, es wird gegrillt und für die Kinder springen echte Dorf Tiere auf den Wiesen herum. Echt familienfreundlich, eine ruhige Oase für die heutige Parthe Wanderung.
Über die Wiesen führt der Weg in Richtung Plaußig. Gemütlich über die Parthenaue gewandert, erreicht man die Neubausiedlung von Plaußig. Den Ortskern erreicht man in cirka weiteren 3 km.
Damals, wie auch heute ist der Gasthof Plaußig ein Tipp wert hier ein zukehren. Lange Zeit war er geschlossen aber heute kann man hier wieder lecker essen. Ein Stück vom Gasthof entfernt befindet sich die Verwaltung vom Zweckverband Parthe, die für Fluss und Ufer unserer Parthe verantwortlich sind. Hier kann man sich auch hervorragend über Landschaft, Flora und Fauna informieren. Am Dorfteich in Plaußig führt rechts ein Weg Richtung Seegeritz. Den nahmen wir. Es Weg führt durch Felder und Wiesen, entlang am Waldrand und Parthe und endet an der Parthebrücke in Seegeritz. Wir bogen links ab und erreichen den Gasthof „Idyll“. Früher ein guter Gasthof auf der Parthe Route, führte in den letzten Jahren nun nicht gerade eine idyllische Zeit und ist jetzt gänzlich geschlossen. Also dieses Mal auch keine Rast. Mit meinem Vater war ich vor knapp sechzig Jahren in diesem Gasthof und hatte eigentlich eine gute Erinnerung. Es gab ein zünftiges Mittagessen, Bier für Vater und Fassbrause für mich.
Lecker.
Gegenüber vom „Idyll“ geht ein Weg am Dorfteich, welcher heute mehr einer Wiese gleicht, wieder an Wiesen und Feldern vorbei und wir erreichen nach einem kurzen Weg Staditzwald und Staditz Teich.
Der See jammert zwar den Hund und hat eine schlechte Wasserqualität. Früher war dieser kleine See besser in Schuss aber dafür waren unsere Flüsse, wie auch die Parthe in einem sehr schlechten Zustand. Erfreulicherweise ist die Parthe heute wieder sauber. In Richtung Cradefeld kommen wir heute an einem Flächennaturdenkmal „Steinerts Berg“ vorbei. Früher konnte man hoch laufen und hatte eine sehr gute Aussicht auf Taucha und die vorgelagerten Dörfer. Landwirtschaft prägt diese Landschaft vor Cradefeld. Im Dorf erreichten wir damals den Gasthof „Zur Linde“ an die ich mich sehr gut erinnern kann. Was mir bleibt ist allerdings nur die Erinnerung.
Der schöne Dorfgasthof ist heute leider dauerhaft geschlossen. Dem jetzigen Besitzer ist es leider nicht gelungen, trotz heldenhaften Bemühungen, dem Gasthof erneut Leben einzuhauchen. Wenn man heute eine Rast einlegen möchte, empfehle ich den Freisitz im Gutshof Graßdorf.
An der Parthe Brücke nehmen wir den Weg an der Parthe entlang, unterqueren die Bahnlinie und laufen Richtung Taucha weiter. Ein kleines Stück weiter führt der Weg unter der Bundesstraße 87 in Richtung Stadtmitte. Wir laufen direkt auf das Rathaus zu und erreichen die Neustadt, was eigentlich die Altstadt von Taucha ist. Wir nahmen den Weg über die Schloss Straße und erreichen die Leipziger Straße. Einstmals pulsierte hier das Leben. Die Ortsumgehung, die heutige B 87 gab es damals noch nicht, denn sie wurde erst 1966 in Betrieb genommen. Der gesamte Fernverkehr ging damals in beiden Richtungen durch die Leipziger-und Eilenburger Straße, was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann.
Jedes Haus in der Leipziger Straße beheimatete ein Geschäft. Das Leben pulsierte in dieser Straße. Die schmalen Fußwege waren mit vielen Menschen gefüllt, ebenso auch die Geschäfte. Unser Ziel war dann damals meistens die Gaststätte „Schützen Haus„ , auf der Festwiese in Taucha. Dieser Gaststätte wurden abgerissen. Der Eingang Bereich der neuen Schule wurde originalgetreu dem Schützenhaus nachempfunden und in die heutige „Grundschule Am Park“ integriert. Im damaligen Schützenhaus gab es zum Abschluss noch Kaffee, Brause und Kuchen. Zum Schluss führte der Weg am Freibad, Park und Parthe entlang und wir erreichten die Sparkasse Taucha. Hier verabschiedeten wir uns endgültig von der Parthe und es ging zur Heimfahrt mit der Straßenbahn zur Endstelle in Taucha. Dort stand ein Holz Imbiss, an dem ich mir noch ein Eis aussuchen durfte. Ein wunderschöner Kindertag ging zu Ende.
Spannend war es und ist es unsere schöne Heimat zu durchwandern. Ich empfehle dies auf jedem Fall, auch wenn heute manches anders ist, unsere Heimat ist aber immer noch sehr schön!
Nachträgliche Anmerkung: Als ich am vergangenen Sonntag zur Foto Tour unterwegs war, stellte ich fest, dass die Gaststätte „Nordstern“ wieder geöffnet hatte. Tradition bleibt erhalten. Da ich damals mit meinem Vater des Öfteren unterwegs war, besuchten wir natürlich auch noch andere Gaststätten an der Strecke, wie Merkwitz, Hohenhaida oder auch in Taucha gab es viele Möglichkeiten. Im zweiten Teil meiner Betrachtungen zur Parthe Wanderung wird es nicht um die Gasthöfe gehen, obwohl es noch viel darüber zu sagen gäbe, vielleicht später noch mal ausführlicher.
Aber zu betrachtend wert wären die anderen schönen Dinge welche sich in der Nähe der Parthe befanden und befinden, wie die Parthe Mühlen, die Schlösser und Herrenhäuser, die Parkanlagen und Naturdenkmäler und vieles anderes. Seid gespannt .

Laufwege:
Gesamtstrecke: 16,7 Kilometer

© Jürgen Rüstau

Unter etwaigen und wahnsinnigen Umständen – Neben der Zeit

Eine phantastische Reise mit mir, zu mir selbst“

1.Die Vorbereitung

Wenn einer eine Reise macht, dann hat er viel zu erzählen. Oder auch nicht. Wie war das denn nun mit meinen eigenen Erlebnissen zu mir selbst? Auch da hat man zu erzählen.

Nur nicht so intensiv, .

Oder?

Ich bin nun einmal ein Träumer und ein Geschichtenerzähler, aber ich würde mich doch niemals selbst belügen, höchstens nur ein ganz klein wenig. Einverstanden? Ihr glaubt mir doch?

