Anka – Die schönsten Augen der Welt

Augen

Es war ein Tag, wie jeder andere.
Es war ein Herbsttag Anfang November. Glitschig, kalt und trübe.
Und doch war an diesem Tag alles ganz anders.
Sie stand mir gegenüber und ließ diesen doch so öden Tag in den Hintergrund treten.
Sie war eher klein, schlank und von einer interessanten Schönheit geprägt,welche meinen Puls wiederum zu Höchstleistungen inspirierte.
Plötzlich sah ich nur noch Augen, wunderschöne, wahnsinnig große Augen.

Große, runde Augen
schauen fragend in den Tag.
Fallen mir sofort auf,
Augenblicke wie ich sie mag.
Es macht im Herzen Klick.
Dieser Wahnsinnsblick.
Große Augen schauen mich an
von sinnlicher Schönheit umgeben.
Hier läuft das wahre Leben.
Augen lassen mich nicht mehr los,
so groß, schön wie die Sünde.
Gibt es zu Leben andere Gründe?
Augen bezaubern dieses Gesicht.
Lippen aus denen
die Sprache der Liebe spricht.
Ein Körper
der sich im Takt ihrer Worte bewegt,
dabei mich und meine Gedanken erregt.
Bin in dir versunken,
höre dir zu.
Augen haben mich hypnotisiert,
egal was passiert.
Kann mich nicht lösen, hab keine Ruh
Im Traum balanciere ich auf einer riesigen Welle.
Sie spült mich zu dir an das Land.
Ich habe den waren Sinn des Lebens erkannt.

Sie waren einfach da, beherrschten den Raum, füllten ihn mit Wärme und Fröhlichkeit aus.
Unter dieser Augenpartie sah ich vollendet geformte Lippen, einen Mund, welcher sich auf einmal zu bewegen begann.
Sinnlich, einfach schön.
Der Mund sprach irgendeinen norddeutschen Dialekt in einer Art und Weise,in Gleichnis einer Musik,einer wunderschönen Melodie.
Diese Melodie wiederum war gezeichnet von einem auf und ab der Töne, die im Raum nur so herum sprangen.
Nachdem meine Ohren sich an diese Töne gewohnt hatten, nachdem mein Gehirn das Gesagte ihres Mundes aufnahm, war eine Menge Zeit vergangen.
Ich muss doch ziemlich wie ein Depp ausgeschaut haben, denn ihre Augen und ihre Lippen wurden von einem Lächeln überzogen, welches mich nur noch mehr aus der Fassung brachte.
Ich war sozusagen ziemlich fassungslos, regelrecht sprachlos.
Die Frau hatte begriffen, dass ich vom Gesagten wenig aufgenommen hatte und wiederum bewegte sie ihre Lippen und erst jetzt drangen auch die Worte an meine Ohren.
Das Wesen, zu der die Lippen gehörten sagte, sie sei meine neue Nachbarin und heißt Anka.
Dabei schauten mich ihre großen Augen fragend an.
Ich stand immer noch wie angewurzelt mitten im Raum und stammelte nur Peter, ich heiße Peter.
Anka sagte lässig okay, wir sehen uns doch bestimmt noch öfters und entschwebte wieder aus dem Raum und es herrschte Gedanken versunkene Leere. Es verblieb ein Duft im Raum, wie Weihnachten und Ostern gleichzeitig.
So kam es mir jedenfalls vor.
Ich glaube, dass ich mich minutenlang nicht bewegt habe, um vor allem das Gesehene und Gehörte gründlich zu verdauen.
Was war das jetzt eben? Eine Sprachlosigkeit, die ich von mir selbst im entferntesten nicht gewohnt war.
Es waren ihre Augen, sagte ich im Dialog mit mir selbst, ihre Augen haben mich verzaubert, ihre wahnsinnig großen, schönen Augen.
Ich versuchte in Gedanken, ihr Bild wieder in mein Gedächtnis zurückzurufen.
Es funktionierte überraschend gut.
Sie stand vor mir. Klein, kess, herausfordernd, ihre Augen den ganzen Körper beherrschend.
Ich begann im Traum mit ihr zu reden.
Das heißt, ich sprach, sie hörte mir dieses mal zu.
Sagte ihr, wie schön ich sie finde und erzählte von meinen, ihr unbekannten vergangenen Zeiten.
Sie hörte zu.
Erzählte ihr von Liebe und Schmerz, redete über Musik, welche ich mag.
Sie hörte zu.

Plötzlich klingelte es an meiner Tür, ich erwachte aus meinem Tagtraum und stand noch an der gleichen Stelle im Raum, als die Frau diesen verließ.
Wie gesagt, es klingelte.
Ich öffnete.
Da stand sie wieder.

Anka.

