Anka und die Zwischentöne

(4)
Inzwischen waren ein paar Wochen mit wahnsinnig vielen Eindrücken vergangen. Der Herbst hatte sich wortlos verabschiedet. Ein schönes Jahr neigte sich dem Ende entgegen.
Es war an der Zeit, der öde November, überließ uns einige Tage eine prächtige Winterlandschaft.
Die Dreckecken der Stadt waren zugedeckt und die weiße Pracht überflutete Gehwege, Straßen und Anlagen.
Der Straßenverkehr brach wie gewöhnlich an solchen Tagen zusammen und die Autos krachten, auf den glatten Straßen ineinander. Deren Besitzer überhäuften sich, neben ihren Fahrzeugen stehend, mit einigen in solchen Situationen üblichen Nettigkeiten.

Ich um kurvte mit meinem Auto einen solchen Erfahrungsaustausch an Schimpfwörtern, ohne deren Inhalt richtig zu verstehen. Meine ganze Konzentration galt den winterlichen Straßenverhältnissen, um nicht in eine ähnliche Lage, wie die Herren von eben, zu kommen.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah ich eine sehr attraktive Frau.
Sie drehte sich gerade um und ich erkannte ihr Gesicht.
Es war Anka.
Sofort lenkte ich mein Auto hastig an den Straßenrand. Um ein Haar wäre ich einem parkenden Auto ins Heck gerutscht. Oh, geraden noch einmal gut gegangen, dachte ich und stieg aus um mit Winken und Rufen Anka auf mich aufmerksam zu machen. Ich hatte sie seit einigen Tagen nicht mehr gesehen, da ich beruflich sehr viel Stress hatte.
Auch Anka hatte mich sofort gesehen und kam über die Straße geeilt.
Ihre niedliche Stupsnase war von der Kälte, an die wir uns ja erst noch gewöhnen mussten, richtig schön rot. Wir begrüßten uns als kannten wir uns schon viele Jahre und hatten uns einige Monate nicht mehr gesehen.
Sie war einfach schön, auch wenn ich jetzt sehr wenig von ihr sehen konnte, wie ich sie von unserem letzten Zusammensein in Erinnerung hatte.
Die großen Augen lugten unter der dicken Mütze frech hervor und ihre Lippen, welche trotz der Kälte heiß waren drückten mir einen Kuss auf die Wange.
Und da war er wieder, dieser ungewöhnlich heftige Drang, mit ihr zusammen zu sein.
In diesem Moment kam mir die Frage von Anka ganz recht, ob wir nicht beide irgendwo einen Kaffee trinken könnten? Sie fügte hinzu, ich müsste ihr nur sagen wo, da sie sich in der Stadt noch nicht so gut auskennen würde.
Das wie war schnell geklärt, wir hatten uns ja mitten in der City getroffen, konnten also unsere Autos getrost dort stehen lassen, nachdem wir die Parkuhren gefüttert hatten und wo wir hin gehen wollten war auch kein Problem.
Diese Stadt hatte eine Unmenge kleiner Cafés, wo man sich richtig wohl fühlen konnte.
Frau auch!
In einer Passage kannte ich ein kleines Kaffee, in welchem ich nachts, wenn ich in der Stadt unterwegs war, einen Absacker zu mir nahm. Aber es war am Nachmittag und uns Beiden dürstete nach Kaffee.
Wir also rein in die „Kümmelapotheke“.
Anka gefiel sofort die gemütliche Atmosphäre, welche in diesem Kaffee herrschte.
In der Ecke am Klavier saß ein älterer Herr und spielte „Memories“.
Das waren Zwischentöne, musikalische Ohrwürmer, die uns doch sofort wieder in Erinnerungen an unser erstes Treffen schwelgen ließen.
Diese Erinnerung war bei dieser Musik sofort wieder in uns, obwohl die schönen Ereignisse nun schon einige Tage zurücklagen.
Ich sah Anka inmitten des Zuckers stehen, sah wie sie die Pizza servierte, wie sie die Musik von Rosenstolz auflegte und wir beide träumten bei dieser Melodie vor uns hin.
Mein schönster Traum ging noch ein Stück weiter…

Du bist das Traumbild in meinem Herzen
Manchmal noch etwas verschwommen
Kaum noch auszumerzen
Amurs Pfeil ist in mir angekommen
Ich sehe dich im femininen langen Kleid
Verneige mich vor deiner natürlichen Schönheit
Du als Girli im superkurzem Röckchen
Feuer sprüht aus deinen großen Augen
Will mich vernichten
Du hast wieder mal dein Böckchen
Ich liebe es wie du gehst,
wie du mit mir sprichst
Selbst wenn du mich ablehnst, mich verfluchst
Du hast eine besondere Wirkung auf mich
Deine kleinen Fehler sehe ich nicht
Auch wenn ich sie sehen würde
Sie sind bei Traumbildern
und auch im Leben keine Hürde
Ich sehe mein Traumbild in dir
Blicke sind der Welt schnellster
und sicherster Kurier.

Katharina, die Kellnerin riss uns aus unseren schönsten Träumen.
He, ist bei euch alles klar, sagte sie und lachte uns an.
Was möchtet ihr trinken?
Ich bestellte zwei Kaffee, welche auch umgehend duftend vor unserer Nase ihr Aroma ausstrahlten.
Auf jedem Unterteller lag ein eingepackter Keks.
Meinen legte ich ohne Worte auf Ankas Teller.
Sie errötete und fragte, woher weißt du, dass ich für mein Leben gern Kekse esse? Das sehe ich dir an der Nasenspitze an. Unwillkürlich fasste Anka sich an die Spitze ihrer niedlichen Nase und fragte, ja wie jetzt?
Ich musste unwillkürlich lachen und unser Gespräch war so richtig schön in Fahrt gekommen.
Die Zwischentöne, die Musik war in den Hintergrund getreten oder wir wollten sie gar nicht mehr wahr nehmen, denn Anka und Peter waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, von äußeren Einflüssen völlig abgeschottet.
Anka erzählte mir, dass sie nach ihrem Studium bei einer großen Versicherung beworben hatte und den Job hier in Leipzig bekam.
Sie hatte diesen gleich nach ihrer Ankunft angetreten und verwendete viel Zeit dafür sich in ihre neuen Aufgaben einzugewöhnen.
Deshalb sagte sie, ihren Kopf zu mir gedreht, haben wir uns in den letzten Wochen so wenig sehen können.
Dazu kommt noch dieses Wetter, dieser Wintereinbruch, der uns viel, viel Arbeit beschert.
Wir redeten und redeten über Gott und die Welt .
Als wir aus der Passage heraustraten war es inzwischen dunkel geworden, der Fußweg war sehr glatt.
Anka hakte sich bei mir unter und wir liefen in ausgelassener Fröhlichkeit zu unseren Autos zurück.
Dort erwartete uns eine Überraschung.
Anka hatte in ihrer Eile vergessen das Licht am Auto auszuschalten. Von weitem sahen wir schon das Glimmen der Scheinwerfer, welche nicht mal mehr dazu in der Lage waren, die Schatten der vorbei gehenden Leute auf die Straße zu projektieren.

Ich hatte in meinem Auto ein Starterkabel im Kofferraum liegen, fuhr mein Auto genau vor das Auto von Anka.
So standen sich nun beide Autos gegenüber, so nah wie wir uns noch nie gegenüber gestanden hatten.
Aber Autos machte das nicht sonderlich heiß.
Anka’s Motor heulte nur unlustig auf, kam nicht auf Touren.
Der braucht einen Stromstoß, sagte ich und verband die beiden Autos mit einem Kabel.
Meine Energie, dass heißt eigentlich die von meinem Auto brachte schließlich den Corsa zum laufen.
Danke rief noch Anka aus dem Fenster, danke bis bald.
Schon war das Auto in den Brühl abgebogen und außerhalb meiner Sichtweite.
Jetzt musste ich mich auch beeilen, denn ich hatte noch einen wichtigen Termin.

© Jürgen Rüstau

Anka’s Resümee

(3)
Die Tür war hinter Peter ins Schloss gefallen, leise besinnlich.
Auch sie wollte diesen Abend nicht mit einem dumpfen Knall beenden, sondern es klang eher nach einem sanften aufatmen.
Ich ließ mich in den Sessel fallen, legte meine Füße hoch und lächelte nur so für mich.
Was ich den gesamten Abend, warum auch immer, nicht getan hatte, ich tat es jetzt.
Ich zündete mir eine Zigarette an und zog genüsslich an ihr, blies den Rauch aus mir heraus und beobachtete ihn, wie er sich im Zimmer verteilte. Dabei gingen zum Zigarettenqualm meine Blicke quer durch den ganzen Raum.
Ja, sagte ich zu mir, ich kann mit dem, was ich in den letzten zwei Tagen erreicht habe zu Frieden sein. Mein Wohnzimmer war richtig gemütlich geworden und es hatte mit dem Besuch meines neuen Nachbars, seine Feuertaufe bestanden. Er war ja wirklich ein Netter.
Eigentlich hatte ich den nur den ganzen Abend geredet, ihn kaum zu Wort kommen lassen.
Er hat zugehört, verständnisvoll genickt und hier und da eine kurze Bemerkung gemacht.
Also, ich hatte ihn zu geredet, habe von ihm noch nichts in Erfahrung bringen können, außer, dass er Peter heißt und einen kleinen Tabak-Shop in der Randcitylage hatte.
Mehr wusste ich wirklich nicht über ihn.
Das nächste mal, sagte ich auf einmal laut und war selber darüber erschrocken, das nächste mal, werde ich ihn ein paar Dinge fragen.
Obwohl die Pizza doch lecker war, bekam ich Hunger, einen unersättlichen Hunger nach süßen Sachen.
Ich bin halt ein Schleckermäulchen, wie meine Mutter immer zu sagen pflegte.
Also ging ich auf die Suche nach den süßen Dingen des Lebens, eins hatte ich ja nun heute schon kennen gelernt. Ups, hatte ich mich doch gerade dabei erwischt, eine Feststellung zu treffen.
Egal, die Suche nach den weiteren süßen Sachen des Lebens war mir im Moment wesentlich wichtiger.
Da fand ich sie auch schon, K e k s e, die fast zweitwichtigsten Dinge in meinem Leben. Diese ließen das wichtigste in meinem Leben, Sex, momentan in den Hintergrund treten.
Also, Kekse, ich hatte diese bunte Schachtel mit dem leckeren Inhalt endlich gefunden. Ich riss sie auf, feines, zartes Gebäck, mit einer hauchdünnen Schicht Vollmilchschokolade überzogen.
Den ersten legte ich auf meine herausgestreckte Zunge und ließ die köstliche Schokolade auf ihr zerlaufen.
Als ich die Glasur in mir aufgesaugt hatte, zerbiss ich den Keks schnell, um dieses schöne Spiel wieder von vorn beginnen zu können.
Das ganze glich einer Zeremonie.
Ein krümelnder Orgasmus! Ich war mit mir und der Welt sehr zu Frieden. Ich hatte die Einrichtung meiner Wohnung, bis auf kleinere Dinge, geschafft, hatte einen tollen Abend und hatte in diesen ersten Tagen in dieser vernichtend großen Stadt einen neuen Freund gefunden, Peter.
Das Leben kann so schön sein, rief ich laut und begann mir ein Bad einzulassen.
Ich wollte nun, nach meiner Keksorgie meinen Körper nicht zu kurz kommen lassen und freute mich auf ein entspannendes Bad, weit nach Mitternacht.
Es war mein erster Sonntag in dieser großen Stadt angebrochen.
Für diesen Sonntag hatte ich mir sehr viel vorgenommen. Gestern hatte ich schon beim Einkaufen die Kirche entdeckt, die ich zum Sonntaggottesdienst aufsuchen wollte, nur ein paar Schritte von meiner Wohnung entfernt.
Dann musste ich noch unbedingt meine Mutter anrufen, die bestimmt schon sehnsüchtig auf meinen Anruf wartete.

Aber jetzt wartete erst einmal das Bett auf mich. Ich steckte meine Nase wollüstig in die frisch bezogenen Bezüge, kuschelte mich darin ein und schlief sofort, ohne noch einmal über alles nachdenken zu können.

Der Sonntag.

Als ich gegen Acht aufwachte war es noch gar nicht richtig hell. Ich saß traumversunken auf der Bettkante vor meinem Kleiderschrank.
Diesen hatte ich gerade mit meinem Fuß vom Bett aus geöffnet, starrte in ihn hinein, ohne zu wissen, was ich eigentlich anziehen sollte. Das wiederum muss eine ganze Weile gedauert haben, denn meinen nackten Körper überzog ein Frösteln welches mich zum Zittern brachte.
Mit der einen Hand suchte ich nach einen Pullover, mit der anderen nach meinen Zigaretten.
Beides hatte ich gleichzeitig in der Hand, musste also die Zigarette noch einmal weglegen, weil zu frieren unangenehmer war als der Tabakentzug.
So zog ich mir den Pullover über den Kopf und griff in dem Moment, als die Hände den Ärmel verließen sofort wieder nach der Zigarette, brannte sie an und machte einen langen Zug.
Von nun an pendelte ich hektisch zwischen Küche und Schlafzimmer um einmal die Kaffeemaschine in Betrieb zu setzen. Zum anderen meine Kleidungsstücke zusammen zu stellen und wiederum abwechselnd an meiner Zigarette zu ziehen und Kekse in mich hinein zu schieben.
Wenn mich jemand dabei beobachten würde, er käme aus dem Lachen nicht mehr heraus.
Das tat er auch, der alte Mann am Fenster gegenüber.
Er lachte.
Mein Gott, ging es mir durch den Kopf, ich hatte ja keine Gardinen und jeder konnte mich so sehen wie ich nun einmal bin.
Das war mir im Moment auch egal, ich lächelte zurück, verschwand flugs im Schlafzimmer, um nun endlich in die Sachen zu kommen.
Schnell noch Zähne putzen und ab in die Kirche.
Beim Zähne putzen fielen mir noch die schönen Worte über Hoffnung, Glaube und Liebe ein und rezitierte sie laut vorm Spiegel, beobachtete
dabei die Wirkung, die sie in meinen Gesichtsausdruck hinterließen:

Hoffnung, Glauben, Liebe.
Einfach nur Worte?
Hoffnung?
Ich hoffe auf die Beständigkeit
im Leben.
Ich hoffe auf Gesundheit,
auf Frieden, auf Glück.
Glaube?
Ich glaube an Gott.
Ich glaube an Freundschaft,
an Ehrlichkeit im Menschen.
Liebe?
Du bist für mich
Glaube und Hoffnung gleichzeitig.
Du bist mein Leben,
meine Liebe.