Das müsst ihr mir einfach mal glauben, dazu benötige ich euren Vertrauensvorschuss.

Einer meiner Lieblingsdichter, der große Honore de Balzac, hat schon immer in mir den Traum erfasst, seine letzte Ruhestätte zu besuchen und vielleicht noch etwas mehr in seinem Paris zu erleben

Ich wollte in Erfahrung bringen, zeigen sich da etwaige Parallelen zu meinem eigenen Leben.

Die 70 habe ich erreicht – ich brauche dieses Erlebnis und dürste danach, obwohl ich nicht auf grelle und bunte Jogginganzüge stehe! Ich begebe mich also auf die Reise, um eine neue Erfahrung zu machen. Gibt es da vielleicht kleine Parallelen? Man wird sehen, obwohl ich nicht auf Jogginganzüge stehe. Ich bin da jetzt außen ganz vor.

Man kann zu und vor seiner Zeit, in seine Zeit und auch nach neben seiner Zeit, reisen. Kommt auf den Versuch an. Also begab ich mich auf eine Reise neben meiner Zeit!

Erlebnis in ersterer Form und einfach wunderschön!

Neben der Zeit

Manchmal stehe ich vor Dingen,

welche ich schon mal gesehen

Tagträume in Erinnerungen schwingen

Leben im Voraus geschehen.

Manchmal komme ich zu Orten,

nie dort gewesen, doch erlebt.

Erinnereungen in den schönsten Worten,

ein Herz welches zeitlos schwebt.

Manchmal stehe ich im Leben,

irgendwo in einer anderen Zeit,

Glücksmomente zu erstreben,

Leben ohne Trist und Einsamkeit.

Manchmal geht dann meine Reise

in ein nicht gekanntes Land der Träume.

Planlos führen meine Lebensgleise,

berühren von der Zeit vergessene Räume.

Manchmal möchte ich einfach bleiben

auf den Spuren neben meiner Zeit,

mich an deiner Seele reiben,

zeitlos in Unendlichkeit.

Geht es Euch eigentlich ähnlich? Habt Ihr solche Situationen auch schon durchlebt? Wer viel Phantasie hst, der hat doch mehr vom Leben, steht völlig über den Dingen.

Ich war zu Besuch bei meinen Kindern in Bremen, hatte nicht so viele Kleidung mit genommen und sage doch zu meiner Schwiegertochter: „Meine Kleidung ist irgendwie alles verschmutzt und ich besitze in Bremen nur noch einen Set saubere „Anziehsachen“ und ich habe da letztens in Paris einen Jogginganzug gesehen, der mich begeistert hatte. So richtig grell und bunt. Gesagt, getan. Ich, wegen eines solchen „Kleidungsstückes“ auf dem Weg nach Paris.Das war dann die Quelle allen Übels. Nur muss ich dazu sagen: Ich trage zur allergrößten Not einmal eine solche Hose, solcher Kleidung innerhalb meiner eigenen vier Wände. Keinen Meter außerhalb meiner Wohnung.

Geht gar nicht. Da halte ich es lieber mit den Worten des großen Carl Lagerfeld. Wer Joggingsachen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben völlig verloren. Recht hatte er, der große Carl.

Also, kann ich dies doch nur geträumt habe! Denn so etwas derartig hässliches kann es nicht real geben und schon gar nicht in „meinem modischen Paris“.

Jürg aufwachen! Hier wird etwas sehr, sehr peinlich, ich glaube auch , für meine Schwiegertochter, für mich und natürlich für uns Beide!

Also Paris, Wir kommen!, aber gerade haben sich die Fahrtgründe geändert.!

Dies sollte ein Fahrt werden, die ihres gleichen sucht. In der Kürze wie auch in der Intensität.

Ich wollte mit meinem besten und engsten Freund Ibot, wie wir es uns schon seit der Oberstufe vorgenommen hatten. Wir also auf zu unserm Wunschziel, nach Paris, unseren Faden einfach weiter gesponnen, hatten einen Schlachtplan aufgearbeitet. Lebensläufe gewälzt und Fremdenführer studiert. Vorbereitet wie die kleinen Götter, ich bin Jürg und mein Intimus Ibotist mit an Bord.

Wir waren wie aufgezogene Kinder auf den Weg die Welt zu erkunden, ausgelassen schmetterten wir eine Operettenmelodie, so wie ich es doch schon so oft mit der großen Mira getan habe, eine nach der anderen. Lauthals und ohne tieferen Sinn, wie„Ja , das Studium der Weiber ist schwer…“ Aber irgendwann war dann der Kopf leer und Experten waren wir gleich gar nicht. Und äußerst Dabei hatten wir die Grenze nach Belgien längst überschritten. Waren bei bester Laune und kamen immer mehr in die richtige Stimmung. Hervorragend . Die Zeit verging im Sauseschritt, also ich, so schnell wie ich kann Schnell die überall hell erleuchtete Autobahn durch fahren. Die französische Grenze in Sicht.

Die Fahrzeit ging auf die neun Stunden zu und unsere Stimmung war perfekt und wir mussten uns erst wieder an unseren Anlass erinnern. Verdun kam in Sichtweite.

Einfach schön und äußerst geschichtsträchtig. Der Geschichtsunterricht lief in Endlosschleife an mir vorbei und wir testeten uns gegenseitig mit historischen Daten!

Wir waren gut!

Aber noch lange nicht so gut wie das Original und dem kamen wir immer näher, sozusagen zum Anfassen nah.

Der Hunger plagte uns nun schon langsam und es fühlte sich an wie kräftige Schläge in die Magengrube.

An der Casa Roma vorbei und der Eiffelturm waren schon in Sichtweise. Es wurde langsam so richtig interessant.

Am Parkplatz „de la Rapete“ stellten wir unser Auto ab. Natürlich standesbewusst hatten wir einen Franzosen. Am besten einen total zerbeulten, denn er würde es in Paris nicht anders bleiben. Ein- und ausparken mit der gezückten Stoßstange. Jeder sieht so aus, man fällt nicht auf. Ein Auto ist nicht wie in Deutschland ein Statussymbol, es ist zum gebrauchen da, und dazu gehört die Stange zum Stoßen und die wird überall eingesetzt. Sonst hat man mit Parken in Paris keine Chance.

2. Frühstück und eine Menge mehr im „Café fein Ost“ – Ich und Paris, eine göttliche Komödie

Wo gibt es nun das beste Frühstück in Paris? Von Freunden habe ich gehört, ganz ausgezeichnet speist man und auch Frau im „Café fein Ost“. Ja, lecker, sehr lecker! So kann man alle Mahlzeiten genießen, denn geöffnet ist bis 1.30 Uhr. Leckere Sandwich aller Sorten bestimmen das große Angebot.