Sie lächelte mich an, vergessen war alles, was ich ihr in meinem Traum erzählte.
Ich schaute sie an.
Hallo Peter, ich muss dich noch einmal stören. Ich habe noch nicht alles einkaufen können. Kannst du mir etwas Zucker borgen?
Na klar, sagte ich, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt.
Komm bitte herein.
Sofort begann ich nach Zucker zu suchen.
Da ich den Kaffee immer ungesüßt trinke, musste ich tiefgründig in meiner Küche danach suchen.
In irgendeinem Schrank sollte doch welcher sein.
Fand welchen.
Hatte die Zuckertüte in der Hand, stand ihr gegenüber und dachte an das Gesagte im Traum, was mich nur noch unsicherer machte.
Die Tüte glitt mir aus der Hand und der ganze süße Traum rieselte auf dem Boden.
Gleichzeitig bückten wir uns um zu retten was zu retten war.
Dabei begegneten sich zu unsere Blicke.
Sozusagen Auge in Auge.
Es war eine Situationskomik, welche, keiner Erklärung bedurfte.
Anka fing sofort laut an zu lachen, ein Lachen, dass sofort ansteckend wirkte.
Ich stimmte mit ein. Wir standen inmitten einer Lache von Zucker.
Ihr Lächeln wirkte da einfach noch süßer.
Da muss ich ja nun doch noch einkaufen gehen, sagte Anka und fügte hinzu, dass sie ja ohnehin keinen Wein im Hause hätte und sie ihn gleich mitbringen könnte.
Denn den würde sie ja benötigen, um heute Abend mit mir auf unsere erste Begegnung anstoßen zu können.
Ich käme doch, fragte sie beiläufig?
Natürlich, antwortete ich ohne zu überlegen.
Das war meine erste Begegnung mit Anka, welcher noch viele schönere folgen sollten, denn ihre wunderschönen großen Augen konnte ich nie vergessen.