Die Kirche, sie war eine sehr große Backsteinkirche, in der Art, wie ich sie im Norden gewöhnt war. Eben nur nicht so groß. Die Stufen zur Empore knarrten, wie in jeder Kirche. Ich nahm mir ein Gesangbuch und setzte mich in die erste Reihe. Von hier aus hatte ich einen guten Blick auf den Altar und die Kanzel.
Der Organist setzte mit den ersten Takten der Musik ein, mich durchströmte eine Wärme und innere Zufriedenheit, wie ich sie schon lange nicht mehr in dieser Form erlebt hatte.
Ich fühlte mich zu Beginn des Gottesdienstes in dieser großen Stadt das erste mal richtig geborgen.

Jetzt wusste ich, dass ich in dieser Stadt angekommen bin.

© Jürgen Rüstau

Vergangenes – Im Osten nichts Neues

Im Osten unmöglich – eine überaus (un)freundliche Geschichte

Es sind seitdem mehr als dreißig Jahre vergangen und jeder hat mit dem Westen so seine Erfahrungen gemacht. Ich saß mit Anka im warmen Wohnzimmer auf der Couch und wir kamen auf die längst vergessene Zeit zu sprechen. Kannst du dich noch an die lustigen und bunten Eierbecher aus Plastik erinnern? Ich hatte einen kompletten Hühnerstall, erinnerte sich Anka und holte gleich einen Becher aus dem Küchenschrank. Ja, an diese erinnere ich mich auch noch, aber die werden auch nicht mehr hergestellt. Schade eigentlich, sagte Anka. Aber was gibt es noch nicht mehr?

Eierbecher aus DDR Produktion so wie sie jeder kennt

Was war denn damals alles so anders, außer natürlich die politische Lage. Über diese sprachen wir nicht, denn dies weiß doch jeder. Also, sagte ich, es gibt drei Situationen, welche im Osten überhaupt nicht gingen und die mir jetzt einfielen.
Anka, fragte, und welche wären das? Sie hatte sich auf der Couch aufgerappelt und tat jetzt interessiert. Ich stellte mich jetzt auf eine lange Diskussion ein, aber Anka wartete auf meine Erklärungen, was mich natürlich wunderte.
Hatte ich mich nun zu weit auf dem Fenster gelehnt?
In meinem Kopf ratterte es gewaltig und ich versuchte eine Verbindung zwischen Gehirn und aberwitzigen Mundwerk herzustellen. Wie war das nun damals im Osten? Wo waren denn unsere Grenzen? Als ich darüber nachdachte viel es mir wie Schuppen von den Augen. Bei Grenzen hatte ich auch sofort Bilder. Ich fing umständlich an zu erzählen. Kannst Du Dich noch erinnern, als wir einen Ausflug machten. Wir fuhren ins Vogtland und wanderten von Klingenthal auf den Aschberg. Ach, sagte Anka, dort wo die große Schanze ist. Nein, sagte ich, diese ist auf dem Scheibenberg.
Wir wanderten auf dem Aschberg hoch, entlang der Grenze zu Tschechien. Du hättest an der Grenze gewaltige Angst und warst ganz verstört.
Es war dir richtig unbehaglich. Dort wäre aber nichts passiert. In anderen Himmelsrichtungen hatte uns der Staat Grenzen gesetzt und die zu überwinden hätte tödlich sein können. Also, sagte Anka, hätten wir schon eine Sache, welche im Osten nicht ging. Spätestens jetzt hatte ich ihr Interesse geweckt. Was ging denn noch nicht?
Es war etwas, dass wir verbotener Weise immer im Westfernsehen gesehen haben und was wir bei uns damals gar nicht kannten. Um vom Alltag runter zu kommen, was haben wir damals gemacht? Anka überlegte. Wir haben uns gewaltig zu gelötet. Und wenn es uns da noch nicht gereicht hat?
Anka schaute mich an und verdrehte die schönen großen Augen. Was dann? Im Westen bist du dann zum Dealer deiner Wahl gegangen und hast ein paar Gramm weißes Pulver gekauft, hast es durch die Nase gezogen und warst dann vermeintlich glücklich. Das ist doch eklig, so was durch die Nase, hätten wir nie gemacht. Wie kommst du auf so etwas. Wir waren doch glücklich hin und wieder mit unserem Alk. So etwas bräuchten wir nicht.
Siehst du und deshalb gab es das im Osten nicht. Heute, wenn dir danach ist, gehst du nur auf den Hauptbahnhof, guckst ein wenig dumm und schon sprechen dich mindestens zehn Leute in verschiedenen Sprachen an und fragen dich „brauchst du was? Braucht fast keiner, auch brauchst du diese Leute nicht.
Was gab es im Osten noch nicht, fragte nun Anka.
Etwas ganz Belangloses. Erinnerst du dich noch als ich dich das erste Mal auf der Straße gesehen hatte und ich dir dann hinterher lief. Ich bin dir die ganze Zeit hinterher gelaufen. Ich war amüsiert, sagte Anka und lächelte das süsseste Lächeln der Welt.
Ja, und da lag plötzlich diese Bananenschale mitten auf dem Fußweg und ich rutschte darauf aus und tat mir gewaltig weh.
Siehst du, und deshalb gab es das damals im Osten nicht.

Keine Südfrüchteschalen und deshalb konnte man auch im Osten nicht darauf ausrutschen und sich verletzen.
So schlecht war der Osten dann eben doch nicht.

© Jürgen Rüstau

Anka – Die schönsten Augen der Welt

Augen

Es war ein Tag, wie jeder andere.
Es war ein Herbsttag Anfang November. Glitschig, kalt und trübe.
Und doch war an diesem Tag alles ganz anders.
Sie stand mir gegenüber und ließ diesen doch so öden Tag in den Hintergrund treten.
Sie war eher klein, schlank und von einer interessanten Schönheit geprägt,welche meinen Puls wiederum zu Höchstleistungen inspirierte.
Plötzlich sah ich nur noch Augen, wunderschöne, wahnsinnig große Augen.

Große, runde Augen
schauen fragend in den Tag.
Fallen mir sofort auf,
Augenblicke wie ich sie mag.
Es macht im Herzen Klick.
Dieser Wahnsinnsblick.
Große Augen schauen mich an
von sinnlicher Schönheit umgeben.
Hier läuft das wahre Leben.
Augen lassen mich nicht mehr los,
so groß, schön wie die Sünde.
Gibt es zu Leben andere Gründe?
Augen bezaubern dieses Gesicht.
Lippen aus denen
die Sprache der Liebe spricht.
Ein Körper
der sich im Takt ihrer Worte bewegt,
dabei mich und meine Gedanken erregt.
Bin in dir versunken,
höre dir zu.
Augen haben mich hypnotisiert,
egal was passiert.
Kann mich nicht lösen, hab keine Ruh
Im Traum balanciere ich auf einer riesigen Welle.
Sie spült mich zu dir an das Land.
Ich habe den waren Sinn des Lebens erkannt.

Sie waren einfach da, beherrschten den Raum, füllten ihn mit Wärme und Fröhlichkeit aus.
Unter dieser Augenpartie sah ich vollendet geformte Lippen, einen Mund, welcher sich auf einmal zu bewegen begann.
Sinnlich, einfach schön.
Der Mund sprach irgendeinen norddeutschen Dialekt in einer Art und Weise,in Gleichnis einer Musik,einer wunderschönen Melodie.
Diese Melodie wiederum war gezeichnet von einem auf und ab der Töne, die im Raum nur so herum sprangen.
Nachdem meine Ohren sich an diese Töne gewohnt hatten, nachdem mein Gehirn das Gesagte ihres Mundes aufnahm, war eine Menge Zeit vergangen.
Ich muss doch ziemlich wie ein Depp ausgeschaut haben, denn ihre Augen und ihre Lippen wurden von einem Lächeln überzogen, welches mich nur noch mehr aus der Fassung brachte.
Ich war sozusagen ziemlich fassungslos, regelrecht sprachlos.
Die Frau hatte begriffen, dass ich vom Gesagten wenig aufgenommen hatte und wiederum bewegte sie ihre Lippen und erst jetzt drangen auch die Worte an meine Ohren.
Das Wesen, zu der die Lippen gehörten sagte, sie sei meine neue Nachbarin und heißt Anka.
Dabei schauten mich ihre großen Augen fragend an.
Ich stand immer noch wie angewurzelt mitten im Raum und stammelte nur Peter, ich heiße Peter.
Anka sagte lässig okay, wir sehen uns doch bestimmt noch öfters und entschwebte wieder aus dem Raum und es herrschte Gedanken versunkene Leere. Es verblieb ein Duft im Raum, wie Weihnachten und Ostern gleichzeitig.
So kam es mir jedenfalls vor.
Ich glaube, dass ich mich minutenlang nicht bewegt habe, um vor allem das Gesehene und Gehörte gründlich zu verdauen.
Was war das jetzt eben? Eine Sprachlosigkeit, die ich von mir selbst im entferntesten nicht gewohnt war.
Es waren ihre Augen, sagte ich im Dialog mit mir selbst, ihre Augen haben mich verzaubert, ihre wahnsinnig großen, schönen Augen.
Ich versuchte in Gedanken, ihr Bild wieder in mein Gedächtnis zurückzurufen.
Es funktionierte überraschend gut.
Sie stand vor mir. Klein, kess, herausfordernd, ihre Augen den ganzen Körper beherrschend.
Ich begann im Traum mit ihr zu reden.
Das heißt, ich sprach, sie hörte mir dieses mal zu.
Sagte ihr, wie schön ich sie finde und erzählte von meinen, ihr unbekannten vergangenen Zeiten.
Sie hörte zu.
Erzählte ihr von Liebe und Schmerz, redete über Musik, welche ich mag.
Sie hörte zu.

Plötzlich klingelte es an meiner Tür, ich erwachte aus meinem Tagtraum und stand noch an der gleichen Stelle im Raum, als die Frau diesen verließ.
Wie gesagt, es klingelte.
Ich öffnete.
Da stand sie wieder.

Anka.

Sie lächelte mich an, vergessen war alles, was ich ihr in meinem Traum erzählte.
Ich schaute sie an.
Hallo Peter, ich muss dich noch einmal stören. Ich habe noch nicht alles einkaufen können. Kannst du mir etwas Zucker borgen?
Na klar, sagte ich, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt.
Komm bitte herein.
Sofort begann ich nach Zucker zu suchen.
Da ich den Kaffee immer ungesüßt trinke, musste ich tiefgründig in meiner Küche danach suchen.
In irgendeinem Schrank sollte doch welcher sein.
Fand welchen.
Hatte die Zuckertüte in der Hand, stand ihr gegenüber und dachte an das Gesagte im Traum, was mich nur noch unsicherer machte.
Die Tüte glitt mir aus der Hand und der ganze süße Traum rieselte auf dem Boden.
Gleichzeitig bückten wir uns um zu retten was zu retten war.
Dabei begegneten sich zu unsere Blicke.
Sozusagen Auge in Auge.
Es war eine Situationskomik, welche, keiner Erklärung bedurfte.
Anka fing sofort laut an zu lachen, ein Lachen, dass sofort ansteckend wirkte.
Ich stimmte mit ein. Wir standen inmitten einer Lache von Zucker.
Ihr Lächeln wirkte da einfach noch süßer.
Da muss ich ja nun doch noch einkaufen gehen, sagte Anka und fügte hinzu, dass sie ja ohnehin keinen Wein im Hause hätte und sie ihn gleich mitbringen könnte.
Denn den würde sie ja benötigen, um heute Abend mit mir auf unsere erste Begegnung anstoßen zu können.
Ich käme doch, fragte sie beiläufig?
Natürlich, antwortete ich ohne zu überlegen.
Das war meine erste Begegnung mit Anka, welcher noch viele schönere folgen sollten, denn ihre wunderschönen großen Augen konnte ich nie vergessen.