HUNGER!!

Alles was ich in den Auslagen gesehen habe sieht sehr verlockend und lecker aus und hat ein perfektes Abonnement für die eigene Figur und zwar bis nachts die kleinen Männlein im Schlaf erscheinen und die Näthe an unseren Sachen viel enger machten und man sozusagen aus allen Näthen platzt.

Davor, auf der Straße Platz zu nehmen, entspannen und ohne Ende schlemmen.Vergesswen sind die kleinen bösen und hinterlistigen Männlein aus dem Schlaf. Jetzt geht es hier so richtig zur Sache.

Nach der langen Fahrt tat das sehr gut. Indem ich meine Füße ganz lang ausstreckte, „spielte ich eine Runde, Pariser“ fallen lassen!

Ich habe mich aber bei den Gefallenen entschuldigt, weiß nur nicht ob er es auch wirklich verstanden hat.

Also zum Frühstück selbst. Ich zähle mal auf, aber die Reihenfolge kann ich nicht wirklich garantieren. Zuerst einen und noch einen wunderbaren Milchcafé und einem Sanwich. Weiter gings es mit einem „Langen Pierre“, das ist ein langes Brot mit Schinken und drei Spiegeleiern mit Salat, eine Suggestion French Onion Soup, Tadin Tart.

Und nun zum süßen Teil: Vanilla Creme Brülee und andere süße Leckereien und zum Abschluss ganz traditionell ein Quiche. Dabei festgestellt, Pais ist lecker und verführerrich.

So, dass sollte erst einmal reichen.

Ich glaube, ich hatte eine extreme Magenerweiterung und diese brauchte noch zwei Milchcafé und eine längere Ruhepause in den Anlagen vor dem Louvre.

Eigentlich ging nix mehr aber wir hatten noch drei bis vier Tagesziele denn Ibot wollte noch weiter über den Kanal nach Britannien. Für alle weiteren Dinge hatte ich noch Zeit und ich hatte das Gefühl , es wird sich noch etwas ergeben. Das Schicksal spielte Zufall, oder etwa ander Wir waren jetzt im Zentrum unseres Ziels. Nachdem wir uns körperlich übersättigt hatten, war es jetzt Zeit für die kulturelle Sättigung.

Es war schließlich das wichtigste Anliegen unseres Paris Trip, die Jagd nach meinen grellen, bunten Jogginganzug. Ich war gespannt auf das Äußerste und sah mich schon mit diesem edlen Teil durch die Straßen von Leipzig flanieren.Das glaubt mir keiner, nicht einmal Rainer, wer immer das ist.

Ihr auch?

Aber erst einmal rein in den Louvre, dort, wo auch das französische Kunstmuseum beheimatet ist, eine frühere Residenz französischer Könige, als Teil des Pariser Stadtschlosses. Hier ist es zwischen den Seine Ufern eingebettet. Durch die gläserne Eingangspyramide kommt man zu den Ausstellungen.

Das spannende für mich, und was macht Mona Lisa? Wird sie lächeln?

Sie lächelt ununterbrochen!

Von dem Frühstück noch immer geschafft, lächle ich einfach zurück. Wir drei sind glücklich. Danke Mona Lisa, das war es wert!

Ehe sich Ibot verabschiedet wollten wir noch die Grabstelle von Honore de Balzac besuchen und einen schönen, sonnigen Nachmittag verbringen. Vom Louvre ist es nicht allzu weit bis zum größten Friedhof von Paris.

3. Der größte Friedhof von Paris, ein Park ähnliches, kunsthistorisches Ensemble

Gott sei Dank gab es hier auch nicht den gesuchten Jogginganzug, ihr wisst, grell und bunt. Dafür eine über laufende Blumenpracht, welche auch die Augen beruhigte.

Alte Friedhöfe und Kirchen wecken in mir eine Magie und beruhigen auf jedem Fall auch mein Nervenkostüm.

Ich liebe es, mich dort aufzuhalten und zur ersehnten Ruhe zu kommen.

Wer an Berühmtheiten und deren Ableben historisches Interesse zeigt, ist auf diesem Friedhof, dieser Oase der Ruhe vollkommen richtig. Der größte Friedhof ist der Pére Lachaise in Paris. Er ist bis 18 Uhr geöffnet. Hatte leider keinen Souvenirshop für ausgefallene Jogginganzüge. Aber bunt ist es hier allemal, mit einer Pracht von Blumen in allen Farben. Er ist auch mit der Fläche von 45 ha der größte der Pariser Friedhöfe und zugleich der erste Parkfriedhof. Schon alleine ein Radrundweg hat die stolze Länge von 5,6 Kilometer. Das zeigt dem Besucher schon die Ausmaße dieser Anlage. Bestattet sind hier unter anderem Oscar Wilde, Chopin, Jim Morrison und schließlich auch die letzte Ruhestätte von Honore de Balzac.

Benannt wurde dieser beeindruckende Friedhof nach Peter Francois d´Aix, auf dessen Garten der Friedhof errichtet wurde. Die Grabstätte von Balzcac ist so gestaltet, als ist der Meister unter der Grabplatte verschwunden und hat seine Arbeitsmaterialien alle liegen lassen. Man fühlt sich sofort wie in einer Schreib -und Denkstube und lässt sich irgendwo nieder und harrt der Dinge welche kommen werden. Ich habe sehr nachdenkliche Zeit verbracht. In so viel Grün gehen einem einfach die Gedanken auf, für eine grüne Lebensweise. Wenn man beachtet, wie viele Nährstoffe ein einziger Leichnam an einem Baum abgibt, kann sich jeder ausrechnen in welchen Mengen eine Nährstoffabgabe neues und erhaltenes Grün erzeugt, denn sirbt ein Mensch, setzt er Stickstoff frei. Ein durchschnittlicher Amerikaner setzt sozum Beispiel 2,6 Kilogramm Stickstoff frei.

Das wären ungefähr fünfzig mal so viel , wie in einer Saison, für Bäume und Sträucher empfohlen wird. Für den Paiser Friedhof sind das unglaubliche 69000 Grabstätten in höchster „geistiger“ Konzentration, denn unter den etwa einer Million Verstorbenen, die auf dem Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, befinden sich zahlreiche Berühmtheiten.

Ich atme diese geistige Macht in mich ein, welche Honore de Balczac von seinem Sockel zu mir herunter schickt. Eine wirkliche „Menschliche Komödie“.