Die Begegnung

Dieser Herbsttag, welcher eine so überraschende Wendung für mich nahm,fand in den Abendstunden seine Fortsetzung.
Ich muss, dazu sagen es war ein sehr angenehmer Tagausklang.
Den ganzen Tag über, nachdem Anka eine Leere in meiner Wohnung
zurückließ, an die ich mich sehr schwer gewöhnen konnte, machte ich mir Gedanken, wie ich ihr bei unserem heutigen Abend Date gegenüber trete, baute regelrecht in meiner Phantasie diese Begegnung auf.
Was erwartet mich in ihren eigenen vier Wänden, wie lebt diese
außergewöhnliche Frau?
Welche Musik hört sie, welche Bücher liest sie?
Ich muss sagen, im gesamten Tagesverlauf schwirrten die Gedanken mir, wie Bienen im Kopf herum und Anka war die größte und schönste aller Bienen, die mich beschäftigte, die Königin.
Dieser Tag war für die normale Arbeitsproduktivität, welche ich täglich bewältige, gelaufen.
Ich mutierte zum Träumer, der seinen Träumen willenlos erlag, nur noch auf einer Wolke durch den Tag schwebte, den Abend erwartend.
Das klingeln des Telefons riss mich jäh aus dieser Traumwelt und brachte mich zu einem Absturz von meiner Wolke, in der Form, dass ich mich in der Telefonschnur verhedderte und mit dem Telefon tosend zu Boden ging.
Der Anrufer muss dieses ganze Drama live miterlebt haben und hat
wahrscheinlich erschrocken, von meinem Fluchen, schnell das Telefon wieder aufgelegt.
Er hat sich auch in der Folgezeit nicht wieder bei mir gemeldet.
Zu diesem Zeitpunkt hoffte ich nur, dass der Anrufer nicht Anka gewesen sei.
Meine außergewöhnliche Fluch Parade, nach meinem Absturz aus Wolke Sieben wäre mir recht peinlich gewesen, wenn sie es gehört hätte.
Die Tageszeit war wie im Flug vergangen, abgesehen von meiner
unsanften Landung im Zimmer.
Ich begann also, nun schon unter gewaltigen Zeitdruck, da ich den gesamten Tag verträumt hatte, mein Zusammentreffen mit Anka vorzubereiten.
Zähne putzen, duschen, rasieren, immer wieder auf die Uhr schauend, um ja nicht die Zeit zu verpassen.
Denn wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, oder die Getränke sind alle oder so ähnlich.
Ein wenig Düftelü hier, ein wenig Düftelü da.
Ich war fertig.
Bei Anka vor der Wohnungstür strömte ein Duft durch die Ritzen, welchen ich nicht einer mir bekannten Speise zuordnen konnte.
Es roch jedenfalls gut und mein Magen, der bestimmt mit meiner Nase auf irgendeine unerklärliche Weise verbunden war, machte sofort gewaltige Trampolin Sprünge, was wiederum sich in lauten Geräuschen äußerte.
Nicht durch diese Geräusche, sondern durch mein klingeln gerufen, öffnete Anka die Tür.
Sie sah noch bezaubernder aus, als mein Erinnerungsvermögen die
Erscheinung des Morgens nachvollziehen konnte.
Anka hatte ein cremefarbenes, kurzes Kostüm an und zum ersten mal sah ich, dass die großen Augen, der sinnliche Mund auch wunderschöne geradlinige Beine hatte, die von einer Naht den Strümpfen entlang nur noch mehr betont wurden.
Der kurze Rock ließ eine eingehende, wenn auch eine nicht abschließende Betrachtung zu.
Sie sah meine Blicke, genoss sie und ihr Gesicht wurde von einer Röte überzogen, was wiederum ihre Augen wieder in den Mittelpunkt stellten.
Dieses mal auch etwas unsicher, sagte sie zu mir, komm doch rein oder wollen wir uns im Treppenhaus häuslich niederlassen?
Nö, sagte ich, denn ich wollte ja den Ursachen dieses mir noch unbekannten Geruches auf den Grund gehen.
Ging also kurz entschlossen in ihre Wohnung. Was jetzt kam, war für mich überwältigend.
Sie hatte es geschafft in einer derartig kurzen Zeitspanne die
ehemals leere Wohnung in eine gemütliche Oase zu verwandeln.
Ich fühlte mich in dieser Atmosphäre sofort heimisch.
Um den Leser nicht mit einer Aufzählung der gesamten Einrichtung zu langweilen, verzichte ich weitgehend darauf.
Die Einrichtung ist eine gelungene Synthese von einem Studierzimmer und einen sehr gemütlichen Wohnzimmer.
Überall Bücher, viele CDs und Plakate an den Wänden, welche ihren christlichen Glauben zum Ausdruck bringen.
Ich stand also inmitten ihres Wohnzimmers und sah mich ungeniert um.
Setz dich doch bitte, sagte sie und eilte hektisch in die Küche.
Während ich mich auf das Sofa setzte, brachte sie Teller ins Wohnzimmer, entschwand wieder flink.
Dabei redete sie unaufhörlich.
Ich verstand nur, sie hätte uns Pizza gemacht.
Ah, daher dieser wirklich appetitanregende Geruch; und schon hatte ich ein riesiges Stück Pizza auf dem Teller.
Anka brachte eine Flasche Wein und den Korkenzieher.
Machst du bitte einmal auf, fragte sie und ohne eine Antwort ab zuwarten raste sie wieder los um die Gläser zu holen.
Ich wollte noch sagen, selbstverständlich mache ich die Flasche auf, aber sie war schon wieder außer Hörweite.
Es war ein guter Tropfen Wein, ein Chardonnay aus Kalifornien, trocken, fruchtig, behaglich wie die gesamte Atmosphäre bei Anka.
So, stoßen wir nun auf unsere erste Begegnung an, fragte Anka?
Gleichzeitig fingen wir an zu lachen, an die äußerst komische erste Begegnung denkend.
Die Spannung die erst über dem Raum lag, war wie weggefegt und eine lange Unterhaltung begann, die wann auch immer wir Zeit hatten fortgesetzt haben.
Wieder zu diesem Abend.
Anka erzählte mir von ihrem kleinen Dorf in Mecklenburg, wo sie geboren wurde.
Sie erzählte wie schwer sie es hatte, inmitten von sechs Kindern, wo sie mit ihrem Zwillingsbruder die jüngsten waren, aufwuchs.
Es war eine Erzählung über ein Leben, welches viele Ecken und Kanten hatte.
Eine Erzählung, die einer Lebensgliederung gleichkam, denn Anka erzählte mir immer nur Splitter ihres Lebens, oberflächlich aber beeindruckend.
Mehr davon würde sie mir später erzählen, an Abenden wie diesen.
Ich sagte ihr, dass ich mich ganz besonders darauf freue, was ich wirklich ja auch tat, denn Anka konnte erzählen und ich saugte jedes Wort von ihr, wie ein Staubsauger begierig auf.
Wollte kein Wort versäumen, denn jedes Detail ihres Lebens erschien mir von da ab sehr wichtig.
Die Zeit war verronnen, die Uhr zeigte dreiviertel Eins, Zeit um ins Bett zu gehen.

Ein toller Abend,
was will ich mehr.
Essen, Wein, Freunde,
ich brauch‘ es so sehr.
Stunden geredet, Musik pur und d u,
auf dem Boden gelegen,
ich hörte dir zu.
Reden am Abend, reden in der Nacht,
es hat mich dir viel näher gebracht.
Eine wahnsinnige Nähe und doch Distance,
darf ich dich bitten um noch einen Tanz?
Dem Tanz der Tänze,
allein nur mit dir.
Ein Leben auf der Überholspur,
nicht im irgendwo, sondern heute und hier.
Du bist gegangen, ich blieb allein zurück.
Spürte ein Druck zwischen Magen und Herz,
nenne es einfach nur Glück.

Von diesen wunderbaren Wein hatten wir beide zwei Flaschen getrunken.
Beachtlich, denn beim Reden vergeht die Zeit und der Wein lockert die Zunge, macht ein wenig hemmungsloser.
Ich jedenfalls war so hemmungslos, ihr beim Verabschieden an ihrer Wohnungstür einen Kuss auf ihre Wange zu drücken, den sie umgehend erwiderte.
Ich war glücklich einen derartig interessanten Menschen begegnet zu sein, vor allem einer Frau, die mein Herz höher schlagen ließ und ich mir ein Wiedersehen mit ihr unbedingt wünschte .

© Jürgen Rüstau

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