Die Begegnung

Dieser Herbsttag, welcher eine so überraschende Wendung für mich nahm,fand in den Abendstunden seine Fortsetzung.
Ich muss, dazu sagen es war ein sehr angenehmer Tagausklang.
Den ganzen Tag über, nachdem Anka eine Leere in meiner Wohnung
zurückließ, an die ich mich sehr schwer gewöhnen konnte, machte ich mir Gedanken, wie ich ihr bei unserem heutigen Abend Date gegenüber trete, baute regelrecht in meiner Phantasie diese Begegnung auf.
Was erwartet mich in ihren eigenen vier Wänden, wie lebt diese
außergewöhnliche Frau?
Welche Musik hört sie, welche Bücher liest sie?
Ich muss sagen, im gesamten Tagesverlauf schwirrten die Gedanken mir, wie Bienen im Kopf herum und Anka war die größte und schönste aller Bienen, die mich beschäftigte, die Königin.
Dieser Tag war für die normale Arbeitsproduktivität, welche ich täglich bewältige, gelaufen.
Ich mutierte zum Träumer, der seinen Träumen willenlos erlag, nur noch auf einer Wolke durch den Tag schwebte, den Abend erwartend.
Das klingeln des Telefons riss mich jäh aus dieser Traumwelt und brachte mich zu einem Absturz von meiner Wolke, in der Form, dass ich mich in der Telefonschnur verhedderte und mit dem Telefon tosend zu Boden ging.
Der Anrufer muss dieses ganze Drama live miterlebt haben und hat
wahrscheinlich erschrocken, von meinem Fluchen, schnell das Telefon wieder aufgelegt.
Er hat sich auch in der Folgezeit nicht wieder bei mir gemeldet.
Zu diesem Zeitpunkt hoffte ich nur, dass der Anrufer nicht Anka gewesen sei.
Meine außergewöhnliche Fluch Parade, nach meinem Absturz aus Wolke Sieben wäre mir recht peinlich gewesen, wenn sie es gehört hätte.
Die Tageszeit war wie im Flug vergangen, abgesehen von meiner
unsanften Landung im Zimmer.
Ich begann also, nun schon unter gewaltigen Zeitdruck, da ich den gesamten Tag verträumt hatte, mein Zusammentreffen mit Anka vorzubereiten.
Zähne putzen, duschen, rasieren, immer wieder auf die Uhr schauend, um ja nicht die Zeit zu verpassen.
Denn wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, oder die Getränke sind alle oder so ähnlich.
Ein wenig Düftelü hier, ein wenig Düftelü da.
Ich war fertig.
Bei Anka vor der Wohnungstür strömte ein Duft durch die Ritzen, welchen ich nicht einer mir bekannten Speise zuordnen konnte.
Es roch jedenfalls gut und mein Magen, der bestimmt mit meiner Nase auf irgendeine unerklärliche Weise verbunden war, machte sofort gewaltige Trampolin Sprünge, was wiederum sich in lauten Geräuschen äußerte.
Nicht durch diese Geräusche, sondern durch mein klingeln gerufen, öffnete Anka die Tür.
Sie sah noch bezaubernder aus, als mein Erinnerungsvermögen die
Erscheinung des Morgens nachvollziehen konnte.
Anka hatte ein cremefarbenes, kurzes Kostüm an und zum ersten mal sah ich, dass die großen Augen, der sinnliche Mund auch wunderschöne geradlinige Beine hatte, die von einer Naht den Strümpfen entlang nur noch mehr betont wurden.
Der kurze Rock ließ eine eingehende, wenn auch eine nicht abschließende Betrachtung zu.
Sie sah meine Blicke, genoss sie und ihr Gesicht wurde von einer Röte überzogen, was wiederum ihre Augen wieder in den Mittelpunkt stellten.
Dieses mal auch etwas unsicher, sagte sie zu mir, komm doch rein oder wollen wir uns im Treppenhaus häuslich niederlassen?
Nö, sagte ich, denn ich wollte ja den Ursachen dieses mir noch unbekannten Geruches auf den Grund gehen.
Ging also kurz entschlossen in ihre Wohnung. Was jetzt kam, war für mich überwältigend.
Sie hatte es geschafft in einer derartig kurzen Zeitspanne die
ehemals leere Wohnung in eine gemütliche Oase zu verwandeln.
Ich fühlte mich in dieser Atmosphäre sofort heimisch.
Um den Leser nicht mit einer Aufzählung der gesamten Einrichtung zu langweilen, verzichte ich weitgehend darauf.
Die Einrichtung ist eine gelungene Synthese von einem Studierzimmer und einen sehr gemütlichen Wohnzimmer.
Überall Bücher, viele CDs und Plakate an den Wänden, welche ihren christlichen Glauben zum Ausdruck bringen.
Ich stand also inmitten ihres Wohnzimmers und sah mich ungeniert um.
Setz dich doch bitte, sagte sie und eilte hektisch in die Küche.
Während ich mich auf das Sofa setzte, brachte sie Teller ins Wohnzimmer, entschwand wieder flink.
Dabei redete sie unaufhörlich.
Ich verstand nur, sie hätte uns Pizza gemacht.
Ah, daher dieser wirklich appetitanregende Geruch; und schon hatte ich ein riesiges Stück Pizza auf dem Teller.
Anka brachte eine Flasche Wein und den Korkenzieher.
Machst du bitte einmal auf, fragte sie und ohne eine Antwort ab zuwarten raste sie wieder los um die Gläser zu holen.
Ich wollte noch sagen, selbstverständlich mache ich die Flasche auf, aber sie war schon wieder außer Hörweite.
Es war ein guter Tropfen Wein, ein Chardonnay aus Kalifornien, trocken, fruchtig, behaglich wie die gesamte Atmosphäre bei Anka.
So, stoßen wir nun auf unsere erste Begegnung an, fragte Anka?
Gleichzeitig fingen wir an zu lachen, an die äußerst komische erste Begegnung denkend.
Die Spannung die erst über dem Raum lag, war wie weggefegt und eine lange Unterhaltung begann, die wann auch immer wir Zeit hatten fortgesetzt haben.
Wieder zu diesem Abend.
Anka erzählte mir von ihrem kleinen Dorf in Mecklenburg, wo sie geboren wurde.
Sie erzählte wie schwer sie es hatte, inmitten von sechs Kindern, wo sie mit ihrem Zwillingsbruder die jüngsten waren, aufwuchs.
Es war eine Erzählung über ein Leben, welches viele Ecken und Kanten hatte.
Eine Erzählung, die einer Lebensgliederung gleichkam, denn Anka erzählte mir immer nur Splitter ihres Lebens, oberflächlich aber beeindruckend.
Mehr davon würde sie mir später erzählen, an Abenden wie diesen.
Ich sagte ihr, dass ich mich ganz besonders darauf freue, was ich wirklich ja auch tat, denn Anka konnte erzählen und ich saugte jedes Wort von ihr, wie ein Staubsauger begierig auf.
Wollte kein Wort versäumen, denn jedes Detail ihres Lebens erschien mir von da ab sehr wichtig.
Die Zeit war verronnen, die Uhr zeigte dreiviertel Eins, Zeit um ins Bett zu gehen.

Ein toller Abend,
was will ich mehr.
Essen, Wein, Freunde,
ich brauch‘ es so sehr.
Stunden geredet, Musik pur und d u,
auf dem Boden gelegen,
ich hörte dir zu.
Reden am Abend, reden in der Nacht,
es hat mich dir viel näher gebracht.
Eine wahnsinnige Nähe und doch Distance,
darf ich dich bitten um noch einen Tanz?
Dem Tanz der Tänze,
allein nur mit dir.
Ein Leben auf der Überholspur,
nicht im irgendwo, sondern heute und hier.
Du bist gegangen, ich blieb allein zurück.
Spürte ein Druck zwischen Magen und Herz,
nenne es einfach nur Glück.

Von diesen wunderbaren Wein hatten wir beide zwei Flaschen getrunken.
Beachtlich, denn beim Reden vergeht die Zeit und der Wein lockert die Zunge, macht ein wenig hemmungsloser.
Ich jedenfalls war so hemmungslos, ihr beim Verabschieden an ihrer Wohnungstür einen Kuss auf ihre Wange zu drücken, den sie umgehend erwiderte.
Ich war glücklich einen derartig interessanten Menschen begegnet zu sein, vor allem einer Frau, die mein Herz höher schlagen ließ und ich mir ein Wiedersehen mit ihr unbedingt wünschte .

© Jürgen Rüstau

Automatenfuck – oder wie mache ich eine Kreditkarte glücklich


Blick von meinem Balkon

Eine frivole Geschichte zur Nacht

Ich war heute schon am Tage zweimal auf der Bank und musste feststellen, mein Honorar war immer noch nicht meinem Konto gutgeschrieben wurden.
Und ich brauchte dieses Geld, denn ich war wieder mal pleite.
Gegen Abend sollte aber noch einmal eine Buchung erfolgen, sagte mir die nette Blondine, mit ihren wunderschönen großen Augen, die am Schalter Dienst hatte und lächelte dazu verheißungsvoll.
Da ich den ganzen Nachmittag zu Hause regelrecht rumgammelte, fern gesehen und gelesen hatte, war die Zeit sehr schnell vergangen.
Es war inzwischen dunkel geworden und die Straßen waren menschenleer.
Als ich in die kleine Straße zu meiner Bank einbog, traute ich meinen Augen nicht. Es stand vor der Bank eine riesige Schlange, ausnahmslos alles Männer.
Sie standen vor der Bank und warteten geduldig auf die Benutzung des Geldautomaten. Wer ihn benutzt hatte, ging schnellen Schrittes mit einem wunderbaren Lächeln auf den Lippen und verschwand in der Dunkelheit.
Ich kann aber Menschenschlangen, welche länger als drei Personen waren nicht verkraften und beschloss für mich mit meinen letzten Cent ein Bier in der Eckkneipe zu gönnen.
Es wurden drei.
Vor der Bank war inzwischen auch eine unheimliche Ruhe eingetreten. Zuerst holte ich mir meinen Kontoauszug aus dem Drucker und siehe da, dass erwartete Geld war eingetroffen.
Meine ec-Karte behielt ich gleich in der Hand und ging zu dem Geldautomaten in der anderen Ecke des Raumes.
Jetzt geschah etwas Eigenartiges, Spannendes,was mit Nichts zu vergleichen war. Etwas, was mich völlig aus der Bahn warf.
Aus dem Geldautomat erklang eine erotisierende Stimme, deren Herkunft ich im Moment nicht ermitteln konnte.
Vorsichtig drehte ich mich um, den Körper der zu dieser Stimme gehörte suchend, oder zu mindesten die versteckte Kamera zu entdecken.
Fand aber weder die eine, noch das andere.
Die Stimme, die einen Gänsehauteffekt erzeugte sprach zu mir:
„ Hi Schatz, ist es wieder mal so weit?
Hast du es wieder mal nötig?
Willst du mich wieder einmal benutzen?
Willst du wieder in mich eindringen? “
Ich errötete wieder darauf und sah mich vorsichtshalber noch einmal um, konnte wiederum niemanden erkennen, der mit mir einen solchen, unter die Haut gehenden Scherz machte.
„Ich hatte schon so richtig Sehnsucht nach dir und deinem süßen kleinen Kärtchen und deinen zärtlichen Berührungen“, tönte die Stimme weiter.
Ich hatte mich dafür entschieden, dass ich dieses Spiel mitmache und ich fand schon wahnsinnig großen Spaß an dieser ungewöhnlichen Situation, in der ich mich befand.
„Na also, stell dich nicht so an! Schiebe sie schon in mich rein! Aber schöön langsam!“, forderte mich die Stimme auf.
Ich führte sie vorsichtig in den davor vorgesehen Schlitz und wartete auf weitere Anweisungen, welche auch gleich in mein Ohr drangen.
„Gut machst du das! Du bist einfach toll!
Sehr gut!
Und jetzt stecke sie ganz rein.
Ahhhhh.“
Sie verschwand im Schlitz des Automaten, oder muss ich besser, in dem der Automatin sagen?
Obwohl ich niemanden sah, machte mich allein diese Stimme gewaltig an und ich tat was sie sagte.
Einerseits wollte ich ja von diesem Automaten Geld in Empfang nehmen, anderseits interirisierte es mich schon wie es weiterging.
Und es ging weiter.
„Gleich hast du mich soweit! Jetzt brauche ich bloß noch dein ganz geheimes Nümmerchen!
Ja du, oh, super!“
Daraufhin versuchte ich mich zu konzentrieren, um nicht die Geheimzahl falsch einzugeben.
Es klappte aber nicht besonders gut und ich gab einmal die falsche Nummer ein.
„Oh du kleiner Schelm, willst du mich testen, willst du wissen, ob ich dein kleines Nümmerchen kenne?
Mach’s noch einmal richtig, Süßer!“, sagte die Stimme, welche bestimmt zu einer wunderschönen Frau gehörte. Nicht zufällig dachte ich dabei an die schöne Blondine aus der Schalterhalle der Bank, was mich in diesem Spiel nur noch mehr aus der Fassung brachte.
Noch einmal gab ich die Nummer ein und es war diesmal bestimmt die richtige, denn die Stimme röhrte, „weißt du, es ist einfach Wahnsinn, dein Kärtchen so tief in mir drin zu haben! Wahnsinn!“ In diesem Moment spürte ich, wie tief doch diese Karte im Geldautomaten war und auch ich rief laut aus, dass ist der Wahnsinn!! Zugleich schaute ich mich, erschrocken über mich selbst irritiert im Raum um und spürte wieder die Röte in meinem Gesicht.
„So, Liebling, jetzt tipp mir ein, was du von mir willst! Sei nicht so bescheiden!
Lang doch einfach zu! Ich werde es dir geben, ich gebe dir alles was du willst“
Ich gab ein sehr Bescheiden Sümmchen ein, einen Betrag den ich mir gerade einmal leisten konnte und der verfügbar war.
„ Oh Mann! Bestätige mir das noch mal. Drücke da rechts drauf.
Ja. Feste, du Mann meiner Automatenträume.“
Tat einfach was die Stimme sagte und bestätigte meinen Wunsch.
„Wow, bist du gut! Ich halte es gleich nicht mehr aus! Warte auf mich! Versprich es mir bitte!“
Natürlich warten würde ich auf jeden Fall. Ich brauchte ja schließlich das Geld.
Die Stimme keuchte jetzt: „Gleich kommt’s…gleich…jetzt!!! Ahhhhhh, ohhhh!“
Mir wurde es dabei auch ganz, ganz anders, fühlte mich körperlich geschafft und derzeit doch noch so sehr leer!
Ebenso klang die Stimme: „Uff, bin ich alle, ich bin fertig! Du hast es mir wieder mal gegeben! Zieh bitte gaaaanz langsam raus, hörst du, gaaanz langsam…“
Ich zog das Geld ganz langsam raus, nahm meine Karte und ich muss sagen, ich habe die vergangene Zeit nicht bedauert, sondern regelrecht genossen.
Es war anders, aber doch irgendwie schön. Ich verstand das Lächeln der Männer, die ich schon am späten Nachmittag beobachtete, als sie die Bank verlassen haben.