Für die Wissenden ist das Leben einfach eine Unendliche Komödie, für die Nicht wissenden bleibt es eine Unendliche Tragödie. Die Zeit auf Pére Lachsise hat mir unwahrscheinlich viel Kraft für das weitere Paris gegeben. Kraft, die ich auch nötig gebraucht habe, obwohl ich keine grellen und bunten Sachen gefunden habe. In dieser Richtung macht sich schon ein wenig Ratlosigkeit in mir breit aber ich werde sehen und ihr sollt es von mir erfahren.

Muss man alles beschreiben was man gesehen hat, oder muss man alles gesehen haben, um darüber zu schreiben? Die Antwort fällt mir so schwer, denn mein Kopf ist ein Bienenkorb und ich bin meine eigene Königin.

Der Abend neigt sich dem Ende entgegen. Ich jedoch bin geneigt noch einige wenige Gläschen von dem leckeren Wein zu trinken, vielleicht bis ich nur noch grelle, bunte und hässliche Jogginganzüge sehe.

Ich in Paris, fast einhundert Jahre nach dem Todestag von Honore del Balczac. Ein überaus erhebendes Gefühl. Vor allem, ich war sn der Grabstätte meines Lieblingsdichters. Honore, du warst ein ganz Großer, nur die Zeit hatte dies noch nicht erkannt. Am wenigsten aber die eigene Familie.

Hier in Pére de Lachsaise hst er seine letzte Ruhe gefunden. Ich ließ den Tag, die letzten Stunden Revue passieren. Ich saß auf einer schattigen Bank, nicht auf einer schottischen Bank, denn dabei dachte ich an Ibot und musste laut lachen, denn der saß bestimmt wirklich auf einer schottischen Bank in Glasgow und hat bestimmt gerade genauso laut gelacht. Oh,man schaute zu mir, zumindest einer.

Ich lasse die absolute Stille auf mich wirken und mich von ihr beherrschen. Sie tut mir sehr gut und bringt mich den großen Dichter ein ganzes Stück näher und mir wird bewusst warum er so verehrt wird. Balczakc aus der unteren Schicht kommend, hat sich mit Energie hoch gearbeitet, extrem zielstrebig gelernt. Er war weiter, als andere, verfasste schon als Schüler bedeutende Werke, welche die Mitschüler teilweise verschwinden ließen, aus Neid auf seine Klugheit. Jetzt hat die Welt diesen Dichter voll und ganz für sich.

„Er setzte sein großes Wissen, für die damalige Zeit, sehr schnell um und stellte Zusammenhänge sofort her, der Poete Luis Lambert, welchen er erdacht hatte, in Form eines Doppelporträts. Beide Grundformen seines Genies , die schöpferische, die Gestalten des Daseins, die nachbildende und die ordnende , welche geheime Gesetze in großen Zusammenhängen des Daseins aufzeigen wollte (ähnlich wie bei Goethes Faust) “ Zitat von Stefan Zweig

Nachdem ich „Luis“ so völlig aufgesogen hatte, in diese wunderbare Welt eingetaucht bin, sie geatmet hatte, war ich der glücklichste Mensch. Ich schwebte, ich glaube, in meinem grellen und bunten, geschmacklosen Anzug. Schade. Was würde denn bei diesen Gedanken die Mona Lisa machen?

Sie lacht lauthals!

Ich relativiere, sie lächelt! Wahrscheinlich hat sie in ihrem verborgenen Blick, mich in diesem verwunschenen Anzug gesehen. Seitdem haben sich ihre Gesichtszüge nicht mehr entspannt, was vielleicht auch eine Erklärung der lächelnden Mona Lisa wäre? Das Lächeln wares mir wert deshalb verbrachte ich unlängst vor diesem Bild auch die meiste Zeit im Louvre. Wertvolle Zeit.

4. Paris, Paris über Allem – Tod und Leben

Mein Kaffeedurst führte mich in der Nähe vom Louvre zu einem kleinen bezaubernden Straßencafé.

Ich ließ mich an einem Tisch vor dem Straßencafé nieder und genoss wiederum dieses wunderschöne Frühlingwetter.

Ein Deutscher setzte sich auf den freien Platz an meinem Tisch, nicht wie in Deutschland, wo man liebsten allein sitzt. Er musterte und taxierte mich von Oben bis unten. Sehr, sehr aufdringlich. Eigentlich hatte ich mich darauf vorbereitet, bei den Hotelpreisen in Paris, das Hotel zu sparen und für eine Nacht das Hotel „Daccia“, ohne fließenden Wasser und Fernsehen zu nehmen So richtig standesgemäß eben! Erst dachte ich, er wolle etwas von mir, was also nicht die von mir bevorzugte Konversation darstellte. Er musterte mich wiederum und sprach mich dann auch gleich mit Du an. Wie denn anders, ein Deutscher. Der Bann war gebrochen. Und alles, aber auch alles fügte sich in diesen Tag. Er suche Darsteller für einen kleinen Dokumentarfilm über den Tod von Honore de Balzac vor einhundert Jahren. Der Kreis hatte sich wieder geschlossen. Und es wäre keine Sprechrolle, da ja Tote bekannterweise nicht oder selten reden.

Ich sollte den toten Honore auf seinem Totenbett darstellen. Ich musste also nichts weiter tun, als mich einfach tod zu stellen. Und genau dies hatte ich schon des Öfteren getan und es war nicht aufgefallen. Passt!

Das kann ich, sagte ich mir. Ich glaubte, gehört zu haben, der Film solle den Titel tragen „Wie die Frau sagt:::“. Diese Dame sollte also die Aufgabe haben, die mobilen Besitzverhältnisse des Prominenten nach seinem Tod zu bestätigen um der Polizei zu übermitteln ob eventuell eine Straftat vorliegt. An dem war nicht so. Viele wohlhabende Männer sind zu dieser Zeit nach ihrem Schäferstündchen nicht nur sexuell erleichtert wurden, während er sanft entschlief, klärte mich Alex bei einigen Bechern Wein auf, An zurück fahren war aber nun nicht mehr zu denken und der Produzent Alex Auch die Übernachtung hatte sich zwischenzeitlich geklärt. Adieu, Hotel“ Daccia“. Auf sein Geheiß checkte ich, nach seinem Worten, auf Kosten der Firma in einem naheliegenden Hotel ein und ließ es mir gut gehen. Zufällig buchte ich ein Hotel wo ich in der preiswerten Variante eine ganze Woche übernachten konnte inklusive eines Designer Jogging Anzuges. Allerdings blieb ich einen Tag länger in Paris und besichtigte noch das eine und andere in der Stadt an der Seine. Ich entdeckte in einem Hotel meiner Preisklasse eine Gemeinsamkeit von uns beiden. Wir waren ein Leben lang notorisch pleite.leider keine Gemeinsamkeit in anderen Dingen. Pleite aber guter Dinge übernachtete ich im feinen Hotel „de Ville“, zu mindestens eine Nacht.

Über dem Bett ausgebreitet lag in aller Pracht, ein greller, buner Jogginganzug.

Ich schrie verzweifelt ! Neiiiiiin!!!!

Das will ich nicht!

Da sagte plötzlich die Stimme aus dem Kleiderschrank.

„“Das musst Du tragen. Das ist Mode, das tragen hier alle!

Ich habe den Urlaub nicht gewollt.,du sagtest, ich heiße Bubu, ich sagte nein

Keine Mode in Paris….

Lulajule nein, ich heiße BUBU, und wie heißt eigentlich DU?

Ich hatte mich im Hotel de Ville, nur kurz auf das Bett gelegt und war sofort tief und fest eingeschlafen. schweißgebadet wachte ich nach einigen Sekunden auf. Jetzt brauchte ich wirklich eine Dusche.

Im Hotel de Ville also, übernachtete ich nun und fühlte mich so richtig wohl in dieser Historie. Mit Alex traf ich mich am nächsten Morgen dort zum Frühstück.Dieses Hotel ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Stil der Neo Renaissance errichtete Rathaus von Paris.

Ich im Rathaus von Paris genächtigt, wow! Die Nacht für schlappe 00000 Euro, hatte man für mich hin geblättert. Da hätte ich nun als Otto Normalverbraucher ganze zwei Wochen mir eine Auszeit leisten können.

5.Tod und Ende des „Jogginganzug“

Der Deutsche war wie man es von Deutschen gewohnt war, auf die Minute pünktlich und hieß genau, wie der größte Platz, mitten in Berlin , ALEX .

Das gemischt mit Pariser Gemütlichkeit, also erst einmal Kaffee trinken, baden im Milchcafé. Geil!

Irgendwann ging es dann richtig zur Sache!

Alex wies mich in meine „Rolle“ ein. Es war nicht schwer, der Drehstab und alles was dazu gehörte traf ein und brachte mich auf Vordermann.

Auch einen Toten zu spielen ist keine leichte Rolle, so leicht sie auch anmutet. Erst einmal habe ich zu viel geatmet, ein andres mal geblinzelt. Ganze vierzehn mal lief diese Szene auf dem Totenbett, ehe sie in der Filmsprache gesagt, im Kasten war. Viel Schweiß ist geflossen um ein kleines bisschen tot zu sein.

Was war der absolut schwerste Part dieser Rolle? Zum einen, meine Verbundenheit, die Ehrfurcht zu diesem großen Dichter, Zur Story, der große Dichter war verstorben, war tot. Seine Sachen lagen in dem Hotelzimmer, welches als Drehort auserwählt war. Also die Sachen, welche ich überziehen sollte für diese kleine Rolle

Meinen ganzen Körper durchzog ein unbeschreibliches Kribbeln.

Noch ein Schälchen Heeßen, wie der Sachse sagen würde und es ging los. Wir hatten uns ein wenig angefreundet und die Chemie zwischen uns stimmte.

Wieder zur Story.

Der Dichter war tot, es lebe der Dichter.

Jetzt kam die besagte Frau ins Spiel. Die Polizei hatte den Leichnam frei gegeben, also frei zur Bestattung. Jetzt hatte sie die Aufgabe, die persönlichen Dinge Balzacs an sich zu nehmen, aufzulisten und zu vergleichen und dem rechtmäßigen Besitzer zu übergeben.

„Was die Frau sagt“ ein juristischer Monstrum. Jetzt kann die Bestattung durchgeführt werden.

Ich hatte nach Paris ein wenig Geld mehr angespart und konnte mir noch einiges ansehen und mehrere Kaffee trinken!

Dann ging es zurück nach Deutschland.

Paris war für mich also ein größerer Erfolg. Außer dem grellen und bunten Jogginganzug hatte ich alles erreicht. Also musste ich noch einmal zurück ins Land der Träume und Illusionen.

Hattet Ihr dies ohnehin alles geglaubt und hatte ich das alles in Paris erlebt?

Ich fuhr aus Paris raus und parkte auf dem erstbesten Parkplatz und machte ein Traum Schläfchen ins Land der unbegrenzten Träume…

Und eine neue Erkenntnis breitete sich innerlich in mir aus. Ja, innerlich sind wir doch alle ein wenig mehr oder auch weniger ein bisschen verrückt?

Sind wir nicht alle ein wenig mehr oder weniger bunt, schrill, grell und ganz anders? Aber das haben wir uns so etwas von verinnerlicht. Wir lassen dies selten nach außen dringen. Das müssen wir aber nicht unbedingt nach Außen zeigen. Deshalb brauche ich auch keinen grellen und bunten Jogginganzug anzuziehen, denn diese Farbigkeit, Reste einer gewissen Wildheit, muss ich nicht auch noch äußerlich tragen. Dies sollte sich jeder innerlich bewahren. Die Freiheit des Denkens und der Farben.

Am Ende frage ich mich. Habe ich das Alles nicht nur geträumt? Was meinst Du…?