Als ich nun die Bank verließ, wartete vor ihr Anka.
Ich war drüber sehr erstaunt und fragte sie, ob sie mich denn schon die ganze Zeit in der Bank beobachtet hatte?
Sie hatte.
Sogleich fragte sie mich, kannst du mir vielleicht bitte mal verraten, was an diesem Scheiß Geldautomaten so Besonderes dran ist, dass du dich dort so lange aufgehalten hast?
Ich wollte nicht!
Ich lächelte nur das süßeste Lächeln der Welt fasste sie um ihre Taille und verschwand mit ihr in der Dunkelheit der Nacht.

© Jürgen Rüstau

Mitternacht auf der Waldlichtung

Mitternacht auf der Waldlichtung

Die heiße Sonne dieses Augusttages war erst verblasst und letztendlich mit seiner großen Show, so einfach untergegangen. Die blaue Stunde war über uns herein gebrochen. Meine Augen gewöhnten sich ganz langsam an die Dämmerung.
Menschen, welche hier noch vor einigen Stunden unterwegs waren, verschwanden hinter den Mauern ihrer Häuser. Die Einsamkeit der bevorstehenden Nacht breitete sich, erst ganz langsam, dann mit seiner ganzen Macht, unausweichlich aus. Zwei Männer tauchten mit zwei dazugehörigen Freunden, sichtbar als Silhouetten am Waldrand auf. Wie zu einer Prozession schritten sie in einigen Hundert Metern Entfernung aufeinander, ruhigen Schrittes zu. Der Anblick dieser vier Gestalten, vor der Kulisse der Waldlichtung, war gespenstisch und sie kamen sich immer näher.
Diese Situation nahm wirklich gespenstische Ausmaße an. Ihre Gesichtszüge waren wie in Stein gemeißelt. Hier ging es in dieser Augustnacht um Alles. Ihre Augen ließen nicht Geringeres erkennen. Sie waren am Ende ihrer persönlichen Auseinandersetzung angekommen. Ihren Augen war jeder Glanz entwichenen. Dabei waren sie einmal sehr gute Freunde, kannten sich seit längst vergangenen Kindheitstagen. Sie hatten viel gemeinsam gelacht und auch gemeinsam viele verrückte Dinge unternommen. Sie waren in ihren Spielen Blutsbrüder und jeweils der Eine konnte sich ein Leben ohne dem Anderen nicht vorstellen.
Seine ganz eigenen Gedanken gingen in diesen tragisch erscheinenden Minuten noch einmal zu glücklicheren Tagen zurück, an Tage, wo sie einmal eine viel geschworene Einheit waren, an denen der Streit nicht über allem stand. Es war eine wunderschöne Zeit, ohne sich gegeneinander weh zu tun. Wie war es soweit gekommen, dass sie sich aus eiskalten Blicken unversöhnlich anschauten? Keiner dem Anderen auch nur ein Zugeständnis machen wollte, keiner auch nur einen Zentimeter nachgeben wollte. Nun gut, Beide hatten sich in die gleiche Frau verliebt. Magdalena war das gemeinsame Ziel ihrer Wünsche, ihres Begehrens. Sie würde jetzt bestimmt in ihrem Bett nichts ahnend friedlich schlummern. Magdalena war das Begehren der beiden Freunde zwar schon aufgefallen und sie hatte manchmal darüber gelächelt und sich nichts weiter dabei gedacht. Sie hat sich über so manche angenehmen Züge dieser galanten Werbungen gefreut und hätte nie gedacht das dies so ausufern würde. Es hat sich für alle, nicht beachtenswert, über gegenseitige Wortspiele per WhatApp unsichtbar für andere Beteiligte entwickelt. Aus kleinen unbedeutenden verbalen Anfeindungen hatten sich im Laufe der Zeit immer mehr durchaus feindliche Attacken in die freundschaftlichen Beziehungen der beiden Freunde eingeschlichen. Dabei hatten sie vor nicht allzu langer Zeit alles gemeinsam mit Magdalena unternommen. Es war eine unbeschwerte Zeit. Es wurde viel gelacht und sie schienen immer unzertrennlicher. An Liebe war zunächst in keiner Weise zu denken. Aus zufälligen Berührungen ist wohl in den Köpfen der beiden Freunde mehr geworden. Auch Magdalena spielte in einer ihr unbewussten Art mit Beiden. Sie dachte sich dabei nichts und würde dieses Spiel, ohne einer Bedeutung beizumessen, gern fort setzen. Es war halt ein Spiel unter den jugendlichen Spielerin und unbedarft. Magdalena hatte sich über die Folgen keinerlei Gedanken gemacht. Sie war halt wie immer. Aber bei den beiden Freunden hat sich dieses Begehren nach Magdalena immer weiter hoch geschaukelt und von ihnen Besitz ergriffen.
Sie hatten sich, von Magdalena unbemerkt, in eine ausweglose Situation begeben.
Jetzt standen sie sich auf dieser nächtlichen Waldlichtung in ihrem Angesicht unversöhnlich gegenüber. Ein Plan war in ihren Köpfen gereift. Nach der nun einsetzenden vollkommenen Dunkelheit breitete sich nun auch noch die Stille der Nacht aus. Das Zwitschern der Vögel war schon lange verstummt. Es war kühler geworden und der Atem der Freunde war nun auch sichtbar geworden. Als ein Kautz in die Stille der Nacht seinen Schrei schmetterte, lief Beiden ein Schauer über den Rücken. Erst jetzt wussten sie um die Sinnlosigkeit ihrer Unternehmung.
Aber ein Zurück gab es in dieser Situation nicht mehr. Sie wollten dies hier und heute beenden, komme es was wolle. Sie waren fest entschlossen. Wenn nötig sollte auch Blut fließen.
Und es kam das was kommen musste. Sie wollten sich um Magdalena, welche nichts ahnend in ihrem Bett lag, oder war sie vielleicht in die Diskothek gegangen, um sich zu amüsieren. Denn sie war jung und hatte für solche pubertären Spielchen keinerlei Lust. Vielleicht hat sie aber auch wirklich geschlafen und träumte von dem einen oder anderen Spaß mit den beiden Freunden. Aber wer weiß dies schon.
Sie standen sich auf dieser nächtlichen Waldlichtung unversöhnlich gegenüber um sich zu duellieren. Die Sekundanten stellten den Freunden die Frage nach der Waffe. An den Gegner des Herausforderer ging die Frage nach der Wahl der Waffe.
„Du hast die Wahl der Waffe für dieses Duell, welche Waffe wählst Du?“
Von diesem kam ein Wort welches die gesamte Situation auf den Kopf stellte:
„KREUTZWORTRÄTSEL, wir machen ein Kreuzworträtsel, und wer dieses löst, darf von Magdalena eine Entscheidung erwarten, wer und ob überhaupt einer von ihnen der Auserwählte von Magdalena werden durfte“.
Sie rätselten zwei Tage und zwei Nächte und hatten den Rätselsieger erkoren.
Nur Magdalena bekam nicht so viel davon mit, den in ihrem Übereifer im Werben um sie, hatten sie den dritten Bewerber übersehen.
Wenn sich zwei streiten gewinnt auch manchmal der dritte.
So ist es nun manchmal im Leben, wenn man mit sich selbst beschäftigt ist, sieht man manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht und auch nicht was im Wald so alles vorgeht.

© Jürgen Rüstau

„Mörderisches Taucha“ Lese Tipp

Jürgen Rüstau und Jürgen Ullrich

„Mörderisches Taucha”

Engelsdorfer Verlag ISBN 978-395744-587-2 Preis 9,90 Euro

Eine kleine Gesellschaft trifft sich an der Tauchaer Sparkasse regelmäßig zu den verschiedensten Stadtrundgängen. Geführt werden sie von Johann Gottfried Meißner, dem historischen Nachtwächter von Taucha. An diesem Tag ist eine Krimi-Tour angesagt, eine Reise in die kriminelle Vergangenheit Tauchas beginnt. Dazu hat sich eine Gruppe von unterschiedlichen Menschen zusammen gefunden, um die kriminellen Abgründe dieser Stadt zu erfahren. Dabei erleben sie so manches kleine Abenteuer und kommen sich zwischenmenschlich auch etwas näher. Für alle Freunde der Stadt Taucha und welche die es werden wollen ist dieses Büchlein eine nette Zeitreise durch diese verträumte Stadt.

Leseprobe:
Agatha schlug ihre Augen ganz langsam auf. Der Abschieds Abend mit ihren Kolleginnen hatte sie körperlich völlig geschafft. Die Herbstsonne drang durch ein kleines Löchlein im Vorhang und blinzelte ihr zu. Agatha blinzelte zurück, um kurz darauf ihre Augen noch einmal zu schließen und den letzten Abend Revue passieren zu lassen. Es war ihr letzter Arbeitstag gewesen, in einem zweiundvierzigjährigen Arbeitsleben als Krankenschwester in einem Krankenhaus an der Stadtgrenze von Leipzig. Sie hatte es geschafft, hatte den verhassten Dreischichtdienst die ganzen Jahre, zuletzt auf der Krebsstation ihres Krankenhauses, überstanden. Agatha konnte es noch gar nicht fassen, gestern war sie sechzig Jahre alt geworden und lag jetzt zum ersten Mal ganz entspannt in ihrem Bett. Sie wurde das erste Mal seit vielen Jahren nicht von ihrem Wecker aufgeschreckt, welcher ihr ständig die Melodie der Arbeit spielte – nein sie wurde von einem kleinen frechen Sonnenstrahl aus den Schlaf genommen, ein Sonnenstrahl der ihr sagen wollte, Agatha steh auf, ab heute bist du Seniorin und hast unendlich viel Zeit für dich ganz allein. Einen angetrauten Mann hatte sie schon längst nicht mehr. Der aufopferungsvolle Dreischichtdienst im Krankenhaus hatte ihren letzten Weggefährten schon vor sehr langer Zeit aus dem Haus getrieben und sie hatte es nicht einmal so richtig gemerkt.

Jeden Tag in das Krankenhaus, und in ihrer ohnehin schon knapp bemessenen Freizeit war sie auch noch ehrenamtlich als Telefonseelsorgerin in ihrem Verein tätig. Es war für Agatha ein Bedürfnis, für andere Menschen da zu sein, ihnen zu helfen, sich im Alltagsdickicht zu Recht zu finden. Nur ihrer eigenen Liebe konnte sie zu keinem Erfolg verhelfen. Nein, sie hatte es nicht einmal richtig wahrgenommen, dass Klaus eines schönen Tages für sie gar keine Zeit mehr und irgendwann eine andere Partnerin gefunden hatte. Sie nahm es erst wahr, als Klaus aus ihrem gemeinsamen Zuhause ausgezogen war. Da war es auch schon zu spät für Gespräche und Rechtfertigungen.

So blieb nur noch Peter, der kleine schwarze Kater.

Peter schmiegte sich dann immer, wenn sie irgendwann einmal nach Hause kam, fest an sie und genau in solchen Situationen vermisste Agatha ihren immer nörgelnden Klaus überhaupt nicht. Sie genoss dann überschwänglich die Zeit mit ihrem Kater Peter.

„Peterle, ach Peterle, du bist doch der beste Mann in meinem Haus“, pflegte sie dann immer zu sagen und Peterle schnurrte vor Vergnügen.

Agatha streckte sich jetzt in ihrem Bett, ließ ihre Gelenke knacken und streckte dann ganz vorsichtig ihren linken Fuß aus dem Bett, kreiste mit ihren Zehen durch den üppigen Bettvorleger, ehe sie dann, genauso vorsichtig mit ihrem rechten Bein den Boden berührte. Ihre knorrigen, weißen Füße stellten eindrucksvoll einen Kontrast auf dem roten Bettvorleger dar. Sie schüttelte kurz den Kopf, stellte fest, dass in ihm nichts klapperte und klopfte. Der Wein am gestrigen Abend hatte also keine Folgeschäden hinterlassen. Diese Erkenntnis zauberte ein Lächeln in Agathas Gesicht und mit einem Ruck beförderte sie sich in die Senkrechte. Auch das gelang ihr ganz gut. Sie stand auf ihren beiden Beinen und momentan so richtig im Leben. In diesen Moment stand sie aber noch mitten in ihrem Schlafzimmer in altersgerechter Unterwäsche und einem ihr viel zu großen T-Shirt. Ja, ja, die Zeit der Strings ist nun endgültig vorbei. Wenigstens, stellte Agatha fest, ausgezogen hatte sie sich und das auch noch selbst. Bei den Gedanken kicherte sie laut vor sich hin und ebenso laut sagte sie: „Ist ja auch gar keiner da, welcher das für mich hätte übernehmen können. Eigentlich schade.“ Aber das sollte sich in ihrem neuen Leben auch, wie noch viele andere Dinge, ändern. Vor dem Spiegel ihren Körper betrachtend, dachte sie sich: „Warum eigentlich keine Strings mehr? , die kann ich mir schließlich noch leisten.“ Diesen Vergleich brauchte sie nicht zu scheuen, und sie dachte an ihre etwas füllige, gleichaltrige Nachbarin Petra und kicherte in sich rein.