Jürgen Rüstau

Die Strumpfsohlen Connection

Es war Samstag Morgen. Ich holte Anka zu Hause ab. Was machen wir heute, fragte Anka auch gleich ungeduldig und neugierig?
Wir fahren in die Heide, sagte ich. Sie schaute mich ungläubig an. Du meinst wir fahren zu Heidi, kenne ich die? Nein Anka, kennst du noch nicht aber wir fahren in die Heide. Das ist ein Natur Gebiet rund um Bad Düben und das heißt so weil dort die Heide von August bis September blüht und diese Pflanzen werden vielfach auch Erika genannt. Jetzt schaute sie mich noch dümmlicher an. Sie hielt nur einen Moment inne, dann schoss es aus ihr heraus. Lachend sagte sie, du kennst ja doch eine Menge Frauen. Heidi und Erika und ihr Lachen schien unendlich zu werden.
Die Fahrt ging los.
Wir verließen gut gelaunt die Stadt in Richtung Bad Düben. Als wir die Wälder erreichten, sagte ich zu Anka, hier beginnt schon die Heide.
So schnell ist die Zeit vergangen und wir sind schon in dieser Heide, stellte Anka fest.
Als wir diesen malerischen Heide Ort erreichten, hielt ich bei einer Bäckerei an. Ich hole uns etwas Proviant, sagte ich zu Anka und verschwand im Laden. Sie wartete ungeduldig im Auto auf meine Rückkehr. Mit einem großen Packet kam ich zu ihr zurück. Was hast du da für uns eingekauft, fragte Anka auch gleich. Ich sagte, alles für mich und grinste. Sie fand das nicht zum Lachen.
Ich habe mir eine Erinnerung an meine Kindheit gekauft und legte ein süßes Teil auf das Armaturenbrett vom Auto. Sie staunte und fragte was das sei. Das sind Strumpfsohlen, sagte ich ihr. Anka staunte wortlos, dann fragte sie, warum heißen die Strumpfsohlen? Erinnerst du dich, als du bei mir im Wohnzimmer gelaufen bist und Löcher in den Strümpfen hattest?
Oh, das war mir aber so etwas von peinlich, sagte Anka schnell und wurde puderrot im Gesicht.
Siehst du, die gleichen Gedanken hatte der Heide Bäcker vor sehr vielen Jahren.
Woher wusste er von den Löchern in meinem Strümpfen? Anka schaute mich unsicher an.
Er wusste es natürlich nicht aber er hatte die gleichen Erfahrungen gemacht und wie die Strümpfe aussahen stellte er seine Gebäckstücke her, ein Backwerk aus Hefeteig mit viel Streuseln und viel Puderzucker. Auf den Boden legte er Pflaumen aus und so sah es dann aus wie eine Sohle mit Löchern. Die Strumpfsohle war geboren und wurde auch unter diesen Namen verkauft.
Und diese lag nun bei uns auf dem Armaturenbrett. Andere sagten, sie seien vor langer Zeit zu Ehren der heiligen Hedwig, deren Grab im Rahmen einer Wallfahrt besucht wurde. Daher sind sie auch als „Hedwigsohlen“ bekannt.
Die heilige Hedwig war Herzogin von Schlesien, half den Armen und lief das ganze Jahr barfuß. Noch eine Frau, stöhnte Anka und verdrehte die Augen. Ich musste lachen und Anka stimmte mit ein.
Bevor wir die Heide erreichten legten wir an der Burg Düben einen Zwischenstopp ein. Sie erhebt sich auf einen kleinen Hügel rechts der Mulde direkt an deren Ufer. Jetzt beherbergt sie ein Landschaftsmuseum und dokumentiert das Leben von Hans Kohlhase, einem rebellischen Kaufmann.
Anka war plötzlich ganz aufgeregt. Die Mulde, die kenne ich, auf der sind wir einmal mit dem Schlauchboot geschiffert.
Ja, ich weiß. Wir sind damals von Leisnig nach Grimma, mit dem Schlauchboot gefahren. Es war ganz schön lustig und es war sehr wenig Wasser in der Mulde. Wir mussten einige Male das Boot anschieben. Vierzehn Tage später war es soviel Wasser das der Fluss über die Ufer trat, wahnsinnig viele Schäden anrichten und viel Leid über die Anwohner brachte.
Ja, ich erinnere mich, sagte Anka. Wir machten auch ein Picknick am Ufer und übernachteten in einer Jugendherberge am Rande der Mulde. Da ging sogar noch ein Bild von Erich Honecker und das viele Jahre nach der Wende.
Fein gemerkt, sagte ich und war stolz auf die Kleene. Das war aber auch wirklich eine schöne Tour. Genau wie heute, dachte ich.
Anka schielte aber ungeniert auf die leckeren Strumpfsohlen. Wann essen wir die endlich, fragte sie und als Antwort knurrte laut mein Magen.
Kurze Zeit später hielt jeder ein solches Backwerk in der Hand und wir bissen in das uns anlachende süße Teil. Anka hatte den ganzen Puderzucker über das Gesicht verteilt und sah so noch süßer aus als sonst.
Nun gestärkt ging es auf in die Heide.
Anka und die Heide, gepaart mit Strumpfsohlen, eine nicht zu toppende Alternative, eine wahrlich Strumpfsohlen Connection.

Jürgen Rüstau

Bittersüßer Abschied – Die Café Maus

In dem kleinen Café am Rande der großen Stadt, war es still geworden.
Wie lange ich hier schon sitze? Ich weiß es gar nicht mehr genau – ich bin einfach glücklich hier – doch es sind sicher schon 2 Jahre. Naja, in der Zeit saß ich natürlich nicht immer an derselben Stelle, aber doch so ziemlich genau immer hier oben, auf dem Vorsprung am Fenster. Glaubt mir, als Maus kann man sich kein schöneres Zuhause wünschen. Mein ur-ur-irgendwas-Großvater lebte vor über 10 Jahren schon hier. Aber psst, ihr dürft mich nicht verraten, sonst springt die Chefin wieder schreiend auf den Stuhl und der Boss jagt mich mit dem Besen aus der Tür. Alles schon da gewesen, aber wie ihr seht, bin ich immer noch da. Ich bin doch nicht verrückt und gebe das hier freiwillig auf. Wieso, fragt ihr? Warum ich nicht beim Bäcker die Straße runter eingezogen bin? Kommt näher, ich verrate euch ein Geheimnis über das Café, dann werdet ihr mich verstehen.
Es gibt viele Geschichten die von diesem Geheimnis zeugen und in unserer Familie schon über Generationen weitererzählt werden, doch ich möchte euch eine Geschichte aus meiner Zeit hier erzählen:
Vor zwei Jahren betrat ein älterer Herr den Laden. Er trug einen braunen, etwas aus der Mode gekommenen Anzug und musterte mit finsterem Blick den Raum, die kleinen Tische, die Gemälde an der Wand und die handbeschriebene lange Tafel. Das herzliche Willkommen von Paula, unserer hübschen Kellnerin, prallte an ihm ab wie Wasser an Wachs. Er setzte sich an den Tisch in der Ecke am Fenster, aß und trank ohne ein Lächeln oder ein Wort, und ging ohne einen Cent Trinkgeld zu geben, hinaus. Ab da kam er jeden Mittwoch, immer zur selben Zeit, immer mit demselben grummeligen Gesicht. Und Paula warf ihm jedes Mal aufs Neue, ein herzliches Willkommen an die Brust. Umso düsterer seine Miene wurde, desto heller leuchtete ihre.
Ihr müsst wissen, dies ist ein besonderes Café, ein Kulturcafé, hier gibt’s nicht nur Kaffee und Kuchen und Schnitzel und Bier, hier wird gesungen, getanzt und interviewt. Und Mittwochs gibt es hier Literatur. Ein paar Leute setzen sich zusammen und lesen einander vor. Geschichten aus Büchern oder gar aus ihrer eigenen Feder. Immer sehr unterhaltsam kann ich euch sagen. Langeweile kommt nie auf. Manchmal war mir hier oben schon ganz gruselig zumute und einmal musste ich so sehr lachen, dass ich beinah heruntergefallen bin. Und da das Café ja nicht sehr groß ist, kann jeder im Raum die Geschichten der Leserunde hören, wenn er nur will und still genug ist.
Und so war es auch damals, an jenem Mittwoch. Alle lauschten den Erzählungen, angefangen bei den jungen Damen mit ihren Gläsern Wein zwei Tische weiter, dann das ältere Pärchen direkt an der Tür, das sich ohnehin bei jedem Besuch in Schweigen hüllte, und auch der stattliche Karl hinterm Tresen, der dabei immer entspannt ein Glas polierte, oder zwei. Nur der ältere Herr in seinem braunen Anzug, störte sich an diesem Stammtisch und plauzte in die Runde: „Kann man hier nicht mal in Ruhe essen?“
Paula eilte sofort zu ihm und fragte freundlich: „Soll ich die Musik in ihrer Ecke etwas lauter drehen? Dann hören Sie die Herrschaften nicht so.“
„Ich will weder Geschwatze noch Geklimper hören, ich will meine Ruhe beim Essen! Ist das zu viel verlangt?“, stieß der Mann hervor und zerstach wütend seine Kartoffeln.
„Wissen Sie, was das Schöne an einem Café ist?“, vibrierte mit einem Mal die tiefe Stimme des sonst so stillen Karl über den Tresen. Alle schwiegen. Und während Karl redete, polierte er in aller Seelenruhe sein Glas. „Hier kommen die verschiedensten Menschen her – um zu reden, zu speisen, abzuschalten und vielleicht sogar einfach nur, um nicht allein zu sein.“ Karl schaute durch das Glas gegens Licht. „Ne bunte Mischung. Und jeder ist bei uns willkommen.“ Dann nahm er das Glas ganz ruhig runter und sah dem fassungslosen – offenbar keinerlei Widerworte gewohntem – älteren Herrn direkt in die Augen: „Leben und leben lassen, verstehen Sie?“
Mit bebender Unterlippe sah der Mann erst Karl, dann Paula und dann die anderen Gäste an. Leute, ich dachte jetzt rappelts im Karton. Keiner im Raum traute sich zu bewegen. Nicht mal ich, dabei sah mich ja niemand. Der ältere Herr schnaubte verächtlich, warf wahllos ein paar Geldscheine auf den Tisch und verschwand hinaus in die Nacht.
Warum der Mann so griesgrämig war, fragt ihr euch? Das haben wir uns hier damals auch gefragt. Aber wozu die Spekulationen, man weiß es eh nie genau. Manchmal braucht es im Leben einfach Geduld. Wir sollten es noch erfahren. Denn, er kam wieder, bereits am Mittwoch drauf, zu seiner gewohnten Uhrzeit und setzte sich an seinen üblichen Platz. Und diesmal fing er Paulas tapferes Willkommen mit einem kurzen Nicken auf. Waaas?, dachte ich und beobachtete die Szene mit offenem Mund: Von seinem Tisch aus, sah er hinüber zur Leserunde, die in dem Moment verstummt war, als er das Café betreten hatte. Er musterte sie alle, jeden Einzelnen von ihnen. Dann atmete er tief durch, zwang seine Mundwinkel zu einem kurzen Sprung nach oben und wandte umgehend seinen Blick aus dem Fenster, wo er ihn desinteressiert über die Straße wandern ließ. Karl warf sich sein Poliertuch über die linke Schulter und nickte der Leserunde motivierend zu – woraufhin sie zögerlich, wie ein anrollender Schwertransporter, ihre Lesefahrt wieder aufnahmen. Die schwere literarische Kost rollte auf der zarten Stimme einer ehemaligen Ärztin durch den Raum und verfrachtete die Gäste Stück für Stück zurück in ferne Welten und Abenteuer.
Von den anderen unbemerkt, ging Karl zu dem älteren Herrn hinüber und stellte ihm ein frisch gezapftes Bier auf den Tisch. Vom Geräusch erschrocken, holte der seinen Blick von der Straße und schaute auf. Da legte ihm Karl kaum merklich die Hand auf die Schulter und deutete mit dem Kinn aufs Bier: „Geht aufs Haus.“ Und der Mann lächelte kurz und dünn. – Und ich saß da und wusste vor Rührung kaum wohin mit mir. Männer, he? Verstehen sich auch ohne viele Worte.
Tja, wie sich herausstellte, hieß der ältere Herr, Herr Schubert und seine Kinder hatten den Kontakt zu ihm abgebrochen, weil er dauerhaft ihren Lebensstil kritisierte. Woher ich das weiß? Ich weiß alles, ich bin die Cafémaus. Naja, und außerdem hat er es Karl in diesem einen nächtlichen Gespräch verraten, als bereits alle Gäste fort waren:
„Ich mein es doch nur gut, damit sie es einmal besser haben als ich, und nicht mit 60 noch Versicherungen verkaufen müssen. Doch sie hören nicht auf mich.“