Barfuß kraxelte Agatha zum Fenster, zog entschlossen die Vorhänge auf und die Oktobersonne wallte in voller Kraft in ihr Schlafzimmer und überzog ihr genügsames Heim mit einem strahlenden, güldenen Schein. Dies alles kam für sie mit so einer Wucht, dass sie erst einmal einen Schritt zurück wich. Als sie zum Kirchturm der Tauchaer St. Moritz Kirche hinaufblickte, blinzelte sie noch ein wenig mehr als zuvor im Bett. Sie ließ den Blick aus ihrem Fenster schweifen, sah ein wunderschönes altes Eckhaus in einem nicht so tollen baulichen Zustand, welches bestimmt viel zu erzählen hatte. Ihre Nachbarin Petra hatte ihr vor ein paar Tagen etwas darüber erzählt:

„Dieses Haus war Anfang 1900 im Auftrag des Ziegeleibesitzers Albin Seidemann in sehr kurzer Zeit errichtet. Im Volksmund wurde es Seidemann-Haus genannt. Von 1900 bis 1913 hatte er es an die Stadtverwaltung Taucha als Rathaus vermietet. Später wurde es dann zum Wohnhaus umgebaut“.

„Also, im Prinzip wohne ich gegenüber vom Rathaus und das hatte früher doch am Markt gestanden“, dachte sich Agatha. Sie blickte nach rechts und bemerkte sofort den Stilbruch. In einer Art rotem Container bot ein Händler Döner und andere ihr nicht so vertraute Speisen an und zerstörte mit dieser „Immobilie“ den Blick auf die sehr alte Tauchaer Kirche. Dieses Teil passte einfach nicht dorthin, aber außer ihr störte sich wahrscheinlich kein anderer an diesem Blick. „Furchtbar und doch so real“, dachte sie.

Das kleine Parthestädtchen strahlte an diesen Morgen eine Ruhe aus, die sie selten so genossen hatte. Sie musste nie wieder in ihr Krankenhaus. Vor allem konnte sie sich auch nicht vorstellen, noch weitere fünf Jahre dort zu arbeiten. Sie hatte jetzt unendlich viel Zeit. Agatha war fest entschlossen ihr Leben zu ändern. Was wusste sie schon von Taucha? Hier hatte sie eh nur geschlafen, hin und wieder ein wenig fern gesehen, um sich dann auch schon wieder auf den Weg zur Arbeit zu machen. Arbeiten, arbeiten, immer wieder arbeiten war zu ihrem Lebenselixier geworden, hatte sie ständig und immer wieder angetrieben, unfähig sich zu erinnern, dass es noch andere Dinge in ihrem Leben geben könnte. Ab jetzt war sie nun „Seniorin“ und genau das wollte sie auch mit ganzen Herzen sein.

Es war Samstag früh, es war Oktober, sie war Sechzig und das Abenteuer Leben sollte für Agatha genau an diesem Tag beginnen. Sie hatte in der Zeitung gelesen, am Abend würde in Taucha ein Nachtwächterrundgang stattfinden, eine Kriminaltour durch ihre Heimatstadt.

Nachtwächtertour

15.Oktober

Treff: 18 Uhr

Sparkasse Taucha

Dauer: ca. 3,5 Stunden

“Tauchas absonderliche Kriminalfälle”

“Sie meinten bisher, in Taucha passiert nichts? Irrtum! Der Nachtwächter führt Sie auf dieser spannenden Tour zu ehemaligen Tatorten, an denen in den letzten sechs Jahrhunderten Kriminalfälle passierten, die den Ermittlern so manches Rätsel aufgaben. Nehmen Sie mit Johann Christoph Meißner die Spuren der Vergangenheit wieder auf und staunen Sie über so manche abrupte Lösung…”

Hier wollte sie nun alles nachholen, was durch Arbeit in den Hintergrund gerückt war. Agatha war wissbegierig und sie wollte auch staunen, genauso wie es in der Zeitung stand. Sie wollte die helle und die dunkle Vergangenheit ihrer doch so unbekannten Wohnstätte ergründen. Heute stand die Dunkle auf der Tagesordnung, und Agatha wusste in diesem Moment noch nicht, dass diese Tour ihr ganzes Leben verändern würde.

Noch gestern dachte sie: „Mörder, Diebe, Ehebrecher und das in Taucha, das gibt es doch gar nicht.“ Die Menschen waren nett, und wenn sie doch einmal Mittwoch auf den Markt ging, um frische Blumen für ihre kleine zauberhafte Wohnung zu kaufen, grüßten sie alle sehr freundlich, standen in kleinen Gruppen und tuschelten. „Nein, hier gibt es doch keine Mörder und Diebe, und Spießertum ist ja nun auch kein Verbrechen.“ Noch gehörte Agatha nicht so richtig zu ihnen. Obwohl sie schon viele Jahre in Taucha wohnte, angekommen war sie hier noch nicht. Sie sah sich allerdings schon mitten unter diesen Menschen. Sie wollte dazugehören, sich an den Gesprächen beteiligen und viel über diesen Ort erfahren, einen Ort, welcher sie immer mehr in seinen Bann zog. Im Buchladen, welcher hinter den Arkaden unterhalb ihrer Wohnung zu finden war, konnte Agatha einige Büchlein über Taucha erwerben und wurde in ihnen fündig. Sie konnte ihr Wissen über dieses bezaubernde Städtchen an der Parthe erweitern.

So zum Beispiel, dass Taucha erstmals im Jahre 974 urkundlich erwähnt wurde, dass in den Jahren 1349 und 1680 viele Menschen durch die Pest starben und auch dass mehrere Großbrände die Stadt zerstörten. Das Städtchen Taucha lag auf einer Höhe von 128 Meter über dem Meeresspiegel, hatte mit seinen neun Ortsteilen etwas über 14500 Einwohner zum jetzigen Zeitpunkt. Am 22. Januar 1851 wurde in der Schloßstraße 2 in der Wohnung des Herrn Breitenborn das erste „Expeditionslocal der Sparcasse der Stadt Taucha“ eröffnet.

Da war es wieder, das was sie schon seit Tagen beschäftigte – Sparkasse Taucha, hier war heute Abend der Startpunkt für den Nachtwächterrundgang, auf welchen sie sich schon wie ein kleines Kind freute. Heute ist die Sparkasse in der Leipziger Straße untergebracht und genau dorthin machte Agatha sich nun auf den Weg.

Wanderung durchs Parthe Land


Unsere Gartenkantine meiner Tante Else


Wanderung mit meinen Eltern entlang der Parthe von Leipzig nach Taucha


Der Schrebergarten meines Vaters in Schönefeld


Gasthof Abnauendorf


Gasthof Alt Mockau


Hier stand früher der Gasthof Thekla

Versteckt der Freisitz in Thekla

Gasthof in Plausig

Fußweg von Plausig nach Seegeritz


Gasthof Seegeritz

Gasthof zur Linde in Taucha

Das Schützenhaus in Taucha, heute steht dort die Grundschule

Wenn man so klein ist, sieben, acht Jahre alt, erscheint einen die Welt so riesig groß.
Der kleine Rodelberg im Mariannenpark in Schönefeld war für mich ein richtig großer Berg mit einer „Todesabfahrt“ für meinen Schlitten. Kurz vor dem Park stand ein Holzbüdchen mit allerlei Leckereien und da gab es auch die viel gerühmte rote Fassbrause, „Leninschweiß“ genannt.. Ein Kindheitstraum, den ich richtig anfassen und genießen konnte. In diesem Park habe ich einen großen Teil meiner Kindheit verbracht und sah an manchen Tagen danach richtig abstoßend aus, sagte jedenfalls meine Mutter, vor einer gründlichen Reinigung. Wasser und Seife brachte dann mein normales Antlitz wieder an den Tag. Wir waren Kinder und sehr unbeschwert. Ich war auch mal beim Spielen im hinteren Teil des Marianne Parks in die Parthe gefallen und das war damals nicht lustig, denn das Flüsslein stank und es schwammen undefinierbare Schaum Kronen darauf. Mein unfreiwilliges Bad war einfach ekelig. Die Kindheit ist eben kein Ponyhof. Also wie gesagt, der Mariannenpark war für mich das größte Abenteuer dieser Kinderzeit.
Außer an bestimmten Sonntagen, an denen ich mich mit meinem Vater auf „große Weltreise“ begab. Die Parthe Dörfer waren für mich die große Welt, die ich unbedingt erkunden wollte
In einem Gedicht von mir heißt es, „…als Kind zog es mich mit meinem Vater magisch hin in diese Stadt…“. Gemeint ist meine jetzige Heimatstadt Taucha.

Als Kind zog es mich mit meinem Vater,
magisch hin in diese Stadt.
Eine Stadt, die einen gewissen Charme zu bieten hat.
Ich ging durch die Straßen,
ging durch die Gassen.
Träumend konnte ich hier meine Gedanken spielen lassen.
Die Kindheit vergangen,
die Träume wie Seifenblasen zerplatzt.
Das Leben, ist so schnell wie die Parthe geflossen.
Niemand hat am Flair von Taucha gekratzt.
Vieles hat sich verändert in der vergangenen Zeit.
Die Parthe ist wieder sauber,
für Fische bereit.
Die Häuser sind viel heller.
Das Leben wurde hektischer und schneller.
Den Tauchschen gibt es wieder,
für alle ein Glück.
Tradition und Geschichte kehrt in die alten Mauern zurück.
Durch die Straßen und Gassen,
der Festumzug sich windet.
Eine lebendige Tradition, welche Menschen verbindet.
Ich bin wieder hier in dieser Stadt,
blieb ihr verbunden.
Hab ein Stück Heimat wieder gefunden.

Der Weg dahin wäre einfach mit der Straßenbahn Linie 3 zu erreichen. Aber so einfach ging unser Sonntagsausflug in den 50er Jahren nicht über die Bühne. Es wurde gewandert. Halt, bis Endstelle Schönefeld wurde gefahren. Von dort ging es von der Parthe weg, zu Fuß in Richtung Friedrichshafener Straße zur ersten Station auf der Wanderung durch die Parthe Dörfer in die Gaststätte „Nordstern“. Mein Vater hatte dort einen Garten und meine Tante bewirtschaftete die Gartenkantine „Nordstern“. Ab hier wiederholte sich an jeder Station das gleiche Ritual. Mein Vater bekam ein Bier und ich eine Fassbrause. Ich glaube sie war auch rot und schmeckte höllisch gut. Leider gibt es diese Gaststätte und meine Tante auch schon lange nicht mehr. Die Gaststätte ist kurz nach der Wende abgebrannt und meine Tante hatte schon lange davor das Zeitliche gesegnet. Ich hatte sie gemocht und nicht nur wegen der leckeren Fassbrause. Als ich älter war, rückte ich des Öfteren mit meinen Kumpeln dort ein und ich schwöre, wir hatten keine Fassbrause getrunken. Aber zurück in die fünfziger Jahre.
Lange hatten wir uns nicht aufgehalten, auch wenn uns meine Tante gern zum Mittagstisch hier behalten wollte. Aber einerseits war es noch zu zeitig und anderseits hatten wir noch eine schöne Strecke vor uns. Also machten wir uns mit unseren eigenen Füßen wieder auf den Weg. Es ging quer durch den Kleingartenverein in Richtung Siedlung Mockau. Die schmucken kleinen Siedlungshäuser wurden in den 30er Jahren erbaut. In der Mitte der Siedlung ging rechts ein Weg ab und plötzlich fühlte man sich nicht mehr wie in einer Großstadt. Ein Feldweg tat sich auf und führte uns schnurstracks in den Abnaundorfer Park, mit einem kleinen Teich in dessen Mitte war eine Insel angelegt wurden und darauf stand ein weißer Pavillon, in ihm ein Gedenkstein.
Der Abtnaundorfer Park mit seiner Fläche von 15,8 Hektar wurde zwischen 1752 und 1755 durch Dr. Traugott Thomasius als Ritterguts Park angelegt. Ab 1789 gelangte das Rittergut in den Besitz der Familie Frege, die 1800 eine Erweiterung des etwa fünfzig Jahre alten Parks im Stil eines sentimentalen Landschaftsgartens ausführen ließ. Es sind noch einige Elemente der ursprünglichen Parkgestaltung erhalten, wie beispielsweise der Teich mit Insel und Tempel, ein Säulenstumpf am Teich, ein Gedenkstein im Wald, eine Bogenbrücke über die Parthe und die Kastanienallee, deren Endpunkt, das Mausoleum der Familie Frege, nach 1945 zerstört wurde. Das dunkle Laub der Kastanienallee sollte den Weg des Todes symbolisieren.
Es fällt mir ein, dass ich vor 15 Jahren auch einmal diese Tour, vom Hauptbahnhof, der Parthe entlang bis in den Abtnaundorfer Park, weiter nach Taucha, gemacht habe. Ich war Mitglied in der Arbeitsgruppe Partheland. Wir waren unterwegs mit Vertretern der Stadt Leipzig, den Bürgermeistern der Städte Taucha und Borsdorf, Künstlern, Landschaftsarchitekten und Vertretern gesellschaftlicher Organisationen. Am Teich im Park wurden für uns ein Picknick und eine Pause und gute Gespräche organisiert. Von dort ging es dann weiter bis Borsdorf.
Mein Vater und ich, wir machten hier kein Picknick, sondern unser Weg führte durch den schönen Park in das Dörfchen Abtnauendorf. Dort befand sich einer meiner Liebling Gasthöfe. Ich war wirklich sehr gern dort. Kühl war es im Gastraum hinter seinen dicken Mauern. Es roch wahnsinnig gut nach einer Kneipe mit dem Duft von Himbeerlimonade, Bier und Gemütlichkeit.
Auch der Freisitz, mit Schatten spendenden Linden machte den Weg dorthin schon so etwas von wertig. Wir waren eben auf dem Dorf und die Zeit schien still zu stehen. Ich fühlte mich entschleunigt, würde ich heute sagen.
Leider ist der Gasthof nicht mehr in Betrieb, aber er steht noch zerfallen an gleicher Stelle, sozusagen als Erinnerungsort. Meine Tagträume brachten alles wieder an den Tag. Schön!
Heute erscheint der Bau in seinem Bestand gefährdet. Er steht seit geraumer Zeit leer, und ein neues Nutzungskonzept ist bislang nicht gefunden. Nichts erinnert mehr daran, dass der Gasthof um 1880 „ein sehr besuchter Belustigungsort der Bier und Kuchen liebenden Leipziger, die namentlich an Sonntagen scharenweise durch die grünen Parthenwiesen nach dem freundlichen Abtnaundorf pilgern, um dort im großen wohl gepflegten Garten des Wirtshauses sich von den Mühen und Sorgen des geschäftlichen Lebens zu erholen“, gewesen war, und dass hier zeitweise an Sonntagen bis zu vierzig Kellner beschäftigt waren. Ungeachtet seines Zustandes handelt es sich bei dem Gasthof aufgrund seiner Größe, seiner Bauweise und der charakteristischen, hier einzig noch überlieferten Kultur um das wichtigste Gebäude, das die alte Dorfstruktur noch dokumentiert. Die Potentiale für eine erneute gastronomische Nutzung sind zweifelsohne vorhanden, wenn infolge der derzeit laufenden Sanierung mehrerer Villen und der zunehmenden Frequentierung des Parthe Land als Naherholungsgebiet die Attraktivität Abtnaundorf wieder neu entdeckt wird. Das markanteste und heute älteste Gebäude der alten Ortslage ist der Gasthof, ein zweigeschossiger Fachwerkbau mit Ziegel gemauerten Erdgeschoß. In dem steilen Zuschnitt des straßenseitigen Krüppelwalmgiebels entspricht das Gebäude in seiner Kubatur dem späteren Mayerschen Landhaus, auf dessen Nachbar Parzelle es steht. In Analogie zu diesem 1801 bereits bestehenden Bau wie aufgrund der Fledermausgauben im Dachbereich kann das Gasthofgebäude ebenfalls noch dem 18. Jahrhundert zugewiesen werden. Die vor nicht allzu langer Zeit entdeckte Jahreszahl 1772 in einem Holzbalken könnte durchaus auf die Entstehungszeit des Gebäudes bezogen werden.