Er sprach immer leiser und ich musste meinen Stammplatz verlassen, um ihn weiter hören zu können. Vorsichtig schlich ich mich übers Regal von hinten an ihn heran. „Ich habe Leute versichert, die gar nicht versicherbar waren“, fuhr er fort. „Ich habe ihre, ich sag mal … ähm … Makel, bei der Versicherung eben nicht erwähnt und gut. So konnte ich über die Jahre sehr erfolgreich viele Menschen mit Berufsunfähigkeitsversicherungen, Lebensversicherungen und was weiß ich für Zeug versorgen.“ Er nahm einen großen Schluck von seinem Bier und starrte dann mit leerem Blick auf die platzenden Schaumbläschen in seinem Glas, während Karl ein Weinglas polierte und schwieg. Es blieb offen, ob es Herrn Schubert nur um die Provision ging, oder ob er es naiver Weise gut mit den Menschen meinte. Doch es war Herr Schuberts Geburtstag, und er hatte mehr getrunken als gewöhnlich, und so erzählte er Karl auch noch von jenem Tag, der kommen musste. Der Tag, an dem ihm eine dieser Policen um die Ohren geschossen war: „Der Versicherungsfall trat ein, der Schwindel flog auf, die Versicherung zahlte nicht und ich wurde verklagt. Und anstatt die Wahrheit zu sagen, hab ich alle Schuld von mir geschoben und meine Klientin als Lügnerin bezeichnet. Was hätte ich denn tun sollen? Mein Ruf und alles stand doch auf dem Spiel.“ Er seufzte schwer und rieb sich die Stirn. „Was soll ich sagen, ich bekam Recht und die alleinerziehende, nun berufsunfähige Mutter, kein Geld. Ich hatte gewonnen.“ Dann fügte er noch leiser hinzu (ich bin fast aus dem Regal gefallen, bei dem Versuch ihn zu verstehen): „Doch in den Jahren danach, habe ich alles verloren. Meinen Ruf, viele meiner Klienten und meine Söhne.“ Die tonnenschwere Last auf den Schultern dieses Mannes vergiftete sein Herz, sichtbar. Und Karl hörte zu, nickend, polierend und völlig wertfrei.
Wisst ihr, wenn ich eins in meiner Zeit hier im Café gelernt habe, dann, dass das Universum jedem die Rechnung für sein Handeln präsentiert. Dem einen früher, dem anderen später. So wie es auch Karl macht – viele Leute dürfen bei ihm anschreiben, doch irgendwann müssen alle ihre Schuld begleichen.
Tja, wisst ihr, ich hatte damals echt geglaubt, dass sich nach dieser Offenbarung bei Herr Schubert etwas ändern würde. Aber meeep – das hat es nicht. Herr Schubert hatte weiterhin nichts unternommen, um sein Unrecht gutzumachen, und lief weiter griesgrämig und verbittert durchs Leben. Doch etwas hatte sich verändert, es gab einen winzigen Unterschied zu vorher: Er lauschte jetzt Mittwochs den Lesungen. Kein stummes Dulden der Worte die durch den Raum spülten, wie sonst, nein, er hatte die Ohren gespitzt und seine Gesichtszüge verrieten, wie tief er in die Geschichten abgetaucht war. Mal runzelte er die Stirn, schüttelte den Kopf oder lächelte, und seine Finger umspielten dabei wie in Trance seinem runden Papp-Untersetzer. Bis eines Abends, ein Professor in der Leserunde aus einem dicken Buch vorlas, dass vom Tod eines Bergsteigers in eisigen Höhen handelte. Von einem Mann, der verbittert wurde, als er seinen Job verlor, woraufhin er seine Familie verließ, um sich neu zu erfinden. Doch alles was er gefunden hatte, war die Stille der Berge und den Tod. Und so, hatte er nie seinen Enkel kennenlernen können, der ihm so unendlich ähnlich war.
An diesem Abend stürzte Herr Schubert aus dem Café ohne zu bezahlen, auf seinem Tisch stand noch ein halbvolles Bier.
Wir sahen ihn viele Wochen lang nicht wieder. Dennoch hielt Karl ihm jeden Mittwoch seinen Tisch frei. Die Leere in der Ecke war so gespenstig, dass ich mir Mittwochs ein anderes Plätzchen suchen musste. So ein leerer Tisch zieht mich echt runter. Also war ich öfter hinten, in der Küche. Auch schön, wisst ihr. Der Chef persönlich zaubert hier. Und wisst ihr was? Ich glaube, er weiß, dass es mich gibt … warum sollte er mir sonst immer so viele Krümel auf den Boden werfen. Der Gute.
Es war ein Sonntag im Mai, ich saß an meinem üblichen Platz auf dem Vorsprung/Balken am Fenster, als die Türglocke schellte und Herr Schubert den Laden betrat, in Jeans und Poloshirt. Im Schlepptau ein kleines Mädchen mit blonden Zöpfen und ein grinsender Junge in kurzen blauen Hosen. Sie waren kaum älter als sechs.
„Opa, können wir ein Eis haben?“, fragte der Junge, und seine Schwester setzte nach: „Ich möchte lieber Käsekuchen, darf ich?“ Sie wirbelten lachend um seine Beine und er tätschelte ihnen beiden den Kopf: „Aber natürlich ihr zwei, und wisst ihr was? Ich nehm beides.“
Oh Mann, ich hätte ein Taschentuch brauchen können an diesem Nachmittag. Mir ist immer noch ganz rührig ums Herz zumute, wenn ich es euch erzähle.
Herr Schubert kommt bis zum heutigen Tag hier her, letztens hat er sogar seinen Geburtstag bei uns gefeiert, mit Käsekuchen für alle – sehr netter Mann, hihi. Ob er sich je bei der alleinerziehenden Frau, die er um ihr Geld gebracht hatte, entschuldigt hat, weiß ich nicht, aber ich verlass mich da voll aufs Universum.
Und solche Herr Schuberts haben wir hier viele gesehen. Menschen die anfingen über sich und ihr Leben nachzudenken. Ob Frau Müller, Herr Tröber, Paula, Matthias, Susanne, Herr Boll, ach die Liste könnt ich noch ne Stunde so weiterführen. Aber ich denke ihr versteht worauf ich hinaus will. Das Geheimnis das Cafes…
Es verändert die Menschen, es berührt sie ein wenig unter der Schale. Keine Ahnung warum, hier schwebte immer ein Hauch Magie durch die Luft. Die wenigsten gingen wie sie kamen, ein wenig Zauber nahm ein jeder mit. Ob das an den national und international bekannten Künstlern lag, die sich hier die Klinke in die Hand gaben oder an der bezaubernden Kunst an den Wänden? An der intimen Wohnzimmer-Atmosphäre, an den Leserunden oder der bunten Mischung der Gäste? Oder war es die Warmherzigkeit des Personals, das leckere hausgemachte Essen oder die bodenständige Lage? Ich kann es euch nicht sagen – vermutlich eine Mischung aus allem, gepaart mit der Hingabe, mit der dieses Café geführt wurde. Auch wenn ich vooooll auf den Käsekuchen setze. Yami!
Doch letzten Endes, tja, da hat das Café nicht den Reichtum erwirtschaftet den es gebraucht hätte, um ein weiteres Jahrzehnt Kultur in die Stadt zu locken, aber wisst ihr, darauf kommt es gar nicht wirklich an. Denn es hat etwas anderes, viel wertvolleres „erwirtschaftet“ … etwas das mit Geld überhaupt nicht aufzuwiegen ist … und zwar Jahre voller Momente die das Herz berührten, viele Jahre, viele Herzen. Hier durfte Mensch, Mensch sein und Maus, Maus – jeder war gut so wie er eben war. Authentizität – ein rares Gut. Ich kenn mich aus. (zwinker)
Und nun ist es soweit, das Café schließt seine Tore. Chef und Chefin wollen mehr kuscheln und mehr Zeit mit ihren Lieben verbringen. Ja, auch sie hat das Café verändert. Wie sehr, das wissen nur die Zwei.
Es stimmt mich traurig zu gehen und doch seht ihr mich lächeln. Ich hatte die schönste Zeit meines kleinen Lebens hier! Aber wie heißt es bei euch Menschen so schön? Man sollte gehen, wenn es am Schönsten ist – … außerdem ist die Straße runter in der Buchhandlung, ne süße Maus mit Leselaune eingezogen … also. Es wird Zeit, dass ich meinen Hut nehme und ein letztes Stück vom Kuchen. Eine Ära geht zu Ende, doch die Legenden leben fort – unvergessen.
Ich verbeuge mich, macht’s gut, bis bald und habt euch lieb. Es lebe die Kunst.