Unser Weg führte uns weiter durch das Dörfchen, am Schloss vorbei, in Richtung des Leipziger Stadtteil Mockau. Große Erinnerung habe ich an den Gasthof Mockau nicht mehr. Ich weiß nur, wir waren dort. Wieder die üblichen Getränke, kurze Rast und weiter ging es in Richtung Thekla. Der Gasthof Thekla lag an der Straße, welche direkt nach Taucha führte. Der Gasthof selbst lag direkt am Straßenrand, hatte einen wunderschönen Biergarten. Hoch darüber thronte die Theklaer Kirche. Leider wurde sie Opfer eines Brandanschlags. Der Täter wollte sich seiner Verantwortung entziehen und flüchtete in den Westen. Aber die Tat holte ihn ein und er wurde dort zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt.
Er hatte halt die sprichwörtliche Rechnung mit dem Wirt nicht gemacht.
„1959 brannte die Kirche infolge von Brandstiftung bis auf die Umfassungsmauern nieder. Dabei wurde die gesamte Einrichtung, der Flügelaltar von 1510, die Kanzel von 1680, der alte Taufstein, die Orgel und die Glocken zerstört.
Am 7. Oktober 1962 wurde die von dem Architekten und Baurat Fritz Ziel und der Innenarchitektin Lilo Häring neu aufgebaute Kirche geweiht. Leider hielt der Wirt vom Gasthof Thekla auch nicht durch“.
Der Gasthof war lange geschlossen und wurde schließlich gänzlich abgerissen.
Schade. In den meisten Dörfern unserer Region fehlen eben die gesellschaftlich wichtigen drei großen K, also Kneipe, Kirche und Konsum. Mit ihnen verließ meisten das Leben diese Dörfer.
Die Parthe Dörfer verlieren damit auch ein Stück ihrer Identität. Es ist einfach wunderbar durch diese Landschaft, an der Parthe entlang zu wandern, früher wie auch heute. Heute allerdings ohne die kindlichen Emotionen. Mit Fassbrause kann mich da keiner mehr locken. Ich habe gemerkt, es gibt auch andere Getränke auf die ich mich freuen könnte. Ein kleiner Tipp für die heutige Zeit ist, wenn man die Straße nach Taucha in Höhe dem ehemaligen Gasthof nach links in die Cleudener Straße verlässt, führt im Straßen Knick eine kleine Brücke über die Parthe und es erschließt sich für uns ein herrlicher Sommergarten. Er wird von zwei älteren Damen betrieben. Es gibt gut gekühlte Getränke, es wird gegrillt und für die Kinder springen echte Dorf Tiere auf den Wiesen herum. Echt familienfreundlich, eine ruhige Oase für die heutige Parthe Wanderung.
Über die Wiesen führt der Weg in Richtung Plaußig. Gemütlich über die Parthenaue gewandert, erreicht man die Neubausiedlung von Plaußig. Den Ortskern erreicht man in cirka weiteren 3 km.
Damals, wie auch heute ist der Gasthof Plaußig ein Tipp wert hier ein zukehren. Lange Zeit war er geschlossen aber heute kann man hier wieder lecker essen. Ein Stück vom Gasthof entfernt befindet sich die Verwaltung vom Zweckverband Parthe, die für Fluss und Ufer unserer Parthe verantwortlich sind. Hier kann man sich auch hervorragend über Landschaft, Flora und Fauna informieren. Am Dorfteich in Plaußig führt rechts ein Weg Richtung Seegeritz. Den nahmen wir. Es Weg führt durch Felder und Wiesen, entlang am Waldrand und Parthe und endet an der Parthebrücke in Seegeritz. Wir bogen links ab und erreichen den Gasthof „Idyll“. Früher ein guter Gasthof auf der Parthe Route, führte in den letzten Jahren nun nicht gerade eine idyllische Zeit und ist jetzt gänzlich geschlossen. Also dieses Mal auch keine Rast. Mit meinem Vater war ich vor knapp sechzig Jahren in diesem Gasthof und hatte eigentlich eine gute Erinnerung. Es gab ein zünftiges Mittagessen, Bier für Vater und Fassbrause für mich.
Lecker.
Gegenüber vom „Idyll“ geht ein Weg am Dorfteich, welcher heute mehr einer Wiese gleicht, wieder an Wiesen und Feldern vorbei und wir erreichen nach einem kurzen Weg Staditzwald und Staditz Teich.
Der See jammert zwar den Hund und hat eine schlechte Wasserqualität. Früher war dieser kleine See besser in Schuss aber dafür waren unsere Flüsse, wie auch die Parthe in einem sehr schlechten Zustand. Erfreulicherweise ist die Parthe heute wieder sauber. In Richtung Cradefeld kommen wir heute an einem Flächennaturdenkmal „Steinerts Berg“ vorbei. Früher konnte man hoch laufen und hatte eine sehr gute Aussicht auf Taucha und die vorgelagerten Dörfer. Landwirtschaft prägt diese Landschaft vor Cradefeld. Im Dorf erreichten wir damals den Gasthof „Zur Linde“ an die ich mich sehr gut erinnern kann. Was mir bleibt ist allerdings nur die Erinnerung.
Der schöne Dorfgasthof ist heute leider dauerhaft geschlossen. Dem jetzigen Besitzer ist es leider nicht gelungen, trotz heldenhaften Bemühungen, dem Gasthof erneut Leben einzuhauchen. Wenn man heute eine Rast einlegen möchte, empfehle ich den Freisitz im Gutshof Graßdorf.
An der Parthe Brücke nehmen wir den Weg an der Parthe entlang, unterqueren die Bahnlinie und laufen Richtung Taucha weiter. Ein kleines Stück weiter führt der Weg unter der Bundesstraße 87 in Richtung Stadtmitte. Wir laufen direkt auf das Rathaus zu und erreichen die Neustadt, was eigentlich die Altstadt von Taucha ist. Wir nahmen den Weg über die Schloss Straße und erreichen die Leipziger Straße. Einstmals pulsierte hier das Leben. Die Ortsumgehung, die heutige B 87 gab es damals noch nicht, denn sie wurde erst 1966 in Betrieb genommen. Der gesamte Fernverkehr ging damals in beiden Richtungen durch die Leipziger-und Eilenburger Straße, was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann.
Jedes Haus in der Leipziger Straße beheimatete ein Geschäft. Das Leben pulsierte in dieser Straße. Die schmalen Fußwege waren mit vielen Menschen gefüllt, ebenso auch die Geschäfte. Unser Ziel war dann damals meistens die Gaststätte „Schützen Haus„ , auf der Festwiese in Taucha. Dieser Gaststätte wurden abgerissen. Der Eingang Bereich der neuen Schule wurde originalgetreu dem Schützenhaus nachempfunden und in die heutige „Grundschule Am Park“ integriert. Im damaligen Schützenhaus gab es zum Abschluss noch Kaffee, Brause und Kuchen. Zum Schluss führte der Weg am Freibad, Park und Parthe entlang und wir erreichten die Sparkasse Taucha. Hier verabschiedeten wir uns endgültig von der Parthe und es ging zur Heimfahrt mit der Straßenbahn zur Endstelle in Taucha. Dort stand ein Holz Imbiss, an dem ich mir noch ein Eis aussuchen durfte. Ein wunderschöner Kindertag ging zu Ende.
Spannend war es und ist es unsere schöne Heimat zu durchwandern. Ich empfehle dies auf jedem Fall, auch wenn heute manches anders ist, unsere Heimat ist aber immer noch sehr schön!
Nachträgliche Anmerkung: Als ich am vergangenen Sonntag zur Foto Tour unterwegs war, stellte ich fest, dass die Gaststätte „Nordstern“ wieder geöffnet hatte. Tradition bleibt erhalten. Da ich damals mit meinem Vater des Öfteren unterwegs war, besuchten wir natürlich auch noch andere Gaststätten an der Strecke, wie Merkwitz, Hohenhaida oder auch in Taucha gab es viele Möglichkeiten. Im zweiten Teil meiner Betrachtungen zur Parthe Wanderung wird es nicht um die Gasthöfe gehen, obwohl es noch viel darüber zu sagen gäbe, vielleicht später noch mal ausführlicher.
Aber zu betrachtend wert wären die anderen schönen Dinge welche sich in der Nähe der Parthe befanden und befinden, wie die Parthe Mühlen, die Schlösser und Herrenhäuser, die Parkanlagen und Naturdenkmäler und vieles anderes. Seid gespannt .

Laufwege:
Gesamtstrecke: 16,7 Kilometer

© Jürgen Rüstau

Unter etwaigen und wahnsinnigen Umständen – Neben der Zeit

Eine phantastische Reise mit mir, zu mir selbst“

1.Die Vorbereitung

Wenn einer eine Reise macht, dann hat er viel zu erzählen. Oder auch nicht. Wie war das denn nun mit meinen eigenen Erlebnissen zu mir selbst? Auch da hat man zu erzählen.

Nur nicht so intensiv, .

Oder?

Ich bin nun einmal ein Träumer und ein Geschichtenerzähler, aber ich würde mich doch niemals selbst belügen, höchstens nur ein ganz klein wenig. Einverstanden? Ihr glaubt mir doch?

Das müsst ihr mir einfach mal glauben, dazu benötige ich euren Vertrauensvorschuss.

Einer meiner Lieblingsdichter, der große Honore de Balzac, hat schon immer in mir den Traum erfasst, seine letzte Ruhestätte zu besuchen und vielleicht noch etwas mehr in seinem Paris zu erleben

Ich wollte in Erfahrung bringen, zeigen sich da etwaige Parallelen zu meinem eigenen Leben.

Die 70 habe ich erreicht – ich brauche dieses Erlebnis und dürste danach, obwohl ich nicht auf grelle und bunte Jogginganzüge stehe! Ich begebe mich also auf die Reise, um eine neue Erfahrung zu machen. Gibt es da vielleicht kleine Parallelen? Man wird sehen, obwohl ich nicht auf Jogginganzüge stehe. Ich bin da jetzt außen ganz vor.

Man kann zu und vor seiner Zeit, in seine Zeit und auch nach neben seiner Zeit, reisen. Kommt auf den Versuch an. Also begab ich mich auf eine Reise neben meiner Zeit!

Erlebnis in ersterer Form und einfach wunderschön!

Neben der Zeit

Manchmal stehe ich vor Dingen,

welche ich schon mal gesehen

Tagträume in Erinnerungen schwingen

Leben im Voraus geschehen.

Manchmal komme ich zu Orten,

nie dort gewesen, doch erlebt.

Erinnereungen in den schönsten Worten,

ein Herz welches zeitlos schwebt.

Manchmal stehe ich im Leben,

irgendwo in einer anderen Zeit,

Glücksmomente zu erstreben,

Leben ohne Trist und Einsamkeit.

Manchmal geht dann meine Reise

in ein nicht gekanntes Land der Träume.

Planlos führen meine Lebensgleise,

berühren von der Zeit vergessene Räume.

Manchmal möchte ich einfach bleiben

auf den Spuren neben meiner Zeit,

mich an deiner Seele reiben,

zeitlos in Unendlichkeit.

Geht es Euch eigentlich ähnlich? Habt Ihr solche Situationen auch schon durchlebt? Wer viel Phantasie hst, der hat doch mehr vom Leben, steht völlig über den Dingen.

Ich war zu Besuch bei meinen Kindern in Bremen, hatte nicht so viele Kleidung mit genommen und sage doch zu meiner Schwiegertochter: „Meine Kleidung ist irgendwie alles verschmutzt und ich besitze in Bremen nur noch einen Set saubere „Anziehsachen“ und ich habe da letztens in Paris einen Jogginganzug gesehen, der mich begeistert hatte. So richtig grell und bunt. Gesagt, getan. Ich, wegen eines solchen „Kleidungsstückes“ auf dem Weg nach Paris.Das war dann die Quelle allen Übels. Nur muss ich dazu sagen: Ich trage zur allergrößten Not einmal eine solche Hose, solcher Kleidung innerhalb meiner eigenen vier Wände. Keinen Meter außerhalb meiner Wohnung.

Geht gar nicht. Da halte ich es lieber mit den Worten des großen Carl Lagerfeld. Wer Joggingsachen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben völlig verloren. Recht hatte er, der große Carl.

Also, kann ich dies doch nur geträumt habe! Denn so etwas derartig hässliches kann es nicht real geben und schon gar nicht in „meinem modischen Paris“.

Jürg aufwachen! Hier wird etwas sehr, sehr peinlich, ich glaube auch , für meine Schwiegertochter, für mich und natürlich für uns Beide!

Also Paris, Wir kommen!, aber gerade haben sich die Fahrtgründe geändert.!

Dies sollte ein Fahrt werden, die ihres gleichen sucht. In der Kürze wie auch in der Intensität.

Ich wollte mit meinem besten und engsten Freund Ibot, wie wir es uns schon seit der Oberstufe vorgenommen hatten. Wir also auf zu unserm Wunschziel, nach Paris, unseren Faden einfach weiter gesponnen, hatten einen Schlachtplan aufgearbeitet. Lebensläufe gewälzt und Fremdenführer studiert. Vorbereitet wie die kleinen Götter, ich bin Jürg und mein Intimus Ibotist mit an Bord.

Wir waren wie aufgezogene Kinder auf den Weg die Welt zu erkunden, ausgelassen schmetterten wir eine Operettenmelodie, so wie ich es doch schon so oft mit der großen Mira getan habe, eine nach der anderen. Lauthals und ohne tieferen Sinn, wie„Ja , das Studium der Weiber ist schwer…“ Aber irgendwann war dann der Kopf leer und Experten waren wir gleich gar nicht. Und äußerst Dabei hatten wir die Grenze nach Belgien längst überschritten. Waren bei bester Laune und kamen immer mehr in die richtige Stimmung. Hervorragend . Die Zeit verging im Sauseschritt, also ich, so schnell wie ich kann Schnell die überall hell erleuchtete Autobahn durch fahren. Die französische Grenze in Sicht.

Die Fahrzeit ging auf die neun Stunden zu und unsere Stimmung war perfekt und wir mussten uns erst wieder an unseren Anlass erinnern. Verdun kam in Sichtweite.

Einfach schön und äußerst geschichtsträchtig. Der Geschichtsunterricht lief in Endlosschleife an mir vorbei und wir testeten uns gegenseitig mit historischen Daten!

Wir waren gut!

Aber noch lange nicht so gut wie das Original und dem kamen wir immer näher, sozusagen zum Anfassen nah.

Der Hunger plagte uns nun schon langsam und es fühlte sich an wie kräftige Schläge in die Magengrube.

An der Casa Roma vorbei und der Eiffelturm waren schon in Sichtweise. Es wurde langsam so richtig interessant.

Am Parkplatz „de la Rapete“ stellten wir unser Auto ab. Natürlich standesbewusst hatten wir einen Franzosen. Am besten einen total zerbeulten, denn er würde es in Paris nicht anders bleiben. Ein- und ausparken mit der gezückten Stoßstange. Jeder sieht so aus, man fällt nicht auf. Ein Auto ist nicht wie in Deutschland ein Statussymbol, es ist zum gebrauchen da, und dazu gehört die Stange zum Stoßen und die wird überall eingesetzt. Sonst hat man mit Parken in Paris keine Chance.

2. Frühstück und eine Menge mehr im „Café fein Ost“ – Ich und Paris, eine göttliche Komödie

Wo gibt es nun das beste Frühstück in Paris? Von Freunden habe ich gehört, ganz ausgezeichnet speist man und auch Frau im „Café fein Ost“. Ja, lecker, sehr lecker! So kann man alle Mahlzeiten genießen, denn geöffnet ist bis 1.30 Uhr. Leckere Sandwich aller Sorten bestimmen das große Angebot.

HUNGER!!

Alles was ich in den Auslagen gesehen habe sieht sehr verlockend und lecker aus und hat ein perfektes Abonnement für die eigene Figur und zwar bis nachts die kleinen Männlein im Schlaf erscheinen und die Näthe an unseren Sachen viel enger machten und man sozusagen aus allen Näthen platzt.

Davor, auf der Straße Platz zu nehmen, entspannen und ohne Ende schlemmen.Vergesswen sind die kleinen bösen und hinterlistigen Männlein aus dem Schlaf. Jetzt geht es hier so richtig zur Sache.

Nach der langen Fahrt tat das sehr gut. Indem ich meine Füße ganz lang ausstreckte, „spielte ich eine Runde, Pariser“ fallen lassen!

Ich habe mich aber bei den Gefallenen entschuldigt, weiß nur nicht ob er es auch wirklich verstanden hat.

Also zum Frühstück selbst. Ich zähle mal auf, aber die Reihenfolge kann ich nicht wirklich garantieren. Zuerst einen und noch einen wunderbaren Milchcafé und einem Sanwich. Weiter gings es mit einem „Langen Pierre“, das ist ein langes Brot mit Schinken und drei Spiegeleiern mit Salat, eine Suggestion French Onion Soup, Tadin Tart.

Und nun zum süßen Teil: Vanilla Creme Brülee und andere süße Leckereien und zum Abschluss ganz traditionell ein Quiche. Dabei festgestellt, Pais ist lecker und verführerrich.

So, dass sollte erst einmal reichen.

Ich glaube, ich hatte eine extreme Magenerweiterung und diese brauchte noch zwei Milchcafé und eine längere Ruhepause in den Anlagen vor dem Louvre.

Eigentlich ging nix mehr aber wir hatten noch drei bis vier Tagesziele denn Ibot wollte noch weiter über den Kanal nach Britannien. Für alle weiteren Dinge hatte ich noch Zeit und ich hatte das Gefühl , es wird sich noch etwas ergeben. Das Schicksal spielte Zufall, oder etwa ander Wir waren jetzt im Zentrum unseres Ziels. Nachdem wir uns körperlich übersättigt hatten, war es jetzt Zeit für die kulturelle Sättigung.

Es war schließlich das wichtigste Anliegen unseres Paris Trip, die Jagd nach meinen grellen, bunten Jogginganzug. Ich war gespannt auf das Äußerste und sah mich schon mit diesem edlen Teil durch die Straßen von Leipzig flanieren.Das glaubt mir keiner, nicht einmal Rainer, wer immer das ist.

Ihr auch?

Aber erst einmal rein in den Louvre, dort, wo auch das französische Kunstmuseum beheimatet ist, eine frühere Residenz französischer Könige, als Teil des Pariser Stadtschlosses. Hier ist es zwischen den Seine Ufern eingebettet. Durch die gläserne Eingangspyramide kommt man zu den Ausstellungen.

Das spannende für mich, und was macht Mona Lisa? Wird sie lächeln?

Sie lächelt ununterbrochen!

Von dem Frühstück noch immer geschafft, lächle ich einfach zurück. Wir drei sind glücklich. Danke Mona Lisa, das war es wert!

Ehe sich Ibot verabschiedet wollten wir noch die Grabstelle von Honore de Balzac besuchen und einen schönen, sonnigen Nachmittag verbringen. Vom Louvre ist es nicht allzu weit bis zum größten Friedhof von Paris.

3. Der größte Friedhof von Paris, ein Park ähnliches, kunsthistorisches Ensemble

Gott sei Dank gab es hier auch nicht den gesuchten Jogginganzug, ihr wisst, grell und bunt. Dafür eine über laufende Blumenpracht, welche auch die Augen beruhigte.

Alte Friedhöfe und Kirchen wecken in mir eine Magie und beruhigen auf jedem Fall auch mein Nervenkostüm.

Ich liebe es, mich dort aufzuhalten und zur ersehnten Ruhe zu kommen.

Wer an Berühmtheiten und deren Ableben historisches Interesse zeigt, ist auf diesem Friedhof, dieser Oase der Ruhe vollkommen richtig. Der größte Friedhof ist der Pére Lachaise in Paris. Er ist bis 18 Uhr geöffnet. Hatte leider keinen Souvenirshop für ausgefallene Jogginganzüge. Aber bunt ist es hier allemal, mit einer Pracht von Blumen in allen Farben. Er ist auch mit der Fläche von 45 ha der größte der Pariser Friedhöfe und zugleich der erste Parkfriedhof. Schon alleine ein Radrundweg hat die stolze Länge von 5,6 Kilometer. Das zeigt dem Besucher schon die Ausmaße dieser Anlage. Bestattet sind hier unter anderem Oscar Wilde, Chopin, Jim Morrison und schließlich auch die letzte Ruhestätte von Honore de Balzac.

Benannt wurde dieser beeindruckende Friedhof nach Peter Francois d´Aix, auf dessen Garten der Friedhof errichtet wurde. Die Grabstätte von Balzcac ist so gestaltet, als ist der Meister unter der Grabplatte verschwunden und hat seine Arbeitsmaterialien alle liegen lassen. Man fühlt sich sofort wie in einer Schreib -und Denkstube und lässt sich irgendwo nieder und harrt der Dinge welche kommen werden. Ich habe sehr nachdenkliche Zeit verbracht. In so viel Grün gehen einem einfach die Gedanken auf, für eine grüne Lebensweise. Wenn man beachtet, wie viele Nährstoffe ein einziger Leichnam an einem Baum abgibt, kann sich jeder ausrechnen in welchen Mengen eine Nährstoffabgabe neues und erhaltenes Grün erzeugt, denn sirbt ein Mensch, setzt er Stickstoff frei. Ein durchschnittlicher Amerikaner setzt sozum Beispiel 2,6 Kilogramm Stickstoff frei.

Das wären ungefähr fünfzig mal so viel , wie in einer Saison, für Bäume und Sträucher empfohlen wird. Für den Paiser Friedhof sind das unglaubliche 69000 Grabstätten in höchster „geistiger“ Konzentration, denn unter den etwa einer Million Verstorbenen, die auf dem Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, befinden sich zahlreiche Berühmtheiten.

Ich atme diese geistige Macht in mich ein, welche Honore de Balczac von seinem Sockel zu mir herunter schickt. Eine wirkliche „Menschliche Komödie“.

Für die Wissenden ist das Leben einfach eine Unendliche Komödie, für die Nicht wissenden bleibt es eine Unendliche Tragödie. Die Zeit auf Pére Lachsise hat mir unwahrscheinlich viel Kraft für das weitere Paris gegeben. Kraft, die ich auch nötig gebraucht habe, obwohl ich keine grellen und bunten Sachen gefunden habe. In dieser Richtung macht sich schon ein wenig Ratlosigkeit in mir breit aber ich werde sehen und ihr sollt es von mir erfahren.

Muss man alles beschreiben was man gesehen hat, oder muss man alles gesehen haben, um darüber zu schreiben? Die Antwort fällt mir so schwer, denn mein Kopf ist ein Bienenkorb und ich bin meine eigene Königin.

Der Abend neigt sich dem Ende entgegen. Ich jedoch bin geneigt noch einige wenige Gläschen von dem leckeren Wein zu trinken, vielleicht bis ich nur noch grelle, bunte und hässliche Jogginganzüge sehe.

Ich in Paris, fast einhundert Jahre nach dem Todestag von Honore del Balczac. Ein überaus erhebendes Gefühl. Vor allem, ich war sn der Grabstätte meines Lieblingsdichters. Honore, du warst ein ganz Großer, nur die Zeit hatte dies noch nicht erkannt. Am wenigsten aber die eigene Familie.

Hier in Pére de Lachsaise hst er seine letzte Ruhe gefunden. Ich ließ den Tag, die letzten Stunden Revue passieren. Ich saß auf einer schattigen Bank, nicht auf einer schottischen Bank, denn dabei dachte ich an Ibot und musste laut lachen, denn der saß bestimmt wirklich auf einer schottischen Bank in Glasgow und hat bestimmt gerade genauso laut gelacht. Oh,man schaute zu mir, zumindest einer.

Ich lasse die absolute Stille auf mich wirken und mich von ihr beherrschen. Sie tut mir sehr gut und bringt mich den großen Dichter ein ganzes Stück näher und mir wird bewusst warum er so verehrt wird. Balczakc aus der unteren Schicht kommend, hat sich mit Energie hoch gearbeitet, extrem zielstrebig gelernt. Er war weiter, als andere, verfasste schon als Schüler bedeutende Werke, welche die Mitschüler teilweise verschwinden ließen, aus Neid auf seine Klugheit. Jetzt hat die Welt diesen Dichter voll und ganz für sich.

„Er setzte sein großes Wissen, für die damalige Zeit, sehr schnell um und stellte Zusammenhänge sofort her, der Poete Luis Lambert, welchen er erdacht hatte, in Form eines Doppelporträts. Beide Grundformen seines Genies , die schöpferische, die Gestalten des Daseins, die nachbildende und die ordnende , welche geheime Gesetze in großen Zusammenhängen des Daseins aufzeigen wollte (ähnlich wie bei Goethes Faust) “ Zitat von Stefan Zweig

Nachdem ich „Luis“ so völlig aufgesogen hatte, in diese wunderbare Welt eingetaucht bin, sie geatmet hatte, war ich der glücklichste Mensch. Ich schwebte, ich glaube, in meinem grellen und bunten, geschmacklosen Anzug. Schade. Was würde denn bei diesen Gedanken die Mona Lisa machen?

Sie lacht lauthals!

Ich relativiere, sie lächelt! Wahrscheinlich hat sie in ihrem verborgenen Blick, mich in diesem verwunschenen Anzug gesehen. Seitdem haben sich ihre Gesichtszüge nicht mehr entspannt, was vielleicht auch eine Erklärung der lächelnden Mona Lisa wäre? Das Lächeln wares mir wert deshalb verbrachte ich unlängst vor diesem Bild auch die meiste Zeit im Louvre. Wertvolle Zeit.

4. Paris, Paris über Allem – Tod und Leben

Mein Kaffeedurst führte mich in der Nähe vom Louvre zu einem kleinen bezaubernden Straßencafé.

Ich ließ mich an einem Tisch vor dem Straßencafé nieder und genoss wiederum dieses wunderschöne Frühlingwetter.

Ein Deutscher setzte sich auf den freien Platz an meinem Tisch, nicht wie in Deutschland, wo man liebsten allein sitzt. Er musterte und taxierte mich von Oben bis unten. Sehr, sehr aufdringlich. Eigentlich hatte ich mich darauf vorbereitet, bei den Hotelpreisen in Paris, das Hotel zu sparen und für eine Nacht das Hotel „Daccia“, ohne fließenden Wasser und Fernsehen zu nehmen So richtig standesgemäß eben! Erst dachte ich, er wolle etwas von mir, was also nicht die von mir bevorzugte Konversation darstellte. Er musterte mich wiederum und sprach mich dann auch gleich mit Du an. Wie denn anders, ein Deutscher. Der Bann war gebrochen. Und alles, aber auch alles fügte sich in diesen Tag. Er suche Darsteller für einen kleinen Dokumentarfilm über den Tod von Honore de Balzac vor einhundert Jahren. Der Kreis hatte sich wieder geschlossen. Und es wäre keine Sprechrolle, da ja Tote bekannterweise nicht oder selten reden.

Ich sollte den toten Honore auf seinem Totenbett darstellen. Ich musste also nichts weiter tun, als mich einfach tod zu stellen. Und genau dies hatte ich schon des Öfteren getan und es war nicht aufgefallen. Passt!

Das kann ich, sagte ich mir. Ich glaubte, gehört zu haben, der Film solle den Titel tragen „Wie die Frau sagt:::“. Diese Dame sollte also die Aufgabe haben, die mobilen Besitzverhältnisse des Prominenten nach seinem Tod zu bestätigen um der Polizei zu übermitteln ob eventuell eine Straftat vorliegt. An dem war nicht so. Viele wohlhabende Männer sind zu dieser Zeit nach ihrem Schäferstündchen nicht nur sexuell erleichtert wurden, während er sanft entschlief, klärte mich Alex bei einigen Bechern Wein auf, An zurück fahren war aber nun nicht mehr zu denken und der Produzent Alex Auch die Übernachtung hatte sich zwischenzeitlich geklärt. Adieu, Hotel“ Daccia“. Auf sein Geheiß checkte ich, nach seinem Worten, auf Kosten der Firma in einem naheliegenden Hotel ein und ließ es mir gut gehen. Zufällig buchte ich ein Hotel wo ich in der preiswerten Variante eine ganze Woche übernachten konnte inklusive eines Designer Jogging Anzuges. Allerdings blieb ich einen Tag länger in Paris und besichtigte noch das eine und andere in der Stadt an der Seine. Ich entdeckte in einem Hotel meiner Preisklasse eine Gemeinsamkeit von uns beiden. Wir waren ein Leben lang notorisch pleite.leider keine Gemeinsamkeit in anderen Dingen. Pleite aber guter Dinge übernachtete ich im feinen Hotel „de Ville“, zu mindestens eine Nacht.

Über dem Bett ausgebreitet lag in aller Pracht, ein greller, buner Jogginganzug.

Ich schrie verzweifelt ! Neiiiiiin!!!!

Das will ich nicht!

Da sagte plötzlich die Stimme aus dem Kleiderschrank.

„“Das musst Du tragen. Das ist Mode, das tragen hier alle!

Ich habe den Urlaub nicht gewollt.,du sagtest, ich heiße Bubu, ich sagte nein

Keine Mode in Paris….

Lulajule nein, ich heiße BUBU, und wie heißt eigentlich DU?

Ich hatte mich im Hotel de Ville, nur kurz auf das Bett gelegt und war sofort tief und fest eingeschlafen. schweißgebadet wachte ich nach einigen Sekunden auf. Jetzt brauchte ich wirklich eine Dusche.

Im Hotel de Ville also, übernachtete ich nun und fühlte mich so richtig wohl in dieser Historie. Mit Alex traf ich mich am nächsten Morgen dort zum Frühstück.Dieses Hotel ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Stil der Neo Renaissance errichtete Rathaus von Paris.

Ich im Rathaus von Paris genächtigt, wow! Die Nacht für schlappe 00000 Euro, hatte man für mich hin geblättert. Da hätte ich nun als Otto Normalverbraucher ganze zwei Wochen mir eine Auszeit leisten können.

5.Tod und Ende des „Jogginganzug“

Der Deutsche war wie man es von Deutschen gewohnt war, auf die Minute pünktlich und hieß genau, wie der größte Platz, mitten in Berlin , ALEX .

Das gemischt mit Pariser Gemütlichkeit, also erst einmal Kaffee trinken, baden im Milchcafé. Geil!

Irgendwann ging es dann richtig zur Sache!

Alex wies mich in meine „Rolle“ ein. Es war nicht schwer, der Drehstab und alles was dazu gehörte traf ein und brachte mich auf Vordermann.

Auch einen Toten zu spielen ist keine leichte Rolle, so leicht sie auch anmutet. Erst einmal habe ich zu viel geatmet, ein andres mal geblinzelt. Ganze vierzehn mal lief diese Szene auf dem Totenbett, ehe sie in der Filmsprache gesagt, im Kasten war. Viel Schweiß ist geflossen um ein kleines bisschen tot zu sein.

Was war der absolut schwerste Part dieser Rolle? Zum einen, meine Verbundenheit, die Ehrfurcht zu diesem großen Dichter, Zur Story, der große Dichter war verstorben, war tot. Seine Sachen lagen in dem Hotelzimmer, welches als Drehort auserwählt war. Also die Sachen, welche ich überziehen sollte für diese kleine Rolle

Meinen ganzen Körper durchzog ein unbeschreibliches Kribbeln.

Noch ein Schälchen Heeßen, wie der Sachse sagen würde und es ging los. Wir hatten uns ein wenig angefreundet und die Chemie zwischen uns stimmte.

Wieder zur Story.

Der Dichter war tot, es lebe der Dichter.

Jetzt kam die besagte Frau ins Spiel. Die Polizei hatte den Leichnam frei gegeben, also frei zur Bestattung. Jetzt hatte sie die Aufgabe, die persönlichen Dinge Balzacs an sich zu nehmen, aufzulisten und zu vergleichen und dem rechtmäßigen Besitzer zu übergeben.

„Was die Frau sagt“ ein juristischer Monstrum. Jetzt kann die Bestattung durchgeführt werden.

Ich hatte nach Paris ein wenig Geld mehr angespart und konnte mir noch einiges ansehen und mehrere Kaffee trinken!

Dann ging es zurück nach Deutschland.

Paris war für mich also ein größerer Erfolg. Außer dem grellen und bunten Jogginganzug hatte ich alles erreicht. Also musste ich noch einmal zurück ins Land der Träume und Illusionen.

Hattet Ihr dies ohnehin alles geglaubt und hatte ich das alles in Paris erlebt?

Ich fuhr aus Paris raus und parkte auf dem erstbesten Parkplatz und machte ein Traum Schläfchen ins Land der unbegrenzten Träume…

Und eine neue Erkenntnis breitete sich innerlich in mir aus. Ja, innerlich sind wir doch alle ein wenig mehr oder auch weniger ein bisschen verrückt?

Sind wir nicht alle ein wenig mehr oder weniger bunt, schrill, grell und ganz anders? Aber das haben wir uns so etwas von verinnerlicht. Wir lassen dies selten nach außen dringen. Das müssen wir aber nicht unbedingt nach Außen zeigen. Deshalb brauche ich auch keinen grellen und bunten Jogginganzug anzuziehen, denn diese Farbigkeit, Reste einer gewissen Wildheit, muss ich nicht auch noch äußerlich tragen. Dies sollte sich jeder innerlich bewahren. Die Freiheit des Denkens und der Farben.

Am Ende frage ich mich. Habe ich das Alles nicht nur geträumt? Was meinst Du…?

Jürgen Rüstau

Die Strumpfsohlen Connection

Es war Samstag Morgen. Ich holte Anka zu Hause ab. Was machen wir heute, fragte Anka auch gleich ungeduldig und neugierig?
Wir fahren in die Heide, sagte ich. Sie schaute mich ungläubig an. Du meinst wir fahren zu Heidi, kenne ich die? Nein Anka, kennst du noch nicht aber wir fahren in die Heide. Das ist ein Natur Gebiet rund um Bad Düben und das heißt so weil dort die Heide von August bis September blüht und diese Pflanzen werden vielfach auch Erika genannt. Jetzt schaute sie mich noch dümmlicher an. Sie hielt nur einen Moment inne, dann schoss es aus ihr heraus. Lachend sagte sie, du kennst ja doch eine Menge Frauen. Heidi und Erika und ihr Lachen schien unendlich zu werden.
Die Fahrt ging los.
Wir verließen gut gelaunt die Stadt in Richtung Bad Düben. Als wir die Wälder erreichten, sagte ich zu Anka, hier beginnt schon die Heide.
So schnell ist die Zeit vergangen und wir sind schon in dieser Heide, stellte Anka fest.
Als wir diesen malerischen Heide Ort erreichten, hielt ich bei einer Bäckerei an. Ich hole uns etwas Proviant, sagte ich zu Anka und verschwand im Laden. Sie wartete ungeduldig im Auto auf meine Rückkehr. Mit einem großen Packet kam ich zu ihr zurück. Was hast du da für uns eingekauft, fragte Anka auch gleich. Ich sagte, alles für mich und grinste. Sie fand das nicht zum Lachen.
Ich habe mir eine Erinnerung an meine Kindheit gekauft und legte ein süßes Teil auf das Armaturenbrett vom Auto. Sie staunte und fragte was das sei. Das sind Strumpfsohlen, sagte ich ihr. Anka staunte wortlos, dann fragte sie, warum heißen die Strumpfsohlen? Erinnerst du dich, als du bei mir im Wohnzimmer gelaufen bist und Löcher in den Strümpfen hattest?
Oh, das war mir aber so etwas von peinlich, sagte Anka schnell und wurde puderrot im Gesicht.
Siehst du, die gleichen Gedanken hatte der Heide Bäcker vor sehr vielen Jahren.
Woher wusste er von den Löchern in meinem Strümpfen? Anka schaute mich unsicher an.
Er wusste es natürlich nicht aber er hatte die gleichen Erfahrungen gemacht und wie die Strümpfe aussahen stellte er seine Gebäckstücke her, ein Backwerk aus Hefeteig mit viel Streuseln und viel Puderzucker. Auf den Boden legte er Pflaumen aus und so sah es dann aus wie eine Sohle mit Löchern. Die Strumpfsohle war geboren und wurde auch unter diesen Namen verkauft.
Und diese lag nun bei uns auf dem Armaturenbrett. Andere sagten, sie seien vor langer Zeit zu Ehren der heiligen Hedwig, deren Grab im Rahmen einer Wallfahrt besucht wurde. Daher sind sie auch als „Hedwigsohlen“ bekannt.
Die heilige Hedwig war Herzogin von Schlesien, half den Armen und lief das ganze Jahr barfuß. Noch eine Frau, stöhnte Anka und verdrehte die Augen. Ich musste lachen und Anka stimmte mit ein.
Bevor wir die Heide erreichten legten wir an der Burg Düben einen Zwischenstopp ein. Sie erhebt sich auf einen kleinen Hügel rechts der Mulde direkt an deren Ufer. Jetzt beherbergt sie ein Landschaftsmuseum und dokumentiert das Leben von Hans Kohlhase, einem rebellischen Kaufmann.
Anka war plötzlich ganz aufgeregt. Die Mulde, die kenne ich, auf der sind wir einmal mit dem Schlauchboot geschiffert.
Ja, ich weiß. Wir sind damals von Leisnig nach Grimma, mit dem Schlauchboot gefahren. Es war ganz schön lustig und es war sehr wenig Wasser in der Mulde. Wir mussten einige Male das Boot anschieben. Vierzehn Tage später war es soviel Wasser das der Fluss über die Ufer trat, wahnsinnig viele Schäden anrichten und viel Leid über die Anwohner brachte.
Ja, ich erinnere mich, sagte Anka. Wir machten auch ein Picknick am Ufer und übernachteten in einer Jugendherberge am Rande der Mulde. Da ging sogar noch ein Bild von Erich Honecker und das viele Jahre nach der Wende.
Fein gemerkt, sagte ich und war stolz auf die Kleene. Das war aber auch wirklich eine schöne Tour. Genau wie heute, dachte ich.
Anka schielte aber ungeniert auf die leckeren Strumpfsohlen. Wann essen wir die endlich, fragte sie und als Antwort knurrte laut mein Magen.
Kurze Zeit später hielt jeder ein solches Backwerk in der Hand und wir bissen in das uns anlachende süße Teil. Anka hatte den ganzen Puderzucker über das Gesicht verteilt und sah so noch süßer aus als sonst.
Nun gestärkt ging es auf in die Heide.
Anka und die Heide, gepaart mit Strumpfsohlen, eine nicht zu toppende Alternative, eine wahrlich Strumpfsohlen Connection.

Jürgen Rüstau